Darf man der dritten Corona-Welle in Deutschland nach Mallorca entfliehen? An dieser Frage scheiden sich seit knapp einer Woche die Geister. Während Nonstop-Flüge nach Palma gleichzeitig teuer und kaum noch zu finden sind, landen doch täglich immer mehr Deutsche auf der Baleareninsel. Derweil wird die Kritik an Mallorca-Reisenden laut, es war eines der größten Streit-Themen bei dem jüngsten Bund-Länder-Gipfel. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte danach nochmal eindringlich von Reisen gewarnt. Der Essener Virologe Ulf Dittmer hatte schon vor Tagen erklärt: "Die Lage auf den Balearen halte ich nicht für stabil." Er würde von Reisen abraten.
Im Flieger nach Mallorca ist mir schon mulmig zumute
Schon vor der Anreise spüre ich, dass den Reisenden ein sicheres Gefühl gegeben werden soll. Die Gesundheitsbehörde Spaniens verlangt einen negativen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden bei Abflug sein darf. Außerdem müssen alle Reisenden ein Formular ausfüllen mitsamt Kontaktdaten und Auskünften über den Gesundheitszustand.
Die Airlines und Flughäfen hatten seit Begin der Pandemie viel Zeit, Hygienemaßnahmen zu installieren, um das Reisen so sicher wie möglich zu machen. Aber ist es wirklich sicher?
Es herrscht Maskenpflicht in den Flughafengebäuden und im Flieger. Virologen wie Bodo Plachter hatten davor gewarnt, dass sich Menschen im Urlaub anders verhielten als zu Hause. Und das kann ich punktuell bestätigen. So unterhalten sich im Flieger nach Palma zwei Herren in Urlaubskleidung mit ihren Freunden quer über den Gang – die Masken sitzen dabei unter dem Kinn.
Das ist keine Lappalie, schließlich ist der Flieger ein äußerst sensibler Ort. Hier lassen sich am schwierigsten Abstände einhalten. Mir ist ein bisschen mulmig zumute. Auch wenn ich weiß, dass die Herrschaften ebenfalls einen negativen Test vorlegen mussten.
Früher Ladenschluss und Ausgangssperre drängen Touristen in die Hotels
Am "Ballermann" auf am Strand von Palma angekommen, fällt mir sofort auf, wie leer die Straßen sind. Keine Familien mit Kindern, keine angetrunkenen Partytouristen – die Gegend ist wie ausgestorben.
An einem offenbar geschlossenen Hotel hängt ein Plakat, "SOS Tourismo". Die Krise ist allgegenwärtig. Auch in meiner Unterkunft. Auf der Homepage wird dennoch versprochen, dass das "Wohlergehen der Kunden gewährleistet" wird. "Wir möchten Vertrauen und Ruhe vermitteln und Ihnen einen unvergesslichen Aufenthalt bei uns garantieren", heißt es dort weiter.
Am Eingang zum Gebäude und zum Speisesaal wird jeder Gast mit einem Temperaturmessgerät überprüft. Das schafft Vertrauen. Allerdings stellt sich mir die Frage, wie der vermutete Touristenansturm an Ostern oder gar in der Hochsaison bewältigt werden soll. Mein Hotel ist momentan nicht voll ausgelastet, trotzdem ist das Restaurant gegen 20 Uhr gut besucht.
Das hängt damit zusammen, dass nicht alle Tische aufgrund der Abstandsregeln voll besetzt werden, manchen gar nicht verwendet werden dürfen. Und so bildet sich an einem Abend sogar eine lange Schlange vor dem Saal. Laut einer Hotelsprecherin werden die Gäste in Schichten zum Abendessen gelassen, um eine maximale Auslastung zu vermeiden, aber so ganz scheint es noch nicht zu funktionieren.
Nach dem Essen auf einen Absacker an die Bar – diesen Gedanken haben viele. Und so sind die meisten Tische besetzt, als ich gegen 22 Uhr dort hinkomme. Überrascht bin ich nicht, denn öffentliche Restaurants und Bars müssen um 17 Uhr schließen. Andere Geschäfte machen um 22 Uhr dicht und auf die Straße darf man nur noch mit einem triftigen Grund. Es bleibt den Touristen nichts anderes übrig, als im Hotel zu Abend zu essen und dort einen Cocktail zu trinken.
Heißt: Mehr Menschen tummeln sich auf engem Raum und dadurch bestehen viel größere Chancen für das Virus, sich zu verbreiten. Hier kann das Konzept schnell an seine Grenzen stoßen, wenn sich Menschen in Urlaubsstimmung nicht mehr so einfach "lenken" lassen.
Laut Gesetz muss auf Mallorca selbst draußen überall eine Maske getragen werden. Erst wenn die Füße im Sand stecken, darf sie fallen. Dass diese Vorschrift nicht für jeden nachvollziehbar ist, erfahre ich in Gesprächen mit Einheimischen und Touristen. Wer bei der Missachtung der Corona-Regeln erwischt wird, muss tief in die Tasche greifen.
Kult-Auswanderer auf Mallorca: "Wir werden gefragt, ob wir uns nicht schämen"
Der Druck, die Insel wieder für Touristen zu öffnen, ist riesig. Denn viele Einheimische sind von der Branche abhängig und haben im Zuge der Lockdowns ihre Beschäftigung ganz verloren oder sind in Kurzarbeit. Corona-Rettungspakete und sozialen Absicherung wie in Deutschland gibt es offenbar nicht, wie ich in vielen Gesprächen erfahre. So erzählt mir "Goodbye Deutschland"-Auswanderin Caro Robens, dass viele Einheimische zur Familie aufs Festland oder in andere Ursprungsländer gezogen sind, weil sie die Miete ohne Job nicht mehr bezahlen konnten. Ein anderes Auswandererpaar, Peggy Jerofke und Steff Jerkel, hat eine Hilfsaktion für bedürftige Familien ins Leben gerufen. "Die Schlange an der Essensausgabe wird immer länger."
Sehr viele Mallorquiner sind auf Touristen angewiesen, um zu überlegen. Und so sind sie darauf angewiesen, dass ihr Corona-Konzept genug Sicherheit für die Gäste bietet. Meine Zweifel bleiben.Der Artikel Mallorca wieder offen: Selbst die Kult-Auswanderer Robens sind skeptisch wird veröffentlicht von FOCUS online.