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Kultursender

25 Jahre Arte: Fernsehen vom Feinsten

25 Jahre Arte: Fernsehen vom Feinsten
Seit 25 Jahren bereichert ARTE die Fernsehkultur mit einem feinem Gespür für Qualität, Kunst und Extravaganz Arte/Screenshot

Klasse, klug, und keiner guckt's - wie Arte abseits des Mainstreams ein pralles Vollprogramm anbietet, nötigt uns Respekt ab. Eine Gratulation.

Albern? Schlüpfrig? In jedem Fall mysteriös. Mit einer End­losschleife hoppelnder Schäf­chen schickte der damals noch neue Kulturkanal seine Zuschauer nach Sendeschluss ins Bett. Genau genommen waren es Menschen, die im Schafskostüm Bock sprangen, dazu flüsternde Stimmen und Kin­dergesang. Offensichtlich sollte der Film nach Schäfchen­zählen ­Art müde machen, was aber selten ge­lang: Wo ist bloß die Schnittstelle, ab der es wieder von vorn beginnt?

25 Jahre nach seiner Gründung sorgt Arte weiterhin für hellwache TV-Abende - mit aufregendem Pro­gramm und gegen alle Regeln. Wie unlängst mit Sebastian Schippers Kinofilm "Victoria", der, in nur ei­nem Take gedreht, den Zuschauer atemlos durch die Berliner Nacht trieb. Oder mit der Doku "Mein Herz gehört dem Kopf" über den skurrilen Dichter Arno Schmidt und sein unlesbares Monumentalwerk "Zettel's Traum". Für alle, die beim Fernsehen den Kopf nicht ausschalten wollen, ist Arte ein Glücksfall. Egal, wann man einschaltet, man ist eigentlich immer auf der sicheren Seite, selbst am Nachmittag und selbst gegenüber ARD und ZDF. Ästhetisch sowieso.

Wallpaper-­TV nannte kürzlich ein Kollege den Sender, der zum guten Look auch meist ein Thema hat, das einen unwillkürlich mitnimmt - mal brisant, mal abseitig. Wer ist Steve Bannon? Wie war Saint Laurent? Wie schräg ist queer? Ein flimmerndes Coffeetable-­Ma­gazin also, in dem man gern "blättert" - und mit dem man Freunde beeindruckt. So erklärt sich wohl, dass Arte trotz bescheidener Quoten bei Studien zum "Fanfaktor" der TV-­Sender regelmäßig als Überra­schungssieger hervorgeht. Arte-Seher empfehlen ihren Sender weiter.
Arte erfindet den Themenabend
Nicht nur optisch, auch inhaltlich befinden sich die Deutschfranzosen im permanenten Relaunch. Beispiel Themenabend, seinerzeit mutige TV-Neuerung mit Beiträgen unter­schiedlicher Genres rund um eine Leitidee. Dass mittlerweile alle an­deren ebenfalls Themenabende ha­ben, kontert Arte mit einem neuen Konzept. "Die Stärke eines Themen­abends kann auch seine Schwäche sein", kommentiert Senderspreche­rin Claude-Anne Savin die Erkennt­nis, dass es in der Vergangenheit auch nicht immer gelang, die Form mit relevantem Inhalt zu füllen.

Nach anfangs drei zeigt man heute gerade mal einen Themenabend pro Woche, wobei dieser sich auf lediglich einen Film mit anschließender Diskussion beschränken kann. Aktuelles, Wissenschaft, Kunst oder Geschichte - hochwertige, in­vestigative Dokus sind das Herz­stück dieser Abende, mit Szenen, die man oft sobald nicht mehr vergisst: Am 6. Juni startet das dritte "Arte­ Dokumentarfilmfestival", drei Aben­de mit Kinodokus wie "Die letzten Männer von Aleppo", die beim Sundance Film Festival 2017 zur besten ihres Genres gekürt wurde.
Arte-Statistiken zum Staunen
5 OSCARS
..., vier Goldene Palmen und fünf Goldene Bären brachten arte-Filme von internationalen Festivals mit. Der diesjährige Oscar-Preisträger "The Salesman" ist ebenfalls eine arte-Co-Produktion.

8% MARKTANTEIL
...oder 1,9 Millionen Zuschauer erreichte arte vor Kurzem mit dem vorab gezeigten Krimizweiteiler der ZDF-Reihe "Unter Verdacht". Der Quotenrekord liegt bei 2,4 Millionen Zuschauern (TV-Zweiteiler "Die Flucht").

318 MILLIONEN VIDEOABRUFE
...konnte arte im vergangenen Jahr für sein Digitalangebot verzeichnen. Ein Wachstum von 29 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Früh auf Serien gesetzt
Bei Fiktion unterstreicht Arte mit Hochkarätigem abseits des Main­streams sein Alleinstellungsmerk­mal. Der Sender co­produziert rund 50 Spielfilme pro Jahr, zumeist euro­päisches Autorenkino vom Feinsten wie den Kritikerliebling "Toni Erd­mann". Serien hatte man bereits Mitte der 90er­-Jahre als ernst zu neh­mendes Format entdeckt, natürlich schräg, mit Lars von Triers abge­drehtem Hospitalhorror "Geister".

Gemeinsam mit dem ZDF und unter der Regie von Christian Schwochow produziert Arte derzeit eine Serie über die Welt der Banken: "Credo".
In Sachen Popkultur wird es ge­radezu enzyklopädisch, da gibt es alles. Alljährlicher Höhepunkt: der "Summer of...", der sich in diesem Jahr den britischen Einflüssen auf Rock, Kunst und Mode widmet. Aber am 2. Juni läuft mit "Born to Run" erst mal eine Bruce­-Spring­steen-­Doku, und wer mehr will: Die Onlineplattform Arte Concert ist mit einer Vielzahl von Konzertmit­schnitten ein kleiner Musiksender in sich. Viele wollen mehr, und nicht nur mehr Musik. Tatsächlich hat Artes Videoportal, wo sich auch ein Best­of der letzten 25 Jahre findet, mehr als dreimal so viel Reichweite wie das TV­-Programm. Den dort ausgewiesenen Durchschnitts­marktanteil von gerade mal einem Prozent mag man bei so viel Sehens­wertem kaum glauben. Okay, Arte zeigt auch Oper, Ballett und experi­mentelles Theater. Das ist nichts für jedermann, aber das ist Arte auch nicht. Für Arte muss man sich entscheiden. Also, bitte!

Autor: Heiko Schulze