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Kabarettist ätzt gegen den ZDF-Fernsehgarten und Kiwi - das Publikum ist verwirrt

Fernsehgarten, Andrea Kiewel, Kritik
Sternchen statt Stars für Moderatorin Andrea "Kiwi" Kiewel beim "ZDF Fernsehgartem". IMAGO / Eibner

Meinung | Sternchen statt Stars auf der Bühne: Der "ZDF Fernsehgarten" befindet sich wohl gerade auf einer Talfahrt. Das Live-Publikum guckt mehr als nur verwirrt und die Promis müssen sich auch noch beleidigen lassen.

Knapp 250 Auto-Kilometer liegen zwischen dem Amphitheater im Gelsenkirchener Nordsternpark und Mainz-Lerchenberg, und doch trennen ganze Schlagerwelten an diesem Wochenende diese beiden Orte. Am Rhein-Herne-Strand hat Florian Silbereisen am Samstagabend "Die große Schlagerstrandparty 2022" gefeiert – unter anderem mit Roland Kaiser, Howard Carpendale, Andreas Gabalier und Marianne Rosenberg. Und der "ZDF-Fernsehgarten" so? Muss aus Mangel an Stars selbst den Wolfgang Petry geben.

"Achtung, gleich singen wir", schwört Andrea "Kiwi" Kiewel ihre Gartengemeinde ein, und schon öffnet sich der Schlund der akustischen Hölle sperrangelweit: "Das ist Wahnsinn, warum schickst du mich in die Hölle", grölt Kiewel – diesmal tatsächlich im Kiwi-grünen Hosenanzug angetreten – ins Mikrofon. Warum diese Gesangsdarbietung? Keine Ahnung, ist aber auch egal, denn es wird nicht wirklich besser: Anna-Maria Zimmermann singt "Ich hab dich so vermisst". Ein Kompliment, das man leider nicht zurückgeben kann.

"Schlagkräftige Sportarten" statt Mega-Live-Shows

Kiewel muss sich an diesem Schlager-Sonntag mit dem zufrieden, was Florian Silbereisen übriggelassen hat; lediglich Oli P. ist über Nacht aus Gelsenkirchen auf den Lerchenberg teleportiert. Prince Damian, Adiama, Claudia Jung, Ricky Maier und die Schürzenjäger – das alles klingt eher nach Eröffnung eines Möbelmarktes als nach "ZDF-Fernsehgarten".

Kiewel hat dafür ein paar neckische Freizeitspielchen mitgebracht: Das Schlager-Motto der Show wurde in einem kreativen Anfall des Senders durch "schlagkräftige Sportarten" ergänzt. Wer hält den Ping-Pong-Ball möglichst lange mit dem Schläger in der Luft? Woanders eine Beschäftigungstherapie im Seniorenheim, geht das beim ZDF als Trendsportart durch.

Andrea "Kiwi" Kiewel greift genüsslich zur Bulette

Darauf folgt eine Art "Montagsmaler" mit Schlagertiteln, auch das Publikum auf dem Sofa vor dem TV-Gerät darf diesmal mitmachen. Offenbar reichen dem ZDF die TV-Gebühren nicht mehr und muss ein bisschen Extra-Kohle über das Gewinnertelefon machen (14 Cent pro Minute oder teurer für alle, die übers Handy anrufen). Zu holen gibt es eine Tischtennisplatte – wer will da nicht zuschlagen?

Eine Handvoll männlicher Gäste aus der Nähe von Düren und mit sicher nicht nur Apfelsaft im Glas hat Buletten mitgebracht, da greift Kiwi gerne zu: "Lecker, lecker, lecker!" Der "ZDF-Fernsehgarten" ist inzwischen durchgereicht worden zum Hotspot für Junggesellenabschiede und Kegelvereine. Beides spricht nicht für eine Qualitätsoffensive und könnte mit ein Grund sein, warum Schlager-Stars den "Fernsehgarten" inzwischen weitläufig umfahren.

"Sommerparty": Mit Folge 10 des "Fernsehgartens" kann es nur aufwärts gehen

Endgültig schizophren wird es dann mit dem Auftritt von Wolfgang Trepper und seinem Bühnenprogramm""Mehr Nutten, mehr Koks – scheiß auf die Erdbeeren". Der Kabarettist vom Typus "Alter weißer Mann" darf auf GEZ-Ticket fröhlich über die Show selbst und ihre letzten verbliebenen musikalischen Gäste herziehen – wohl in der heimlichen ZDF-Hoffnung, so auch die letzten "Fernsehgarten"-Fans und Schlagersänger zu verprellen. Das Live-Publikum auf dem Lerchenberg zumindest guckt vorwiegend verwirrt bis bestürzt. Alleinunterhalter bedeutet offenbar wirklich, dass einer sich ganz alleine unterhält.

Mit diesem Schlagersonntag hat der "ZDF-Fernsehgarten" die Talsohle dieses Sommers neu ausgelotet. Am nächsten Sonntag ist mit Folge 10 und dem Motto "Sommerparty" dann Bergfest, wie Kiewel bereits hoffnungsvoll ankündigt. Gut möglich, dass sie damit sogar Recht behält: Nach dem Tiefschlag an diesem Schlagersonntag kann es eigentlich nur noch aufwärts gehen.

Von FOCUS-Autorin Beate Strobel