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"Star Wars" so düster wie nie: "Andor" ist neues Highlight bei Disney+

Meinung | Nach "The Book of Boba Fett" und "Obi-Wan Kenobi" darf man neuen "Star Wars"-Serien mehr als kritisch gegenüberstehen. Doch "Andor" hat unseren Autoren Michael Hille vollkommen überrascht. Er war selten von etwas aus dem Sternenkrieg so begeistert.

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Fünf "Star Wars"-Filme in fünf Jahren hat der Disney-Konzern von 2015 bis 2019 produziert, doch den ganz großen Hype löste letztlich eine Serie aus: "The Mandalorian". Bei Disney+ gestartet wurden die Abenteuer von Din Djarin und Grogu (auch bekannt als Baby Yoda) zu dem Flaggschiff des Streamingdienstes. Kein Wunder also, dass statt mehr Kinoausflügen nun verstärkt die Mattscheibe bedient wird. Doch "Das Buch von Boba Fett" und "Obi-Wan Kenobi", beide im Abstand von nicht mal einem halben Jahr gestartet, erwiesen sich als Nieten, hinterließen bescheidene Kritiken und enttäuschte Fans.

Und schon ist die nächste Serie gestartet: Seit dem 21. September läuft nun immer mittwochs "Andor". Man durfte durchaus Befürchtungen äußern, zumal dieses Mal kein Fanliebling wie Boba Fett oder Jedi-Meister Kenobi im Mittelpunkt steht, sondern mit Cassian Andor eine eher unscheinbare Figur, die zuvor einzig und allein im Kinofilm "Rogue One: A Star Wars Story" eine tragende Rolle spielte. Doch die ersten drei Folgen, die bereits jetzt auf einen Schlag erschienen sind, sind nicht weniger als eine Sensation: So düster, so erwachsen und so spannend war der Sternenkrieg noch nie!

Der Beginn der Rebellion: "Star Wars" wird erwachsen

Foto: Disney Deutschland / Lucasfilm, Mit Stellan Skarsgård und Diego Luna ist "Andor" herausragend besetzt – hier dominieren Charakterköpfe.

Viel zur Geschichte von "Andor" muss man nicht wissen. Sie beginnt fünf Jahre vor den Ereignissen aus "Rogue One" und dem originalen "Krieg der Sterne"-Film. Das Galaktische Imperium kontrolliert Millionen von Systemen. Der Dieb Cassian Andor (Diego Luna) musste als Kind seine Heimat wegen des Imperiums verlassen. Auf seinen Irrwegen durchs All begegnet er eigensinnigen Charakteren wie der selbstbewussten Bix Caleen (Adria Arjona) oder dem mysteriösen, aber kampferprobten Luthen Rael (Stellan Skarsgård). Dabei erwacht etwas in ihm – der Funken der Rebellion. Und dieser führt ihn mit dem extremistischen Krieger Saw Gerrera (Oscarpreisträger Forest Whitaker) und der ehemaligen Senatorin Mon Mothma (Genevieve O'Reilly) zusammen. Letztere wird einst jene Rebellenallianz gründen, der sich später ein gewisser Luke Skywalker anschließt …

Obwohl die Serie also "Andor" heißt, steht eine ganze Reihe von Charakteren im Vordergrund. Es geht um die Anfänge der Rebellion, um politische Intrigen, um Spionagearbeit und den organisierten Kampf gegen faschistische Herrscher. Und dabei wird "Andor" schon in den ersten drei Folgen wirklich ernst, düster und auch humorlos. Klassisches Abenteuerkino wie von "Star Wars" gewohnt gibt es hier nicht zu sehen, stattdessen sind sämtliche Figuren gebrochene, vom System verstörte Individuen, die sich für einen Kampf aufopfern, den sie eigentlich nicht gewinnen können.

Die drei Tage des Andor: Ein Politthriller im "Star Wars"-Kosmos

Foto: Lucasfilm, Das offizielle Plakat zu "Andor".

Vermutlich hat Disney+ deshalb beschlossen, zu Beginn drei Folgen auf einmal zu veröffentlichen. Die ersten zwei Episoden "Andor" kommen gänzlich ohne Action aus, sind langsam erzählt. Es gibt viele Dialoge und Schlagabtausche, in denen die Verzweiflung der Charaktere und ihre Beziehungen zueinander deutlich werden. Stimmungstechnisch ist "Andor" hier weniger Sci-Fi-Action und mehr ein Politthriller aus dem Paranoia-Kino der 70er. "Der Schakal" oder der absolute Über-Klassiker "Die drei Tage des Condor" stehen überdeutlich Pate. Schon in der Hauptfigur selbst zeigt sich die neue Spielart, denn Andor tötet gleich in Folge 1 einen Unbewaffneten, indem er ihm frontal ins Gesicht schießt. Das ist zwar – der Altersfreigabe geschuldet – nicht graphisch brutal, lässt "Andor" aber sofort ganz anders wirken.

Fans könnten in den ersten Folgen das klassische "Star Wars"-Feeling vermissen, doch genau diese Serie hat der Krieg der Sterne dringend gebraucht. Eine Frischzellenkur, in der keine Lichtschwerter, kein Niedlichkeitsfaktor und keine coolen Stichwortgeber das Bild dominieren, sondern echte Konflikte, komplexe Figuren und kluge Dialoge sowie ein phänomenal treibender Soundtrack von Nicholas Britell. Selbst als es in Folge 3 dann zu einem Feuergefecht kommt, ist dieser keine Effektshow, sondern eine minutiös getaktete Sequenz. Es tut gut, – nach den vielen misslungenen "Star Wars"-Projekten der letzten Jahre – "Andor" zu sehen und erstmals das Gefühl zu haben, dass "Star Wars" mehr sein kann als eine Wiederholung der immer gleichen Elemente und eine Ausschlachtung plumper Nostalgie.

Hinter "Andor" steht der großartige Tony Gilroy, der als Drehbuchautor bereits die "Jason Bourne"-Filme zu Welthits machte und an "Rogue One" beteiligt war. Er weiß, was er mit dieser Serie schaffen will: Man soll den Krieg, der bei "Star Wars" immerhin im Titel steht, endlich ernstnehmen können. Und Disney gibt ihm den Raum dafür: Zwölf Folgen hat die erste Staffel "Andor", eine zweite Staffel ist schon in Arbeit und wird mit weiteren zwölf Folgen die Serie beenden. Nach den ersten drei Folgen ist jedenfalls das wichtigste Wunder schon geglückt: Man kann endlich wieder Vorfreude im Zusammenhang mit "Star Wars" empfinden.