Eigentlich hat sich die letzten Jahre Netflix im Bereich Teenie-Komödie groß hervorgetan, man denke nur an "Heartstopper", "Noch nie in meinem Leben" oder natürlich den Überhit "Sex Education". Doch 2022 greift Amazon Prime Video auf der Front an: Schon "Der Sommer, als ich schön wurde" wurde dort ein Sommererfolg, jetzt hat sich Prime eine HBO-Serie aus den USA eingekauft, deren Titel erstmal nach überdrehten Albernheiten klingt: "The Sex Lives of College Girls".

Doch dahinter versteckt sich eine echte Perle, die viel zu erzählen hat: Über Zusammenhalt unter jungen Frauen, die durch gesellschaftlichen Stand, Hautfarben und anderen Hürden die unterschiedlichsten Erfahrungen haben, aber sich gegenseitig Kraft spenden. Und ja, es geht auch um Sex, klar.

"Sex and the City" am College: Comedy-Highlight bei Prime

Vier frisch volljährige Studentinnen finden sich in einer Zweck-WG am Essex College wieder: Kimberly (Pauline Chalamet) kommt aus einer sehr weißen Kleinstadt und ist begeistert, endlich die große Welt kennenzulernen. Leighton (Renée Rapp) kommt aus New York und ist insgeheim lesbisch, wartet aber noch mit ihrem Coming-out. Whitney (Alyah Chanelle Scott) ist aus Seattle, erfolgreiche Fußballspielerin, Tochter einer Senatorin und hat ein perfektes Leben – wäre da nicht ihre heimliche Affäre mit einem ihrer Fußballtrainer.

Und die Vierte im Bunde ist Bela (Amrit Kaur), eine indisch-amerikanische Studentin aus New Jersey, die als Stand-Up-Komikerin durchstarten will. Sie sieht sich als "sex-positiv", was bedeutet: Sie lebt ihre Neigungen gerne aus und hat kein Problem mit regelmäßig wechselnden Partnern. Im Leben aller ist Stress programmiert – gut, dass die jungen Frauen sich aber im Notfall immer aufeinander verlassen können.

"The Sex Lives of College Girls" ist frech, witzig, weiblich

Es erinnert von der Konstellation an "Sex and the City", der Ton klingt nach einem Mix aus "Gossip Girl" und "Crazy Ex-Girlfriend": Mit "The Sex Lives of College Girls" ist den Comedy-erfahrenen Autoren Mindy Kaling ("The Mindy Project") und Justin Noble ("Brooklyn-Nine-Nine") ein neuer Hit gelungen. Wie hier über Selbstfindung, Identitätenbildung, Geschlechterunterschiede und natürlich über Liebschaften geredet, gewitzelt und gelacht wird, ist erfrischend. Unverschämt weiblich, aber nie vulgär. Ein früher Höhepunkt: Auf einer Nacktparty wird den Frauen erklärt, dass zwar alle nackig rumlaufen, aber niemand hingucken soll. Bela kommentiert das mit: "Was ist das dann, eine Nacktparty unter Taliban-Herrschaft?"

Es wird hier deutlich, wie wichtig die Jahre am College für junge Erwachsene in den USA sind: Hier nabelt man sich vom Elternhaus ab, hier definiert man für sich, welche Art Mensch man sein will. Und doch fährt man immer noch den Mittelweg, irgendwo zwischen Reife und Kindheit, zwischen Selbstbewusstsein und Hilfsbedürftigkeit. Gerade die vielen Schwächen, die die Hauptfiguren in dieser Serie haben, und ihr unkaputtbarer Zusammenhalt, machen sie so sympathisch und zu Vorbildcharakteren. Schöner kann man sich der aktuellen Uni-Generation nicht nähern. Und immer dran denken: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Alle zehn Folgen sind seit dem 30. September bei Amazon Prime Video verfügbar. Netflix dürfte schäumen – die beste Young-Adult-Komödie hat dieses Jahr jedenfalls jetzt die Konkurrenz zu bieten.