Ist der angekündigte Neustart von "Deutschland sucht den Superstar" ein Flop? Nein! Der Sender RTL kann zwar nicht umhin zuzugeben, dass die Quoten schlechter sind und die Show in der öffentlichen Wahrnehmung kaum stattgefunden hat, aber das alles macht DSDS 2022 noch lange nicht zum Flop. Warum die Sendung nach Dieter Bohlens unrühmlichen Ausstieg in diesem Jahr sogar besser funktioniert hat? Lasst es mich versuchen zu erklären, auch wenn ihr anderer Meinung seid.

DSDS ist endlich das, was es immer sein wollte

Wie viele DSDS-Zuschauer kennt ihr, die vor 2022 gesagt haben: Ich gucke das nur noch wegen Dieter Bohlen und höre meistens nach den Castings auf? Ich kenne einige. Niemand sollte verneinen, dass Bohlen ein Zugpferd war, er WAR eigentlich DSDS und das würde über kurz oder lang zum Problem werden nach 18 Staffeln. Das wusste RTL anscheinend und hat die Zusammenarbeit mit ihm beendet. Eine Castingshow, die sich auf eine Person konzentriert und darauf, wie alle Teilnehmenden zu dieser Person stehen, kann auf Dauer nur nach dem Topmodel-Prinzip funktionieren: Entweder man macht es alleine oder gar nicht mehr. Bei ProSieben schmeißt Heidi Klum schon seit Jahren ohne feste Jury den Laden.

Ohne Bohlen hat DSDS sein wahres Gesicht gezeigt: wie schön! Mit der neuen Jury Toby Gad, Ilse DeLange und Florian Silbereisen ist es eine Castingshow, die nach tollen Sängerinnen und Sängern sucht. Kaum Lästern über mittelmäßige Talente, keine albernen Montagen mit Furzgeräuschen und viele gute Teilnehmerinnen und Teilnehmer. In den Castings kamen einige junge Menschen vor die Jury mit mehr oder weniger dem gleichen Wortlaut: "Jetzt mit dem neuen DSDS, dachte ich, ich könnte es auch mal versuchen." Das kann natürlich genau so von RTL geschnitten worden sein, aber es wurden mehr gute Sängerinnen und Sänger gezeigt als schlechte – wer wirklich eine Castingshow sehen wollte, bekam genau das. Die Liveshows sind musikalisch richtige Erlebnisse, wie sie es seit den ersten Staffeln nicht mehr waren und die angehenden Superstars sind perfekt ausgewogen in ihrer sängerischen Diversität.

Die Jury war kein Fehler

Mea Culpa! Ich selbst habe einen Text geschrieben, der die neue Jury als Fehlentscheidung betitelte, ohne sie in Aktion gesehen zu haben. Ich hatte berechtigte Zweifel, ob Ilse DeLange und Toby Gad populär genug seien, um die Zuschauer mitzuziehen. Populär waren sie zwar nicht unbedingt, aber das neue Trio war so harmonisch und gut gelaunt, dass es mich richtig glücklich gemacht hat, DSDS zu schauen. Gads Erfolge, auch wenn es ruhig ein paar Storys weniger hätten sein können, sind spannend zu hören und DeLanges gute Laune war zwar manchmal übertrieben, aber passend. Silbereisens private Anekdoten waren zu Beginn witzig, in den Liveshows hätte man auch damit sparen könne, aber gut. Kompetent und telegen sind die drei jedenfalls. Dieter Bohlen fehlt 2022 bei DSDS nicht, weil jetzt lästern nicht mehr angesagt ist, sondern Musik – damit kennt er sich zwar auch aus, aber seine Kernkompetenz haben die Zuschauer nach all den Jahren sicher mehr in seinen Sprüchen gesehen.

Das Quotendesaster ist halb so wild

Es lässt sich nicht leugnen. Die Einschaltquoten lagen weit unter den vorherigen Jahren, aber RTL hat womöglich erkannt, dass das kein Problem ist. Der Sender ist gerade in einer großen Transformation hin zu mehr Familienfreundlichkeit und einer breiteren Zielgruppe inklusive großer News-Sendungen und Reportagen. Dass bei DSDS nicht mehr so viele Leute einschalten, ist Wachstumsschmerz. Der Neustart ist, in meinen Augen geglückt, weil die Show jetzt vielleicht eine kleinere Zielgruppe hat, die schaltet aber wegen des Kerns der Sendung ein und nicht für das, was es früher war – eine Veränderung, die mit Bohlen wohl nicht möglich gewesen wäre. Kann 2023 gerne so weitergehen!