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Das ZDF hat den Bestseller "Bella Germania" verfilmt

Christoph Letkowski, Silvia Busuioc, Bella Germania
Christoph Letkowski und Silvia Busuioc im TV-Familienmelodram, das von den 1950er-Jahren bis in die Gegenwart reicht. Sender

"Event"-Filme haben ein besonders hohes Budget, werden besonders beworben und stehen in besonderem Maß stellvertretend für den produzierenden Sender. Das ZDF hat sich "Bella Germania" verfilmt – Der Dreiteiler behauptet Relevanz und ist doch nur teurer Kitsch

Erzählt wird die Geschichte einer deutsch-italienischen Familie über drei Generationen. Es geht um italienische Gastarbeiter in Deutschland, außerdem um eine große Liebe. Vorgestellt wird das Werk bei einem Pressetag, Ale­xan­der Mazza ist als Moderator gebucht, es gibt viele Ansprachen. Die Stärke des Projekts sei die "klare Handschrift eines kraftvollen Erzählers", erklärt Fernsehspielchefin Heike Hempel. In ­Brexit-Zeiten sei der Film nichts weniger als ein "Plädoyer für ein starkes Europa". Das Motto sei "Zeitgeschichte zeitgemäß erzählt". Dann sagt noch der Produzent, dass der Film so gut geworden sei, dass man dafür eigentlich keine Werbung machen müsse.

Und dann sieht man "Bella Germania" und fragt sich, wovon die bloß die ganze Zeit geredet haben. Über diesen Film wohl kaum: Ein Deutscher und eine schöne Italienerin können nicht zueinanderkommen, eine Herzschmerzgeschichte, hinter die abwechselnd Dolce-Vita- und Nierentisch-Tapeten gezogen werden. Ein Postkartenmotiv jagt das nächste: Italienische Arbeiter und deutscher Ingenieur sitzen an einer langen Tafel draußen und essen Spa­ghetti. Die Schöne zeigt dem staunenden Deutschen, wie man die Nudel wickelt. Und man wartet die ganze Zeit darauf, dass irgendjemand endlich ein Glas Tomatensoße in die Kamera hält, um diesen Kitsch als Werbung zu entlarven. Passiert aber nicht.

Das Buch war ein Bestseller

Foto: Sender, Im Fim wird die Isetta nur mit deutscher Hilfe zum Erfolgsautomobil.
Der Roman zum Mehrteiler ist anders. Geschrieben hat ihn Daniel Speck, während er jahrelang auf ein Feedback zu seinem "Bella ­Germania"-Treatment wartete. Auch hier wird eine große Liebesgeschichte erzählt, allerdings versteht man, warum die Personen so handeln, wie sie handeln. Man versteht, wie ein Familientrauma über Generationen nachwirkt und welche Anziehungskraft das Wirt­schaftswunder-Deutschland besessen haben muss. All das macht "Bella Germania" zu einem ex­trem erfolgreichen Buch. Es stand 85 Wochen auf der "Spiegel"-Best­sellerliste und wurde seit seinem Erscheinen 2016 mehr als 350 000-­mal verkauft. Dieses Buch hat ­also bewiesen, dass es eine breite Masse von Menschen unterhalten kann. Fürs Fernsehen reicht das nicht.

Im Buch schleicht sich das unverheiratete Liebespaar in eine Pension, um endlich einmal intim sein zu können. Im Dreiteiler treibt es das Paar in einer öffentlichen Parkanlage. Weil das für das katholische Italien der 50er-Jahre authentischer ist? Oder weil Sex im Grünen besser aussieht?

"Das habe ich so nicht geschrieben, und das darf ich auch meinen italienischen Freunden nicht zeigen" (Daniel Speck)

Im Buch bemerkt der deutsche Ingenieur, dass ein Bauteil der Test-Isetta einen Defekt hat. Im Film stellt er fest, dass die Achse so schlecht konstruiert ist, dass das Auto in steilen Kurven umkippt. Innerhalb von drei Tagen baut er eine bessere Achse. Rein damit: Und jetzt funktioniert's! Ein schöner Tag! Kein Bier wird in die Kamera gehalten.

Das Drehbuch wurde anonym nachbearbeitet

Was soll das? "Die Isetta ist niemals in der Kurve umgefallen, die war super", stellt Speck klar. "Das war eine geniale Konstruktion von erfahrenen Ingenieuren. Es musste kein deutscher Jungspund kommen, um den Italienern zu zeigen, wie man das richtig macht. Das habe ich nicht so geschrieben, und das darf ich auch meinen italienischen Freunden nicht zeigen."

Specks Drehbuch wurde von zwei ihm unbekannten Autoren überarbeitet. Glücklich ist er damit nicht. "Bei diesem Stoff war mir historische Korrektheit wichtig. Die war auch unseren Partnern in Italien wichtig, die die Isettas zur Verfügung gestellt haben. Aber darauf hatte ich ab einem bestimmten Punkt keinen Einfluss mehr." Aber warum hat er das mitgemacht?

"Als Drehbuchautor ist man vertraglich in einer schwierigen Situation. Man bekommt circa zwei Drittel seiner Gage erst, wenn der Film tatsächlich gedreht wird. Man muss also oft jahrelang mit diesem einen Drittel zurecht kommen und das Buch schreiben. Es ist für den ­Autor von existenzieller Notwen­digkeit, dass der Film produziert wird. Und wenn es dann heißt, man muss bestimmte Dinge ändern, damit er produziert werden kann, muss man das manchmal auch gegen sein eigenes professionelles Empfinden zulassen."

Speck hat sich mittlerweile dem "Kontrakt 18" angeschlossen, einer stetig wachsenden Gruppe von Drehbuchautoren, die nur noch Verträge unterschreiben, die ihnen die Hoheit über ihre Stoffe garantieren und die sich verpflichten keine Umarbeitungsaufträge gegen den Willen des Autors anzunehmen. "Zeitgeschichte zeitgemäß erzählt" hat für dieses Event nur bedeutet, dass Emo über Inhalt, bunte Bilder über Plausibilität gesetzt wurden. Der Respekt für den Urheber der Geschichte blieb dabei auf der Strecke.