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Tatortreiniger Staffel 6

Das Erfolgsrezept hinter "Der Tatortreiniger"

Im deutschen Fernsehen unerreicht: "Der Tatortreiniger" mit Bjarne Mädel. Fünf Gründe für eine beispiellose Erfolgsgeschichte.

Schotty schrubbt wieder den letzten Dreck von den Tatorten der Republik. Heute, am Mittwoch den 14. Dezember, läuft die neue Episode "Sind sie sicher?" im NDR und bildet den Auftakt zur sechsten Staffel der ausgefallenen Erfolgsserie.

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Nur wenige deutsche Formate erreichen Kultstatus in Rekordzeit und das ganz ohne anglo-amerikanisches Vorbild. Die erste von mittlerweile 27 Folgen lief am 23. Dezember 2011 um 3.20 Uhr im Dritten. Heute hat Bjarne Mädel als Scheuermann Schotty seinen festen Platz um 22 Uhr im NDR. Ein Segen für das deutsche TV-Programm und ein Glück, dass Regisseur Arne Feldhusen (u.a. "Stromberg") damals den Gebäudereiniger-Ansatz zur Tatortreiniger-Idee modifiziert hat.
Die Kunst der Begegnung
Doch die skurille Comedy ist viel mehr als ein Glücksfall. Die Drehbücher der einzelnen Episoden haben eine klare Idee und strotzen nur so vor schrägem Humor, Mut und Einfallsreichtum. Autorin Mizzi Meyer ("Er ist wieder da") sahnte 2012 und 2013 den Grimmepreis dafür ab, dass sie (in allen 27 Folgen!) die unterhaltsamsten Begegnungen der deutschen Serienlandschaft entwirft. Dabei hat das Zusammentreffen von unbekannten Figuren im Film so viel Tradition, wie die unbeantwortete Liebe in der Popmusik. Doch nie hat der Versuchsaufbau im "Tatortreiniger" etwas Abgedroschenes. Im Gegenteil: Die Kunst der Begegnung ist jedes Mal anders ausstaffiert, aber immer wieder fantasie- und gehaltvoll. Ob das Wiedersehen mit der großen Jugendliebe, die Grenzerfahrung mit einem Schamanen-Scharlatan oder der Marihuana-Törn mit einer veganen Rollstullfahrerin: Bjarne Mädel legt im Zusammenspiel mit den sonderbaren Figuren am Tatort Finger in kleine Wunden gesellschaftlicher Entwicklungen oder wirft große philosphische Fragen menschlichen Miteinanders auf.
Die Originalität der Dialoge
Damit dieses theoretische Muster in der Praxis nicht langweilt, pfeffert Mizzi Meyer (eigentlich: Ingrid Lausund) ihre Bücher mit spritzigen Dialogen. So geraten die Ausschweifungen von Alltagsphilosph Schotty nie zu monoton und ergänzen sich in der Regel perfekt mit den individuellen Ansichten der unbekannten Figuren. Oft entsteht daraus ein berauschendes Hin und Her, indem sich knallwitzige Momente mit intelligent anregenden Augenblicken abwechseln.
Die skurillen Momente
Diese rhetorischen Feuerwechsel werden thematisch immer neu verpflanzt. Mal auf dem Land, mal in der Stadt, mal mit hitzigen Gemütern im Widerstreit, mal mit Bedächtigen im Einklang, mal Frau, mal Mann: Es sind immer andere, die auf unterschiedliche Weise versuchen, Schotty aus der Ruhe zu bringen. Skurille Momente bleiben da nicht aus. Vor allem weil es Arne Feldhusen in jeder Episode schafft, eine wunderbar stilgerechte Bildsprache zu finden. Wie er unscheinbare Details in den Räumlichkeiten einfängt und ihnen mit kurzen Kameraschwenks Bedeutung beimisst, ist große Filmkunst. Und wenn Schottys Ex-Freundin bei einer Raucherpause im Garten den Aschenbecher aus einem gut gestutzten Gartenstrauch fingert, sorgt die überspitzt, absurde Inszenierung für vergnügliche Heiterkeit.
Die Gesetze des Kammerspiels
Das funktioniert alles so gut, weil das Konzept auf 30 Minuten Kompaktheit reduziert ist. Mit einem eingeübten Kammerspiel-Setting, das durch seine räumliche Begrenztheit den Figuren grenzenlosen Spielraum in ihrer Mimik, Fantasie und Rhetorik offeriert. Autorin Meyer gelingt es immer wieder, Wahrhaftigkeit und alltäglichen Wahnsinn im engen Raum glaubhaft zu skizzieren. Ihre langjährige Erfahrung als Theaterregisseurin und Bühnenautorin dürfte ihr dabei behilflich sein. Das Kammerspiel bietet den Schauspielern einen intimen Rahmen, in dem die psychologischen Ausrichtungen der Gespräche ihre volle Wirkung entfalten können.
Die TV-Nische
Zu guter Letzt ist "Der Tatortreiniger" das perfekte Nischenprogramm und das ist in keinster Weise negativ gemeint. Formate wie "Zimmer frei", "Dittsche", "Inas Nacht" oder das "Neo Magazin Royale" sind gerade deshalb zu TV-Institutionen geworden, weil sie mit ihren Sendeplätzen hinter der massenkompatiblen Primetime im Reinen sind bzw. waren. Auch wenn Jan Böhmermann immer wieder betont, er würde gerne mehr senden und gänzlich ins Hauptprogramm wechseln: Auch er ist nicht der Fernsehtyp für eine 20.15-Uhr-Samstagabendshow. Die TV-Nische ist schon immer ein Experimentierfeld und bietet Platz für gewagte, innovative und mutige Sendungskonzepte. "Der Tatortreiniger" ist genau das: Ein unerschrockenes Stück Fernsehqualität.
BJARNE MÄDEL, geboren 1968, besser bekannt als Loser Ernie aus "Stromberg" oder Polizist Dietmar in der ARD-Krimiserie "Mord mit Aussicht". Ausbildung an der Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf.

ARNE FELDHUSEN, Jahrgang 1971, inszenierte TV-Serien wie "Stromberg" und "Ladykracher", dreht zwischendrin immer wieder Werbung, hat den "Stromberg"-Kinofilm realisiert und arbeitet immer wieder gerne mit Ralf Husmann zusammen.

Autor: Steven Sowa