Steht Streaming kurz vor dem Aus? Anzeichen dafür gibt es zumindest genug. Ein Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler legt Hollywood und damit alle Film- und Serienproduktionen von dort seit Wochen lahm. Netflix, Amazon Prime Video, Disney+ und Co. haben mit sinkenden Abozahlen zu kämpfen. Und Sky streicht mal eben alle fiktionalen Serien. War es das also mit dem Streamingboom?
Wenn es nach Autorin Annette Hess ("Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", "Ku''damm 56") geht, dann droht bald ein Kollaps des Streaming-Systems, wie sie in einem neuen Interview mit derstandard.at meint. "Wir steuern auf ein schmaleres, überschaubareres Angebot zu. [...] Das Ganze ist in Wahrheit ein Schneeballsystem gewesen, wir haben uns alle dem Rausch der Goldgräberstimmung hingegeben", so die Schriftstellerin, deren Buch "Deutsches Haus" noch Ende 2023 eine Serienadaption bei Disney+ bekommt.
Doch bei all den Hiobsbotschaften, über die Annette Hess in dem Interview spricht, gibt es einen fast schon kurios anmutenden Tipp von ihr. Der dreht sich nämlich um Serien, Dailys oder Weeklys à la "In aller Freundschaft".
Annette Hess empfiehlt Serien wie "In aller Freundschaft"
So antwortet Hess auf die Frage, was sie ihren Drehbuchautoren-Kollegen für die Zeit des anstehenden Streaming-Kollapses empfiehlt: "Ich kann ihnen nur raten, auf lang laufende Formate, etwa solche der Öffentlich-Rechtlichen, zu gehen, um die Existenz zu sichern. Also Serien, Dailys oder Weeklys wie 'In aller Freundschaft' zu schreiben – wo ich übrigens angefangen habe. Früher wollten alle fürs Kino schreiben, heute wollen alle ihre eigene Serie kreieren und sind sich zu schade für Unterhaltung. Das rächt sich jetzt. Jetzt kehren die verlorenen Söhne und Töchter zurück zu diesen Mainstream-Formaten."
Sind öffentlich-rechtliche TV-Sender wie ARD und ZDF, die von Gebühren finanziert werden, also die Hoffnungsträger für Serien und Filme? Auch dazu hat Annette Hess eine klare Meinung: "Grundsätzlich ja, aber auch ARD und ZDF fahren massiv runter. Deren Sparpläne sind beängstigend – als erstes geht es auch hier der Fiction an den Kragen. Da werden Neunzigminüter eingestrichen, 'Sokos' werden jetzt ausgesiebt," so Hess. Allerdings sagt die Schriftstellerin auch: "Bei den Öffentlich-Rechtlichen gibt es immerhin noch gewisse Faktoren der Verlässlichkeit. Serien und Reihen, die zuverlässig gedreht werden, und so ein Honorar kann die Miete sichern. Bei den Streamern gibt es dagegen wenig Verlässlichkeit. Ich als Ernährerin einer Familie könnte da niemals alleine drauf setzen."
Klingt alles sehr düster. Doch Annette Hess gibt auch Entwarnung: "Wir steuern auf ein schmaleres, überschaubareres Angebot zu – was auch gesund sein kann. Wenn Sie in einen Supermarkt gehen und 16 Regalmeter für Haarpflegeprodukte sehen, sind Sie ebenso überfordert wie mit dem Serienangebot der vergangenen Jahre. Wir sind übersättigt. Und ich hoffe, wir finden durch Reduktion zu neuer Qualität," so die "Deutsches Haus"-Autorin. Weiter sagt sie: "Es wird natürlich auch viele günstige Web-Serien geben, die nicht viel kosten, aber auch weiterhin die großen, fetten Leuchtturmproduktionen mit über 20 Millionen Euro Budget. Davon aber statt 30 nur noch fünf im Jahr. Daran beteiligt zu sein ist dann ein seltener Glücksfall."