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"Hart aber fair" heute: Frank Plasberg verrät, was er in der TV-Rente auf keinen Fall macht

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Frank Plasbergs letzte Sendung "Hart aber fair" WDR/Stephan Pick

Er habe "Halt und Orientierung" gerade in schwierigen Zeiten bieten wollen: Nach mehr als 20 Jahren in ARD-Diensten endet am Montag die Ära des Talkers Frank Plasberg bei "Hart aber fair". Thema seiner Abschiedsausgabe ist die umstrittene Fußball-WM in Katar.

"Wir wollten nicht die x-te Polit-Talkshow machen, sondern ein Format entwickeln, das normale Menschen und Politiker auf Augenhöhe bringt", fasste Frank Plasberg vor rund zwei Jahrzehnten den eigenen Anspruch in Worte. Den Worten folgten reichlich Taten. Auch wenn sein Talk ohne den Namen im Titel auskommt, hat sein Name Gewicht. Plasberg wird gefürchtet, geachtet - und manchmal auch für seine forsche Gesprächsführung kritisiert. Eine Haltung zum ARD-Talk "Hart aber fair" hat fast jeder, der dieses besondere Debattenformat im deutschen Fernsehen regelmäßiger einschaltet. Vor 21 Jahren, am 31. Januar 2001, wurde die Sendung mit dem programmatischen Titel erstmals ausgestrahlt - damals noch im WDR-Fernsehen. Nun geht im Ersten eine Ära zu Ende. Frank Plasberg moderiert am Montag, 14. November, 21 Uhr, seine letzte "Hart aber fair"-Ausgabe. Im Januar wird der 33-jährige Louis Klamroth seine Nachfolge antreten.

Der moderierende Journalist, wie man Plasberg, der im Mai 65 Jahre alt wurde, ohne jede Häme bezeichnen darf, hat mit seinem Polittalk vor allem deshalb Geschichte geschrieben, weil er die Sendung kaum zur Plattform für parteipolitisches Gezänke geraten ließ. In den besseren Momenten, und davon gab es seit der ersten Ausgabe viele, wurden bei "Hart aber fair" die Schreihälse und Schaufensterredner rechtzeitig zur Räson gerufen. Stattdessen wurden die Argumente so ausgetauscht, dass es auch für den Zuschauer gewinnbringend war. Dafür sorgte mit ordnender Hand ein Gastgeber, der manchem zu schulmeisterlich erschien. Andere mögen die Sendung gerade wegen dieses unaufgeregten, deeskalierenden Moderationsstil. Geschmackssache.

Plasberg war als "Hart aber fair"-Gastgeber nie darauf aus, zu spalten, ihm ging es vielmehr darum, zu ergründen und zu vertiefen. Information vor Krawall - das Credo mag manche Sendung für jene, die am gepflegten TV-Zoff ihre Freude haben, zur tristen Angelegenheit gemacht haben, unter dem Strich jedoch ging der Ansatz auf. Gerade in Krisenzeiten, in Phasen gesellschaftlicher Verwerfungen, wie es sie seit einigen Jahren ohne Unterbrechung gibt, spielt "Hart aber fair", wie man es so viele Male während der Corona-Pandemie am Montagabend im Ersten mitverfolgen konnte, seine Stärken aus.

Vor genau sieben Jahren, am 14. November 2015, am Abend nach den fürchterlichen Terroranschlägen von Paris, hat Frank Plasberg mit seiner Redaktion in Windeseile eine Sendung zusammengestellt, die nicht nur all das, was "Hart aber fair" ausmacht auf den Punkt brachte, sondern auch beispielhaft dafür war, was das viel kritisierte öffentlich-rechtliche Informationsfernsehen manchmal eben doch leisten kann. Unter dem Titel "Terrorkrieg in Paris: Was macht die Angst mit unserem Europa?" wurden Angst und Schrecken tiefgründige Gespräche voller Information und Ermutigung entgegensetzt.

