David Finchers Faszination für Serienkiller begann mit sieben Jahren. "Ich weiß noch, wie ich im Schulbus saß und durch das Fenster sah, dass uns ein Polizeiauto begleitete", erinnert er sich. "Zu Hause erzählte ich es meinem Vater. Er sagte nur: ‚Ach ja. Da ist so ein Typ, der einige Menschen getötet hat. Er hat einen Brief an die Zeitung geschrieben, in dem er sagt, dass er auf die Reifen eines Schulbusses schießt und anschließend alle Kinder nacheinander abknallt.‘"

Der Drohbriefschreiber ging als Zodiac-Killer in die Geschichte ein. 37 Jahre später verarbeitete Fincher das Kindheitstrauma, indem er die Jagd auf den bis heute nicht gefassten Gewalttäter in seinem Thriller "Zodiac" festhielt. Nicht wenige halten den gefloppten Film mit Robert Downey Jr. und Jake Gyllenhaal für Finchers beste Arbeit. In jeder Einstellung spürt man die Nähe, die der Regisseur zu dem angstbesetzten Thema hat.

Mindhunter: Das geschah in Staffel 1

Zehn Jahre danach hält die Netflix-Serie "Mindhunter" das "Zodiac"-Erbe wach. Die 2017 gestartete erste Staffel zeigt die Ursprünge der ersten "Behavioral Science Unit" des FBI, umgangssprachlich auch Profiling genannt. Basierend auf dem Tatsachenroman "Mindhunter: Inside The FBI's Elite Serial Crime Unit" erzählen die zehn Folgen, wie die FBI-Agenten Ford (Jonathan Groff) und Tench (Holt McCallany) den Begriff Serienkiller prägen und zum besseren Verständnis dieser Verbrechen in Gefängnisse fahren und mit gefassten Massenmördern sprechen.

Während Profiling-Serien wie "Criminal Minds" den Fokus auf die Grausamkeit der Verbrechen und die Lösung einzelner Fälle legen, geht es David Fincher und seinen Figuren um psychologische Aspekte und Verhaltensmuster. Indem seine Serie die Spannung aus den beklemmenden Interviews im Knast zieht, schafft er eine perfekte Verschmelzung von Krimi und True Crime.

Finchers erster filmischer Ausflug ins abgründige Genre sah da ganz anders aus. 1995 ließ er in "Sieben" Brad Pitt und Morgan Freeman Jagd auf einen Ritualmörder machen, der seine Opfer nach den sieben Todsünden aussuchte. "‘Sieben‘ war nicht in der Realität verankert", erklärt Fincher. "Es war überspitzt und stilisiert, fast wie eine Höllenlandschaft."

David Fincher: Faszination Serienkiller

Gemeinsam mit "Das Schweigen der Lämmer" löste sein Film eine perverse Faszination für diese Täterkategorie aus. Eine Wirkung, die er heute fast bedauert. Mit "Mindhunter" wolle er bewusst gegensteuern, wie er im US-Podcast "The Treatment" erzählt: "Wir wollten dieser Idee von Serienkillern als glorifizierten Comicbuch-Superschurken einen Pflock ins Herz rammen."

Für Fincher sind sie eher traurige Gestalten, die meist unter tragischen Umständen aufgewachsen sind. In einer amerikanischen Talkshow zertrümmerte er den Mythos: "Das soll jetzt kein Mitleid auslösen, aber mit dieser literarischen Vorstellung, dass zwischen einem Massenmörder und seinen Jägern nur ein sehr schmaler Graben liegt, gehört aufgeräumt. Wir sind von Serienkillern doch deshalb so fasziniert, weil wir nichts mit ihnen gemein haben. Sie sind unbegreiflich."

Mindhunter Staffel 2: Darum geht es

Vier dieser unbegreiflichen Monster stehen in der zweiten Staffel von "Mindhunter" im Fokus. Die beiden FBI-Agenten sollen Anfang der 80er-Jahre dabei helfen, die Atlanta Child Murders zu stoppen. Zwischen 1979 und 1981 wurden dort 29 schwarze Kinder und junge Erwachsene umgebracht. Am Ende wurde Wayne Williams für zwei der Morde verurteilt, beteuert bis heute aber die Unschuld in den anderen Fällen. Die Staffel folgt weiterhin dem Treiben von Dennis Rader, der von 1974 bis 1991 als BTK-Killer mordete und kurz in Staffel eins auftauchte.

Um zu verstehen, wie Williams und Rader ticken, interviewen die beiden Ermittler weitere verurteilte Massenmörder. Zu ihnen gehören David Berkowitz, der als Son of Sam in die Geschichte einging, und Charles Manson. Dessen Besetzung sorgte für Schlagzeilen und war das Einzige, was aus dem streng abgeschotteten Writers Room der zweiten Staffel nach außen drang. Denn Fincher verpflichtete den Australier Damon Herriman als Manson, der kurz darauf für die gleiche Rolle in Tarantinos "Once Upon a Time in Hollywood" gecastet wurde. Fincher ist offenbar nicht der Einzige, der von Serienkillern nicht loskommt.

Die zweite Staffel "Mindhunter" ist ab dem heutigen 16. August 2019 bei Netflix zu sehen und umfasst neun Episoden. Noch ist kein Ende in Sicht, denn ginge es nach Fincher, würden noch einige weitere Staffeln dazukommen. Wer die Serie noch nicht kennt, kann sich hier noch den Trailer zur ersten Runde anschauen:

David und die Goliaths

"Sieben": Habgier, Völlerei, Neid. Ein Serienkiller bestraft die sieben Todsünden und hat für Ermittler Brad Pitt 1995 ein perfides Geschenk.

"Zodiac": 2007 inszenierte Fincher die Jagd auf den Zodiac-Killer wie den Watergate-Film "Die Unbestechlichen". Die definitive Auflösung der ungeklärten Verbrechen war aber umstritten.

"Verblendung": Auch in Finchers Stieg-Larsson-Adaption von 2011 trieb ein Serienmörder sein Unwesen.

"Mindhunter": Die Anfänge des Profilings als Netflix-Serie. Auch in der zweiten Staffel versucht das FBI zu verstehen, wie Serienmörder ticken.