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Ohne sie geht's nicht

Interview: Jule Ronstedt in "Genug ist nicht genug"

13 ARD Themenwoche Ehrensa
DLRG ARD/BR/Gerry Schläger
Foto: BR/Christiane Pausch, Genug ist nicht genug - ARD, Mi., 13.5.2009, 20.15 Uhr: Julia Holmer (Jule Ronstedt) und Frau Clemens (Erni Mangold).
Sie spielt die Hauptrolle in seinem Programm: Schauspielerin Jule Ronstedt und Programmdirektor Volker Herres über die ARD-Themenwoche.

Er ist seit genau 171 Tagen im Amt, aber heute steigt er seinem Arbeitgeber zum ersten Mal aufs Dach. Auf einer kiesbedeckten Freifläche im 17. Stock des tristen Zweckgebäudes an der Münchner Arnulfstraße soll ARD-Programmdirektor Volker Herres der Schauspielerin Jule Ronstedt fürs Foto schwungvoll eine Weltkugel zuwerfen. Anlass des luftigen Gipfeltreffens: die vierte ARD-Themenwoche, in deren Mittelpunkt in diesem Jahr die rund 23 Millionen ehrenamtlichen Helfer in Deutschland stehen.

Fiktionaler Höhepunkt der Woche ist das TV-Drama "Genug ist nicht genug", in dem die ehrenamtlichen Helfer eines bayerischen Landkreises in einen Generalstreik treten und damit auch bundesweit für viel Wirbel sorgen.

Lesetipp

Jule Ronstedt ("Franzi") spielt die weibliche Hauptrolle.

Frau Ronstedt, Drehbeginn dieses Films war der 12. Februar, gesendet wird er nur knapp drei Monate später. Das muss ein Parforceritt gewesen sein.

Jule Ronstedt: (lacht) Das Angebot kam zwei Wochen vor Drehbeginn. Meine erste Frage war: Ist euch jemand ausgefallen? Aber so war es gar nicht. Ich habe selten so kurzfristig eine so große Rolle zugesagt und gespielt. Dass alles geklappt hat, war schon ein kleines Wunder.

Im Film spielen Sie eine Ehrenamtliche. Engagieren Sie sich auch privat für einen guten Zweck?

Jule Ronstedt: Ehrenamt ist ein großer Begriff. Ich bin seit Jahren bei Greenpeace Fördermitglied und versuche da jetzt auch ein bisschen aktiver zu werden. Und wir waren Teil einer Elterninitiative im Kindergarten meiner Tochter. Da machst du alles, vom Kochen über Putzen und Regalereparieren bis zum Spielzimmerstreichen. Und ich engagiere mich ein bisschen bei Plan International.

Können Sie mithalten oder das gar toppen, Herr Herres?

Volker Herres: Das kann ich nicht toppen, schon aus Zeitgründen nicht. Aber ich habe als früherer Zivildienstleistender und Rettungssanitäter durchaus Zugang zu diesem Metier. Ist natürlich ein paar Jahre her. Heute gibt es eine ganze Reihe von Projekten, für die ich spende, und natürlich habe ich mich immer an den Schulen meiner Kinder engagiert. Nicht zuletzt bin ich bei der ARD, das ist doch auch so etwas wie ein Ehrenamt. (lacht)

Warum Zivildienst?

Volker Herres: Das entsprach meiner Überzeugung, Gewalt als Mittel der Politik abzulehnen. Ich habe aus einem sehr jugendlichen Idealismus heraus gehandelt, aber ich fand es sehr viel sinnvoller für die Gesellschaft etwas im zivilen Bereich zu tun. Ich habe das gerne getan und möchte die Zeit nicht missen, weil man noch mal ganz anders mit der Wirklichkeit in Berührung kommt, als das in einer akademischen Laufbahn möglich wäre.

Gab es Situationen, mit denen Sie nicht fertig geworden sind?

Volker Herres: Sicher erlebt man Dinge, die man schwer verarbeitet. In der akuten Situation habe ich sie immer ausgehalten, aber hinterher hat mich manches sehr lange beschäftigt. Es gab schon, ich war ja noch recht jung, schlaflose Nächte oder Bilder, die mich nicht losgelassen haben.