Selbst als unlängst unter der spitzen Überschrift "Eine Frage der Herkunft: Warum sehen Ost- und Westdeutsche Russlands Krieg so anders?" über die angespannte Lage der Nation debattiert wurde, blieb alles im Rahmen. Obwohl der Titel Schlimmes vermuten ließ und so klang, als gäbe es in zwei unterschiedlichen Teiles dieses Landes tatsächlich genau zwei völlig gegensätzliche Sichtweisen, so, als würden wir uns als Gesellschaft noch in den Nach-Wende-Krämpfen der frühen 90-er winden, hatte man als Zuschauer am Ende den Eindruck, dass sich das Gros der Menschen in diesem Land wohl doch sehr gesittet zu verständigen weiß.

Auf die Frage, was die Zuschauer in den in Krisenzeiten besonders stark nachgefragten Talks suchen, antwortete Plasberg vor Jahresfrist im Interview mit den Worten: "Halt und Orientierung!" So viel Anspruch wurde nicht nur vom treuen Publikum honoriert. Deutscher Fernsehpreis, Grimme-Preis, Bayerischer Fernsehpreis ... - nur einige der Auszeichnungen, die der Talk im Laufe der Jahre einheimste. Plasberg, als ehrliche Haut in seiner Branche durchaus geschätzt, sagte in dem Gespräch mit der Nachrichtenagentur teleschau: "Wir haben einige wichtige Sendungen hingestellt und hoffentlich hier und da Interessantes zu den großen gesellschaftlichen Diskursen beigetragen. Die ein oder andere Sendung war auch ein Griff ins Klo - aber das gehört dazu, wenn man fast jeden Montag dran ist. Da braucht man dann tapfere Menschen im Sender, die das mit einem durchstehen. Und die hatten wir immer."

"Wir sollten unsere Klientel besser pflegen, sonst verlieren wir sie"

Wahrscheinlich würde er, nach dem Erfolgsrezept seiner Sendung gefragt, auf das Handwerk verweisen: Plasberg gehört noch zu den Journalisten, die das Fach von der Pike auf gelernt haben. Mit 18 volontierte er bei der "Schwäbischen Zeitung", war Redakteur bei der Münchener "Abendzeitung", machte Radio und moderierte insgesamt 15 Jahre lang zusammen mit Christine Westermann die "Aktuelle Stunde" beim WDR. Vor allem seine Zeit beim Radiosender SWF 3 hat ihn geprägt. "Dort wurde mir beigebracht, vor Politikern keine Angst zu haben", sagte er dereinst. "Sonst ist nichts mit Augenhöhe. Das Selbstvertrauen, zwar nicht das Fachwissen wie der Finanzminister zu haben, im Interview aber trotzdem bestehen zu können, weil die Fragetechnik stimmt, habe ich dort gelernt."

Der gelernte Journalismus-Handwerker Plasberg mochte zuletzt nicht mehr verleugnen, wie sehr er von manchen Verwerfungen der jüngeren Zeit genervt ist - ganz besonders vom Verfall der Diskussionskultur, wie er in den sozialen Medien zu beobachten ist. "Die Mythen und Märchen, die fahrlässige und bewusste Desinformation, die sie sich dort verbreiten, sie sind eine Gefahr für die Demokratie. Ganz abgesehen von dem rüden und bedrohlichen Ton, der sich zunehmend durchsetzt", gab Plasberg Ende 2021 gegenüber teleschau zu Protokoll. "Wenn ich das, was da auf manchen Seiten als Reaktion auf unsere Sendung gepostet wird, für unsere durchschnittliche Zuschauerschaft halten würde, müsste ich sofort aufhören mit meinem Beruf."

Ein etwas anders gelagertes Problem habe auch mit dem Journalismus zu tun, so der 65-Jährige: "Vor allem Twitter wird zu einer Art vorpublizistischem Raum. Dort werden inzwischen Themen gesetzt, die dann in den klassischeren Medien adaptiert und groß gemacht werden - dabei ist bei Twitter selbst nur ein sehr kleiner und gewiss nicht repräsentativer Teil der Bevölkerung zu finden. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht immer mehr an den Bedürfnissen und Interessen der Mehrheit vorbeiberichten."

