Filme und Serien über das Finden der eigenen Identität oder die erste große Liebe gibt es viele. "Coming of Age" heißt das Genre international, das im Deutschen wohl am besten mit Entwicklungs-, Pubertäts-, Adoleszenz- oder Heranwachsendenserie umschrieben würde. Die Netflix-Serie "Heartstopper" (acht halbstündige Folgen), in deren Mittelpunkt wie schon bei der schwedischen Serie "Young Royals" zwei verliebte Jungs stehen, spielt das mit hervorragenden Darstellern rührend durch.

"Heartstopper" heißt die neue Coming-of-Age-Serie bei Netflix und stellt laut den Bewertungen von IMDb selbst "Sex Education" in den Schatten mit neun von zehn Punkten.

Für den schlaksigen Teenager Charlie Spring (Joe Locke) braucht es nur ein Wort, um sich in seiner Jungenschule zu verlieben: "Hi". Das - und ein Lächeln von Nick Nelson - und es ist um den zuletzt gemobbten Schüler geschehen. Auch Nick (Kit Connor), der als Mädchenschwarm und cooler Rugby-Spieler geschätzt wird, scheint den geouteten Charlie zu mögen. Allerdings wohl nicht auf die romantische Art. Oder?

Netflix: Bewährtes Konzept neu gedacht

Die Story scheint schon oft durchexerziert worden zu sein: Angeblich unscheinbare Person trifft beliebte Person und verliebt sich. Beliebte Person hat mit sozialem Druck und inneren Konflikten zu tun. Beide werden verletzt, beide überwinden die Hürden. Happy End.

Doch "Heartstopper" ist anders als vieles, auch wenn die Handlung nicht besonders innovativ gestrickt ist und alle Spannungsbögen rasch gelöst werden. Es ist eine queer und divers erzählte Schulserie mit rührend romantischer Liebesgeschichte, die stellenweise mit kleinen Animationen wie Herzchen und Schmetterlingen angereichert ist.

Und das Beste: Es wirkt angenehm unverkrampft, wenn Schwule, Lesben, Trans-Personen, Schwarze, Weiße hier ganz selbstverständlich in Rollen auftauchen - so wie es britische Macher schon bei Serien wie "Sex Education" oder aber "Queer as Folk" oder in den 90ern beim Coming-out-Film "Beautiful Thing" geschafft haben.

 

Netflix:Comic dient als Vorlage

"Heartstopper" basiert auf den gleichnamigen Comic-Romanen (Graphic Novels) von Alice Oseman. Die 27-Jährige schrieb auch das Drehbuch mit. Auch der Soundtrack ist liebevoll durchdacht.

Nicks Mutter wird einfühlsam in wenigen Szenen von Olivia Colman ("The Father", "The Crown") gespielt. Die Oscar-Preisträgerin ("The Favourite – Intrigen und Irrsinn") arbeitete schon bei der Krimiserie "Broadchurch" mit dem Regisseur der Serie, Euros Lyn, zusammen.

Angesichts dieser Serie und anderer Streamingproduktionen mit diversen Figuren wirkt ein kürzlicher Ausfall von Elon Musk unpassend. Netflix habe das Woke-Virus, schrieb der Tesla-Chef, nachdem der Streaming-Primus im letzten Quartalsbericht angab, erstmals nach zehn Jahren Nutzerschwund erlebt zu haben.

Wokeness sei ein "Gedankenvirus", eine Bedrohung für die Zivilisation, behauptete der 50-Jährige. Wachsamkeit (Wokeness) sei "im Herzen spaltend, ausschließend und hasserfüllt", meinte der Tech-Milliardär. Der Mann, der sich Twitter einverleibt, klagt also darüber, dass die Unterhaltungsbranche bisherige Benachteiligungen und Klischees in ihren Produktionen selbst reflektiert.

Widerspruch kommt da natürlich von der Queer Media Society, einem Zusammenschluss queerer Medienschaffender in Deutschland: Musks "Herleitung zum Zuschauer*innenschwund bei Netflix" sei reaktionär und rückwärtsgewandt, pauschal und populistisch, sagt ein Sprecher.

Musk und andere, die ihm zustimmten, implizierten, dass die Mehrheitsgesellschaft wegen divers aufgestellter Figuren und Themen abschalte. "Seine Aussagen sind nicht nur empirisch unhaltbar, sondern auch grenzwertige Agitation." Inhalte und Humor auf Augenhöhe zu erzeugen, Stereotype nicht weiter zu reproduzieren und altbekannte Klischees intelligent zu brechen, sei ein Fortschritt.

In der Tat: Das warmherzige "Heartstopper" ist der beste Beweis.