Der TV-Markt ist im Wandel - so stark wie seit Jahren nicht mehr. Immer mehr Streamingdienste drängen auf den Markt und es zeichnet sich langsam eine Sättigung ab. Betreiber von Privatsendern beklagen, dass die wirtschaftliche Lage die Einnahmen durch Werbung drücke. Mitten in dieser Zeit hat der Musiksender Deluxe Music beschlossen vier weitere Musiksender ins Free-TV zu schicken. Anstatt also linearem Fernsehen weniger Aufmerksamkeit zu widmen, erhöht die Mutterfirma High View die Dosis. Ausgerechnet beim Musikfernsehen, das seit Jahren totgesagt ist. Wie passt das zusammen? Im Interview erzählen Ulrike Unseld, verantwortlich für das Musikportfolio bei High View und Stephan Schwarzer, Programmdirektor von Deluxe Music, wieso es diese vier Musikrichtungen sein sollten, wie die neuen TV-Sender ankommen und wie sie die Konkurrenz zu Youtube einschätzen

TVSpielfilm.de: Frau Unseld und Herr Schwarzer, über kaum ein TV-Genre wie Musikfernsehen wurde so häufig gesagt, dass es tot sei. Warum ist Deluxe Music immer noch da?

Ulrike Unseld: Wir haben uns 2013 vorgenommen das Musikfernsehen für den deutschsprachigen Raum neu zu erfinden. Gleichzeitig wurden wir ein bisschen dafür belächelt, als wir damit begonnen haben. Unsere Bilanz kann sich sehen lassen: Seitdem haben wir die Reichweiten mehr als verdoppelt, der Sender findet sein Publikum, genau das treibt uns weiter an.

Man glaubt ja Fernsehen verliere generell an Bedeutung. Was hat Sie dazu bewogen in dieser Situation gleich vier neue Sender zu starten?

Ulrike Unseld: 2022 wurden rund fünf Millionen Fernseher verkauft und die Beliebteit von größeren Fernsehern steigt. Musikvideos liefern brillante Bilder und erzählen großartige Geschichten, der perfekte Inhalt für den großen Bildschirm. Wir sind mit unserem Archiv in der Musik ausgezeichnet aufgestellt hatten mit unserem Mutter-Unternehmen High View die Möglichkeit die Sender über den Satelliten zu verbreiten und ab sofort sind die Sender auch ohne TV-Anschluss über WLAN zum Beispiel bei Anbietern wie waipu.tv zu finden. Allein der Satellit erreicht 17 Millionen Haushalte, das ist eine ganze Menge. Dazu kommt, dass Deluxe Music ist eine starke Dachmarke ist und so sind die Rahmenbedingungen insgesamt sehr attraktiv.

"Ich liebe diese Musik"

Warum haben Sie sich für die vier Genres: Dance, Rap, Rock und Flashback entschieden?

Stephan Schwarzer: Flashback ist naheliegend, weil es gerade eine generelle Retro-Stimmung gibt. Die alten Shows kommen zurück, die alte Musik auch. Rock ist für mich ein Hidden Champion, eine eher konservative Musikrichtung, die im Radio mittlerweile sehr exponiert ist. Dance, ganz klar, ist kommerziell sehr erfolgreich und die Leute haben gerade nach Corona jetzt wieder Lust raus in die Clubs zu gehen. Rap.. naja.. weil es einfach geil ist! Ich bin wahrscheinlich der älteste "Modus Mio"-Hörer (Deutschrap-Playlist von Spotify, Anm. d. Red.) Deutschlands. Ich liebe diese Musik und es ist unheimlich kreativ. Das ist das Genre, was in die Zukunft weißt.

Wie sehen Sie die Konkurrenz in Sachen Musikvideos wie Youtube?

Ulrike Unseld: Bei Musikfernsehen ist es so: Wir kuratieren das vernünftig, lassen nicht den Algorhithmus entscheiden und arbeiten so gegen die multioptionale Orientierungslosigkeit. Deluxe Music versus Youtube? Wir sehen uns nicht als Konkurrenten von Youtube – das sind unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Nutzungssituationen. Mit unserem Angebot an linearen Sendern bieten wir Musikliebhabern ein einzigartiges Musikerlebnis, welches dankbar genutzt wird.

Stephan Schwarzer: Wir schaffen auch Künstlern eine Plattform. Wo kann man noch stundenlang über Musik reden im TV? Beispielsweise hatten wir eine Nina Chuba oder eine Zoe Wees weit vor ihren großen Hits wie "Wildberry Lillet" und "Control" in unseren Sendungen.

"Durchweg sehr positive Resonanz"

Wie läuft es bei den Sendern, wie sind die Quoten und welche Rolle spielen die?

Ulrike Unseld: Bisher werden "nur" Deluxe Music und Schlager Deluxe offiziell über die AGF gemessen. Beim Hauptsender sind wir 2013 mit 100.000 gestartet und waren in den Höhepunkten bei vier Millionen Zuschauern. Diese einzelnen Momente sind vergleichbar mit arte oder 3Sat (im Jahr 2021 lagen die Quoten bei arte im Schnitt bei rund 1,3 Prozent, Anm. d. Red.). Wichtige Indikatoren sind ebenso unsere Werbepartner – diese sehen oft sehr schnell an ihren eigenen Zahlen, ob sie ihre Zielgruppen erreichen. Und vor allem ist uns das Feedback unser Zuschauer:innen sehr wichtig.  Die neu gelaunchten Sender sind noch nicht in der Messung erfasst, aber wir freuen uns über die durchweg sehr positive Resonanz der Zuschauer über unsere Social-Media-Kanäle und auch der Partner.

Welche Musikrichtung kommt als nächstes?

Stephan Schwarzer: Ich glaube, dass dieser Lounge- und Chillout-Bereich noch ein Thema ist. Da haben wir bereits eine bestehende Marke, auf der wir gut aufsetzen können. Anfang Juli werden wir noch mit einer neuen Sendung am Samstagabend an den Start gehen, da gibt es dann jede Menge Partymusik, wo Latin eine zentrale Rolle spielt.

Vielen Dank für das Gespräch!