Den Journalisten, auch den Kollegen der öffentlich-rechtlichen Sender, schrieb Plasberg seinerzeit ins Stammbuch: "Wir sollten unsere Klientel besser pflegen, sonst verlieren wir sie - im schlimmsten Fall auch an die Schwurbler und Verschwörungsgläubigen." Auf die Frage, ob er eine Idee habe, wie sich die Gesellschaft dort, wo sie gespalten ist, wieder zusammenraufen könne, antwortete ausgerechnet der Brückenbauer Plasberg erstaunlich nüchtern, dass ihm seine Fantasie dafür nicht ausreiche. Es sei "ja auch kaum mehr möglich, irgendwelche Brücken zu bauen - jeder Versuch wird ausgeschlagen, endet im Fiasko." Worte, die wohlgemerkt noch vor dem Krieg in der Ukraine und den damit verbundenen neuerlichen Verwerfungen gesprochen wurden.

Am Ende geht's nur um Fußball - aber was heißt hier "nur"!

Nun, bei Plasbergs "Hart aber fair"-Finale, geht es nur um Fußball - wobei das "nur" natürlich nicht ernst gemeint ist. Auch rund um den Ballsport wartet neuerdings gewaltiges Kontroversenpotenzial, wie jeder weiß. "Ab in die Wüste - wer freut sich auf die WM in Katar?", ist die Abschieds-Folge überschrieben. Sie schließt an eine Dokumentation an, die das Erste zuvor ab 20.15 Uhr zeigt. Für den Film "Katar - warum nur?" reiste der ehemalige Fußballnationalspieler Thomas Hitzlsperger in das Gastgeberland der in Kürze beginnenden Weltmeisterschaft. Der nach seinem Karriereende offen schwul lebende Ex-Profi recherchierte zu den Arbeitsbedingungen rund um die Stadionneubauten, traf Menschenrechtlerinnen und sprach mit aktuellen deutschen Nationalspielern.

Hitzlsperger nimmt im Anschluss an die Doku-Ausstrahlung auch im "Hart aber fair"-Studio Platz. Die weiteren Gäste sind Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Ex-Bundesligaspielerin und Podcasterin Tugba Tekkal, der frühere Werder-Bremen-Manager Willi Lemke sowie der DFB-Mediendirektor und frühere ARD-Sportreporter Steffen Simon. Sie sollen diskutieren, ob eine WM stattfinden sollte "in einem Land ohne jede Fußball-Tradition, das die Menschenrechte missachtet". Weiter heißt es in der Programmankündigung: "Ist das Turnier in Katar der letzte Beweis für den Ausverkauf des Fußballs? Oder siegt am Ende doch die große Leidenschaft für das Spiel?"

Frank Plasberg wird auch diese letzte Sendung mit der ihm eigenen Geschmeidigkeit über die Bühne bringen. Und dann? Man wird sehen. "Ich bin jedenfalls Montagabend weiter begeistert dabei - als Zuschauer", ließ der Talker wissen. Nicht ohne sich mit warmen Worten zu verabschieden: "Welch ein Glück für mich, über 20 Jahre lang eine Sendung wie 'Hart aber fair' moderieren zu dürfen. Dafür gilt mein großer Dank 'meinem' Sender, dem WDR, einem tollen Team hinter der Kamera und natürlich den vielen Gästen, ohne deren Bereitschaft zum Diskurs die Sendung nicht möglich wäre". Es sei "ein Glück für die Sendung, dass ein Kollege wie Louis Klamroth im Januar übernimmt". Vom 9. Januar 2023 an soll dann der frühere ntv-Moderator durch die Sendung führen.

Plasberg bleibt derweil der ARD auf einem anderen Terrain erhalten. Am 15. Dezember zeichnet er eine weitere Ausgabe des seit 2008 in Quizform präsentierten Jahresrückblicks "2022 - Das Quiz" auf, der Ende des Jahres ausgestrahlt wird. Und dann? Im Gespräch mit der "Süddeutschen" sagte Plasberg, seine "Familie und sein Fitnesstrainer" sagten ihm, er solle zu "Let's Dance" gehen. "Und ich sage, habt ihr sie noch alle?"