"Und bitte!" Kurz durch­atmen, dann muss die eigene Stimme auf ­Kommando nach tiefer Verzweiflung klingen… An­gespannte Arbeitsatmophäre herrscht in der Berliner Arena Synchron. 45 Angestellte arbeiten hier unter Hochdruck in sechs Aufnahmestudios, einem Mischraum und an zehn Schnittplätzen an der Eindeutschung von Serien.

Eine 45-minütige Folge besteht aus bis zu 500 einzelnen Dialogstückchen. Die Synchronisation einer Staffel mit zehn Folgen dauert rund zwölf Wochen. Die Vorproduktion nimmt weitere acht bis zwölf Wochen in Anspruch. Ein strammer Zeitplan, das weiß auch Björn Herbing, Geschäftsführer der Arena Synchron: "Technisch sind wir so weit, dass wir noch viel mehr und schneller könnten, aber menschlich sind wir am Limit. Ein Tonmeister kann nicht mehr als 250 Takes am Tag zuhören. Irgendwann ist das Ohr zu, und das geht auf die Qualität."

Ende der 2000er war das noch anders. Da befand sich die deutsche Synchronbranche kurz vor einer großen Krise. Die ­Aufträge gingen stark zurück, weil viele Hollywood-­Serien ­wegen der Streiks der Dreh­buch­autoren die Produktion vorübergehend einstellten. Die Lage hat sich dank des Booms der Streaminganbieter komplett gewandelt. Es wird heute im Akkord synchronisiert.

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Circa 30 Prozent seiner Aufträge stammen mittlerweile aus diesem Bereich, schätzt Herbing. Gerade bekommt hier die vierte Staffel der Krimikomödie "Lucifer" ihre deutsche Tonspur. Die Serie begleitet den Teufel, der gemeinsam mit Polizistin Chloe Mordfälle löst.

Bei den Tonaufnahmen ist Stephan Josse vor Ort. Er betreut bei Amazon Prime Video Synchronisation und Unter­titel. Etwa 35 Staffeln Eigen­produktionen kommen pro Jahr zusammen, rund 25 000 Minuten Sendezeit, dazu 8000 Minuten Lizenzserien wie "Lucifer". Ein stetig wachsender Markt, die Nachfrage beim Publikum ist hoch. "Die Mehrheit der ­Prime-Nutzer, teilweise mehr als 90 Prozent, sieht sich später die synchronisierte Fassung an", schätzt Michael Ostermeier von Prime Video.

Auch Synchronsprecherin Giuliana Jakobeit guckt privat gern Serien auf Deutsch. Seit der ersten Staffel leiht sie Chloe ihre Stimme. "Man achtet schon da­rauf, was die Kollegen machen, aber ich lasse mich total darauf ein und genieße es." Sie und Kollege Manou Lubowski, der Lucifer spricht, stehen nicht gemeinsam vor dem Mikro. In der Branche kommt es nur selten vor, dass Dialoge zu zweit aufgenommen werden. Da die Sprecher nicht fest angestellt sind, sondern für die jeweiligen Projekte gebucht werden, sprechen sie oft zur selben Zeit mehrere Rollen bei verschiedenen Studios. Vorbereitung auf die kommenden Szenen ist selten möglich. "Bei ‚Lucifer‘ kriegen wir vorher nichts zu sehen. Wir gehen unschuldig da ran", erzählt Lubowski. "Ich genieße es beim Synchronisieren sehr, dass ich nicht weiß, wo es hingeht." Im Gegensatz zum Schauspieler tappt er im Dunkeln, ob er am Ende selbst der Mörder ist.

Bei anderen Produktionen gibt es aufgrund der hohen ­Sicherheitsvorkehrungen oft nicht einmal Ansichtsmaterial während der Tonaufnahmen – aus Angst vor Geheimnisverrat und Raubkopien. Lubowksi, der bei "Game of Thrones" Jaime Lennister synchronisiert, verrät, dass die Sprecher häufig nur ein schwarzes Bild zu sehen bekämen, auf das sie den Dialog sprechen müssen. Mit etwas Glück würden ihnen die Mundpartien der Schauspieler gezeigt werden, sodass sie die Worte synchron sprechen können.

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Aber auch ohne bildliche Spoiler seien die Auflagen streng. So müssten zum Teil vor den Aufnahmen die Handys abgegeben werden. Bekommen die Sprecher Szenen gezeigt, ist es häufig eine Rohversion. Da ist statt ­Lucifers entstelltem Teufels­gesicht noch Schauspieler Tom Ellis mit grünen Punkten im Gesicht zu sehen, oder die "Game of Thrones"- Charaktere reiten über einen Parkplatz. "Da gibt es manchmal so lustige Anweisungen im Bild der Rohfassung wie ‚Bitte Kind unten rechts ent­fernen‘", erzählt Stephan Josse. Auch er als Amazons Synchronverantwortlicher bekommt die Skripte nur im ­wöchentlichen Takt. Manchmal muss er pokern, wie bei der Frage: Ab welchem Moment duzen sich die Cha­raktere? "Bei Chloe und Lucifer habe ich auf den Kuss gewartet, damit wir endlich mal ins Du können! Man will's ja nicht zu früh machen, weil man nicht weiß, wo die Serie ­hingeht."

Die Mischung des Tons findet in einem mit Technik vollgestopften Raum ohne parallele Wände statt. Sein Wert liegt bei 500 000 bis 800 000 Euro. Hier werden die steril aufgenommenen Dialoge mit Hintergrundgeräuschen und Effekten unterlegt. Der Tonmeister ist gefragt: Wie klingt die Umgebung, ab welcher Lautstärke hallt das Gespräch in einer Kirche? Aufpassen, dass bei einer lärmenden Menschenmenge keine englischen Wortfetzen zu hören sind.

Für eine 45-minütige Folge mit 78 einzelnen Tonspuren dauert die Mischung etwa einen halben Tag. "Lucifer" Manou ­Lubowski zieht das Fazit: "Deutschland ist weltweit ein Maßstab – die beste Synchro!"