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Koch oder Entertainer: TV-Köche im Test

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Wer ist mehr Koch: Steffen Henssler (l.) oder Tim Mälzer? Imago

Fernsehköche emanzipieren sich vom Kochtopf und werden immer öfter zu Showmoderatoren und Unternehmern in eigener Sache. Ein Check.

Die Kochshow lebt. Nur liegt die Betonung heute deutlich mehr auf Show als auf Koch. Bestes Beispiel ist das Großküchen-Glamour-Event "The Taste". Am 10. Oktober startet Staffel sechs.

Entsprechend haben auch die Köche ihr Berufsbild neu ausgerichtet. Weg vom Herd, sind sie längst feste Markengesichter ­ihrer Sender, vielfältig einsetzbar wie Küchenmaschinen.

Steffen Henssler spielte in "Schlag den Henssler" Federball - das muss ein Koch heute können. Er konnte es nicht wirklich. Im September verkündete der Sender das Aus der Show. Henssler fehlten Charisma und letztlich auch die Hingabe. Davon besitzt Horst Lichter im Übermaß, will jedoch im TV nicht mehr kochen. Der joviale Rheinländer wird längst mit seiner Rolle als freundlicher ­Antiquitätenvermittler identi­fiziert. Der beredte Tim Mälzer gibt den Synchronsprecher in "Ratatouille" und profiliert sich als Nachhaltigkeitsanwalt im ­Lebensmittelsektor - fast ein politisches Amt. Mälzer ist eigentlich ein Macher, kein Moderator. Moderate Töne beherrscht Nelson Müller, der die Bratpfanne gern mal gegen die Gitarre tauscht und wie Lichter zur Kategorie "gern gesehener Gast im Unterhaltungs-TV" zählt.

Neuer Showstern unter den umgeschulten Köchen ist Roland Trettl, der als "The Taste"-Juror vor zwei Jahren einstieg und sich mit der Vox-Show "First Dates" vom Kochtopf wegbewegt. Ein Hauch habsburgischer Weltmann-Charme steckt im Westenträger. Wer könnte die Bühne betreten und nach alter Gottschalk-Art ein großes Publikum ansprechen? Trettl vielleicht, Frank Rosin und Alexander Herrmann sicher nicht. Der Derbe und der Schöne - sie verkörpern mit unterschiedlichen Akzenten deutsche Provinz. Aber da soll es ja das beste Essen geben.
Steffen Henssler (der Selbstdarsteller): 10% Koch
Foto: Imago
Markenzeichen: Norddeutsches Protzpaket mit markigen Sprüchen. TV: Nach dem Aus für "Schlag den Henssler", darf der Matador nun wieder von der eigenen Late-Night-Show träumen. Küche: "Henssler & Henssler", "Ono by Steffen Henssler" und "Ahoi by Steffen Henssler": Wo Henssler draufsteht, ist kein Henssler drin. Steht namentlich Pate für die Restaurants, überlässt aber seinen Angestellten das Feld.

Fazit: Henssler hat ab sofort fernsehfrei. Was nicht schlimm ist, wie er selbst sagt. Er könne jederzeit wieder für seine Gäste kochen. Doch das TV braucht ihn noch.
Frank Rosin (der Ruhmbegierige): 40% Koch
Foto: Imago
Markenzeichen: Bauchmensch mit derbem Ruhrpott-Charme, der gern austeilt (nannte Steffen Henssler "Sushi-Cinderella"). TV: Kündigte kürzlich die 11. Staffel von "Rosins Restaurants" an. Startet zudem im Winter mit "Rosins Fettkampf" eine neue Abnehmshow. Küche: Das Restaurant "Rosin" in Dorsten, sein Heimatort, hat zwei Sterne. Ein Profiteam sorgt dafür, dass sie nicht ver­löschen. Mit dem Tages­geschäft hat der Inhaber nichts mehr zu tun.

Fazit: Rosin gehört dem TV, dabei zieht es ihn aber immer weiter in die Unterhaltung.
Sein Renommee als Koch ist (noch) hoch. Ein gewagter Spagat.
Tim Mälzer (der Angriffslustige): 70% Koch
Foto: Imago
Markenzeichen: Der unangepasste Rockstar unter den ­Köchen, der vor der Kamera keine Sprachhemmung hat. TV: Duelliert sich in "Kitchen Impossible" um die Welt, Gastgeber von "Knife Fight Club". Küche: In seinem Szeneres­taurant "Bullerei" steht der Hamburger kaum noch hinter dem Herd.

Fazit: Kleine Schauspielrollen ("Dittsche") sind für Mälzer ­Nebenschauplätze. Sein Lebensmittelcheck im Ersten hat sicher Priorität.
Alexander Herrmann (der Charmeur): 70% Koch
Foto: Imago
Markenzeichen: Erfahren und ehrgeizig, redlich und ein bisschen bieder, nimmt Missgeschicke in der Küche aber mit Humor. TV: Unverzichtbar als ­Juror und Kandidatenmentor bei "The Taste". Küche: Sein erster Streich war das "Romantik Posthotel" im Frankenwald, zudem Herr des Hauses dreier Restaurants in Nürnberg.

Fazit: Ist mit eigener Radio- und Bühnenshow unterwegs. Es geht ums Kochen. Aber nicht alles bei ihm ist so heiß, wie es erzählt wird.
Nelson Müller (der Schwiegersohn): 80% Koch
Foto: Sender
Markenzeichen: Lächeln auf den Lippen, schwäbische Gemütlichkeit im Herzen. TV: Moderiert im ZDF eigene Doku­reihe (Bild), in der er anschaulich Alltagsfragen rund ums Essen beantwortet. Zudem Juror bei "Masterchef" auf Sky. Küche: Führt die "Schote" und das Restaurant "Müllers auf der Rü" in Essen. Ist regelmäßig selbst vor Ort, veranstaltet monatlich den "Soul Sunday", singt dort vor Publikum eigene Lieder.

Fazit: Kochen besitzt für ihn weiterhin oberste Priorität.
Horst Lichter (die Plaudertasche): 0% Koch
Foto: Sender
Markenzeichen: ­Bilderbuch-Schnäuzer, Kölner Klappe, runde Brille. Als Amateurkoch fährt er auf dem "Einer wie du und ich"-Ticket - und das sehr gut.TV: Mit "Bares für Rares" scheint er ­seine wahre Berufung gefunden zu haben, auch die XXL-Abendausgabe lief gut. Küche: Seine Gaststätte "Oldiethek" wurde schon 2010 geschlossen. Nabelte sich auch im TV nach und nach vom Kochen ab.

Fazit: Gehört in der Unterhaltung inzwischen zum Inventar. Kochen wird Lichter allenfalls zu Hause.
Roland Trettl (der Stilbewusste): 30% Koch
Foto: Imago
Markenzeichen: Der Südtiroler gilt als eitel, posaunt aber auch gern Geheimnisse ­he­raus (hat sich sterilisieren lassen). TV: Für Trettl ist "First Dates" auch ein first date - nämlich mit seiner ersten eigenen Show. Seine Koch-Expertise gibt er auch weiterhin bei "The Taste" zum Besten. Küche: Führt als Küchenchef seit 2013 kein Restaurant mehr, hat viele ­andere Dinge im Köcher.

Fazit: Trettl sagt selbst: "Es gibt noch so viel mehr im Leben", will neue Bereiche ergründen. Langfristig kocht er nicht mehr im TV.