"Puffmama" im Familienprogramm
Der Fernsehgarten besticht Woche für Woche durch eine gemischte Musikauswahl, die von gediegenem Pop bis Schlager reicht. Offenbar hat man sich für diesen Sonntag dazu entschieden mal etwas verrückter und vielleicht auch jünger zu sein. Also kommt der Sommerhit des Jahres mit Textzeilen wie "Was er von mir wollte, wusste ich nicht/ Ich sah nur das Grinsen in seinem Gesicht/ ‘Was ich dir sage, glaubst du mir nicht‘/ Ich hab 'n Puff und meine Puffmama heißt Layla/ Sie ist schöner, jünger, geiler" um die Ecke. Klassische Ballermann-Poesie und da fängt das Problem an: Auch ich habe am Ballermann schon zu solcher Musik gefeiert und kenne den Kontext daher nur zu gut. Das ist der entscheidende Punkt – solche Texte sind zwar grundsätzlich fragwürdig, auf Mallorca haben sie aber eine musikalische und soziale Umgebung, die solche Musik verortbar macht. Mir persönlich gefällt der Text nicht, aber mir gefallen auch die Texte einiger Rapper nicht und ihre Musik höre ich trotzdem – gewisse Widersprüche lassen sich aushalten.
Im ZDF-Fernsehgarten entsteht mit Ballermann-Musik allerdings ein Kontext-Vakuum, denn dort sitzt das gleiche Publikum wie sonst auch vor dem Fernseher und man darf sich fragen: War das wirklich die richtige Wahl? Denn die sexistischen Implikationen (das fängt schon mit "meine" Puffmama an) des Textes stehen dort ohne Augenzwinkern und ohne Promille im Raum. Andrea Kiewel hat höchstwahrscheinlich nicht vor hinterher mit Künstlern wie DJ Robin & Schürze oder Ikke Hüftgold noch feministische Diskussionen über Hits wie "Dicke Titten, Kartoffelsalat" zu führen.
Bitte nix verbieten
Wer solches Liedgut verbieten will, hat Kunst nicht verstanden, aber wer Kritik gar nicht erst zulassen möchte, ebenfalls nicht. Spielt das Lied, tanzt und trinkt! Ist doch schön, jetzt, wo die Gefährdung durch Corona nicht mehr so drängt wie 2020 und 2021 und bereits in den vergangenen Jahren gab es Mallorca-Ausgaben des Fernsehgartens. Mickie Krause ist ebenfalls wieder angekündigt und vielleicht spielt er ja das "Donaulied", das vor zwei Jahren so heftig für Sexismus krisitiert wurde, dass es sogar Petitionen dagegen gab. Die Diskussionen um solche Lieder müssen außerhalb des ZDF-Fernsehgartens weitergehen, dort aber sollte man die Sensibilität besitzen, bestimmte Musikgenres, die so gezielt mit Provokationen arbeiten, außen vor zu lassen.