Wüssten Sie heute noch, was Sie tun müssten, wenn im Flugzeug jemand zusammensackt?

Volker Herres: Das ist so lange her, dass ich heute erst mal fragen würde, ob nicht ein Arzt an Bord ist.

Sie programmieren die Auftaktshow der Themenwoche am 9. Mai gegen das DSDS-Finale, wessen Idee war das denn?

Volker Herres: Wir haben den Zeitraum der Themenwoche sehr viel früher geplant - wenn DSDS das Finale verlegt, hätte ich nichts dagegen.

Frau Ronstedt, wenn Sie das Thema der nächsten ARD-Themenwoche bestimmen könnten, welches sollte das sein?

Jule Ronstedt: Armut in Deutschland ist sicher ein wichtiges Thema. Dazu muss man gar nicht in die unterste Schublade greifen. Man muss sich nur die Mittelschicht anschauen, um festzustellen, dass viele Menschen sich schlicht immer weniger leisten können. Das führt zum Beispiel in Schulen zu einer echten Zweiklassengesellschaft.

Angekommen?

Volker Herres: Das ist mit Sicherheit ein spannendes Thema. Die Kunst ist ja, das Thema dann aufzugreifen, wenn es im Bewusstsein der Menschen als aktuell und dringend erkannt wird. Und das ein Jahr im Voraus. Ist zwar immer blöd, wenn man sich selber lobt, aber ich glaube, das ist uns mit den bisherigen Themen (Krebs, Kinder sind Zukunft und demografischer Wandel) ganz gut gelungen.

Wie stelle ich mir den Auftaktabend bei Ihnen zu Hause vor? Sitzt die Familie vor dem Fernseher oder schauen Ihre Kinder auf dem Zweitgerät vielleicht doch DSDS?

Volker Herres: Meine Frau und ich werden mit Sicherheit gucken, ich vermute mal, auch mein zwölfjähriger Sohn wird dabei sein, aber auf eine zwanzigjährige Tochter haben Sie keinen Einfluss mehr. (lacht)

Wie ist es bei Ihnen?

Jule Ronstedt: Ich weiß, das ist schlimm, aber ich sehe kaum fern. Ich habe irgendwie keine Zeit dazu.

Ist es nicht seltsam, davon zu leben, dass andere einen angucken, sich dem Medium selbst aber zu verweigern?

Jule Ronstedt: Ich verweigere mich ja nicht total. Ich muss schon wissen, was Kollegen machen oder Regisseure, mit denen ich drehen werde. Das gucke ich mir brav an, aber das betrachte ich eher als Arbeit.

Die vier Fernseher, die Herr Herres hier im Büro stehen hat und die alle gleichzeitig laufen, wären also ein Horror für Sie?

Jule Ronstedt: Drum habe ich mich mit dem Rücken zu den Bildschirmen gesetzt. Müsste ich auf Ihrem Platz sitzen, ginge das gar nicht. Fernsehen überfordert mich irgendwie. (lacht)

Das Erste versucht, jüngere Zuschauer zu binden. Sie haben auf Oliver Pocher gesetzt, aber er hat sich für Sat.1 entschieden, und Sie haben ihm nachgerufen: Ohne Pocher geht es auch. Schmerzt die Absage so sehr?

Volker Herres: Ich hätte mich gefreut, wenn er bei uns geblieben wäre. Das Hinterherrufen war vielleicht zu sophisticated, weil man dazu ein Gedächtnis braucht. Die Formulierung hat nämlich eine ausschlaggebende Rolle gespielt bei einem, den ich wirklich gerne im System hätte, bei Günther Jauch. Mit dem Spruch "Ohne Jauch geht es auch" haben wir ihn damals selbst vertrieben. So gesehen war "Ohne Pocher geht es auch" eher selbstironisch gemeint.

Ist die Tür zu Jauch eigentlich zu?

Volker Herres: Sagen wir's mal so: Vielleicht sollte ich mir einfach öffentliches Werben um Protagonisten abgewöhnen.

Susanne Sturm