Das Genre True Crime bietet zuweilen Geschichten, die so gruselig und unglaublich sind, dass man sich kaum vorstellen kann, dass sie aus dem wirklichen Leben stammen. Die Netflix-Doku "Jimmy Savile: A British Horror Story" war jüngst so ein Beispiel, jetzt schickt sich "Wer ist Ghislaine Maxwell?" an, für ähnlich große Augen und dicke Backen zu sorgen.
Wir erinnern uns: Der Fall des US-Multimillonärs Jeffrey Epstein hatte vor einigen Jahren für Aufsehen gesorgt. Als Investmentbanker zu großem Reichtum gekommen, hatte Epstein ein Netzwerk aus Filmstars und Finanzmogulen, Produzenten und Royals aufgebaut. Unter der weltläufigen Glamour-Fassade verbarg sich jedoch ein Sexualverbrecher der besonders durchtriebenen Art, nicht nur er selbst missbrauchte Minderjährige in Reihe, er vermittelte sie auch an seine Kumpels zur freien Verfügung, unter anderem, das ist bis heute nicht widerlegt, wohl auch an Prinz Andrew. Der Fall kam durch einen Bericht des Miami Herald ans Licht und wurde weltweit bekannt durch die Netflix-Dokuserie "Jeffrey Epstein: Stinkreich."
Zwischen Business und Bällen
Jeffrey Epstein wurde während der laufenden Ermittlungen am 10. August 2019 in seiner Gefängniszelle in New York tot aufgefunden, der vermutete Suizid keine vollends überzeugende Theorie. Seine Handlangerin, sein Mädchen für buchstäblich alles, war die mindestens ebenso durchtriebene Ghislaine Maxwell. Sie wurde ebenfalls ins Gefängnis gebracht, im letzten Jahr in einem spektakulären Prozess schuldig gesprochen, ihr Strafmaß: 20 Jahre Haft wegen Beihilfe zum sexuellen Missbrauch minderjähriger Mädchen.
Die mehrteilige Doku-Serie "Wer ist Ghislaine Maxwell?", die Das Erste jetzt zeigt, von Roast Beef Productions in Zusammenarbeit mit Channel 4 und SWR entstanden, erzählt nun die unglaubliche Geschichte der in Maisons-Laffite geborenen Geschäftsfrau. Als Lieblingstochter des Verlegermoguls Robert Maxwell führte sie ein höchst privilegiertes Leben zwischen Business und Bällen. Nach dem mysteriösen Tod ihres Vaters zog es sie Anfang der 90er in die USA, wo sie schließlich Jeffrey Epstein kennenlernte, mit dem sie erst eine Beziehung einging, später zur perfiden Networkerin für Epsteins Vorlieben wurde.
Die Fülle des Filmmaterials
Die Serie ist spannend wie ein Krimi, fantastisch wie ein Horror-Märchen, detailliert wie eine wissenschaftliche Untersuchung. Ein großer Vorteil ist die Fülle des Filmmaterials. Der besessen agierende Robert Maxwell hatte fast jeden seiner Schritte filmen lassen, nicht nur in der Öffentlichkeit und im Geschäftlichen, sondern auch privat, wie seine Familie schließlich auf schockierende Weise feststellen musste.
So lässt sich der Weg der Ghislaine Maxwell eindrucksvoll nachverfolgen, ihre Motivation und der Einfallsreichtum des Terror-Duos machen durchweg sprachlos und erinneren an den angejahrten Spruch vom Gaffer beim Verkehrsunfall: Es ist grausam, aber man kann einfach nicht weggucken. In diesem Sinne seien Zuschauer und Zuschauerinnen gewarnt – "Wer ist Ghislaine Maxwell?" ist ein True-Crime-Vergnügen der ebenso unwiderstehlichen wie fassungslos machenden Art.
Die Doku ist ab dem 25. Juli ab 18 Uhr hier in der ARD-Mediathek verfügbar.