Der neue "Tatort" aus Kiel ist etwas Besonderes. 2012 trat bei "Borowski und der stille Gast" das erste Mal der Serienmörder Kai Korthals auf den Plan, gespielt von Lars Eidinger, bevor er zum absoluten Schauspiel-Superstar wurde, der er heute in Deutschland ist. 2015 folgte "Die Rückkehr des stillen Gastes" und seitdem war es ruhig. Jetzt macht der "Tatort" aus Kiel mit Axel Milberg und Almila Bagriacik die Trilogie voll und am 3. Oktober läuft "Borowski und der gute Mensch" im Ersten.

So spannend ist der neue "Tatort"

Zu Beginn des Films bricht Kai Korthals aus der psychiatrischen Einrichtung aus, in die er verlegt wurde, um anschließend zunächst ziellos durch Kiel zu streifen und eine Reihe von Toten zu hinterlassen. Nur seine blinde "Freundin" Teresa (Sabine Timoteo) verschont er. Kurz darauf nimmt er Kontakt mit Klaus Borowski auf und die Jagd beginnt.

Es ist schon Wahnsinn, wie sehr sich Eidingers Schauspieler in den vergangenen sechs Jahren entwickelt hat. Die Eröffnungsszene, in der die Patienten gemeinsam Schillers "Die Räuber" proben dürfen, ist so gespielt, dass sich Zuschauer direkt wie im Theater fühlen dürfen. Kai Korthals ist dabei so überpräsent, dass es einem den Atem raubt. Gleichermaßen angsteinflößend und mitreißend stachelt er seine "Schauspielkollegen" an das Credo des Theaterstücks, den Wunsch nach Freiheit, sehr ernst zu nehmen. Die Mischung aus kindlicher Sanftheit und brutalen Wutausbrüchen rundet die Peformance auf hohem Level ab.

Axel Milberg und Almila Bagriacik stehen dem aber in nichts nach. Milberg konzentriert sich auf seine Vergangenheit mit Korthals und wird ungewohnt emotional. Bagriacik zeigt eine Sahin, die das erste Mal an ihrer eigenen Professionalität scheitert und so lässt sich für "Borowski und der gute Mensch" nur eine Empfehlung aussprechen.

Mit TVSpielfilm.de hat Bagriacik über den neuen Film und den außergewöhnlichen Dreh mit Lars Eidinger gesprochen.

"Ich musste mich nach jeder Szene erstmal beruhigen."

"Der Stille Gast" hat eine relativ lange "Tatort"-Tradition. Wie war das für Sie jetzt ein Teil davon zu werden?
Ich muss dazu sagen, dass die beiden "Tatorte" mit Lars Eidinger als "Stiller Gast" damals schon meine Lieblingsfolgen waren und ich mir gesagt habe, wenn ich jemals beim "Tatort" sein sollte, dann bitte bei dem in Kiel. Der steht ganz in der Tradition des Nordic Noir-Films– auch dank Axel Milberg. Jetzt kam ich endlich in die Gelegenheit auch einen "Stillen Gast" zu drehen. Es ist wirklich mein Lieblingstatort bisher.

Sahin schwebt in diesem Film in Lebensgefahr. Wie war das mit Lars Eidinger als Gegenspieler zu drehen?
Schon bei Axel und mir ist das Drehbuch eher ein Rahmen, in dem wir uns locker bewegen aber mit Lars war es nochmal was ganz anderes. Keine Aufnahme glich da der nächsten! Die Szene im Auto war für mich total besonders. Du weißt zwar, dass du nicht in Gefahr bist, aber dein Körper reagiert trotzdem. Ich musste mich nach jeder Szene erstmal beruhigen.

Sahin kommt in die lange Geschichte von Kai Korthals und Borowski dazu. Wie wirkt sich das aus?
Borowski warnt sie, dass sie vorsichtiger sein soll, gleichzeitig steht sie aber sehr unter Druck. Borowskis Warnungen führen aber dazu, dass sie sich alleingelassen fühlt. Sie splitten sich in ihrer Arbeitsweise, wie es zuvor noch nicht passiert ist.

Für Borowski ist es etwas Persönliches und für Sahin ist es professioneller Natur
Sahin fühlt sich auch hintergangen von den Briefen, die Borowski von ihm bekommen hat und auch das Videomaterial belastet ihre Beziehung. Ihr Verhalten lässt sie schließlich von der Jägerin zur Gejagten werden. Ihre Professionalität führt zu einer Überschätzung und das ist in diesem Fall ihre Schwäche.

"Kein Mensch kommt als Mörder auf die Welt"

Wenn der Vater der ermordeten Emily Schumann auf die Wache kommt, wirkt sie schroff und überfordert. Ist das schon ein Teil der Schwäche?
Ja das stimmt. Sie ist sehr impulsiv und fragt sich, warum ein Zivilist in dieser Konferenz plötzlich rumsteht. Zuerst will Sahin ihm signalisieren, dass er hier nichts verloren hat und es ist dann unangenehm, als sie versteht, dass es der Vater ist.

Kai Korthals wirkt wie eine Mischung aus Kind und Psychopath. Finden Sie er ist schuldfähig? Und was denkt Sahin?
Die Frage wird mehrfach im Film gestellt, aber für die professionelle, analytische Sahin ist das fast schon irrelevant. Es sollen einfach keine Menschen mehr sterben. Ich sehe das anders, weil ich viel mit Empathie arbeite. Wir müssen als Schauspieler die Psyche verstehen und kein Mensch kommt als Mörder auf die Welt.

Das Ende des "Guten Menschen" ist eindeutig. Wie geht es mit dem "Tatort" aus Kiel weiter?
Wir haben noch ein paar Filme abgedreht. Da kommen also noch einige "Tatorte", Sendetermine stehen aber noch nicht fest.