Es ist Zeit für ein wichtiges Geständnis, netflixtechnisch. Da man schlechte Nachrichten am besten mit einer positiven Meldung einleitet, möchte ich dem Konzern zunächst Danke sagen. Danke Netflix, für die Unterhaltung, die du mir während der Corona-Krise geliefert hast.
Tag ein, Tag aus zu Hause zu sitzen, weder ins Kino noch ins Restaurant gehen zu können, das war und ist wirklich zermürbend. Der Klick auf die Netflix-Taste meiner Fernbedienung hat mir den Alltag stets erleichtert, auf einer mentalen Ebene jedenfalls.
Trotzdem muss ich zugeben: Ich bin besorgt und frage mich, ob ich dem Streaming-Service in Zukunft noch treu bleiben kann. Denn ich habe einen Blick auf die Twitter-Seite des Streaming-Experten Kasey Moore geworfen. Er analysiert, was auf der Plattform vor sich geht, sein Wort hat in Sachen Netflix Gewicht.
Deswegen beunruhigt mich Moores jüngster Kommentar auch so sehr. In trockenem, aber doch eindringlichem Tonfall schreibt er: "Die Content-Dürre ist da."
Moore analysierte und Verglich Netflix-Daten vergangener Jahre
"Woher will Moore das wissen?", fragt sich der aufmerksame Leser jetzt. Die Antwort ist: Er hat sich entsprechende Daten aus den vergangenen Jahren angesehen und diese miteinander verglichen.
So kommt der Experte zu dem Schluss, dass die Anzahl der Netflix-Eigenproduktionen im ersten Quartal 2021 um ganze zwölf Prozent gesunken ist. Zwischen Januar und April 2020 erschienen in den USA insgesamt 180 Originals, 2021 waren es nur noch 159. Doch das ist noch nicht alles.
Auch die Menge der lizenzierten Inhalte, also der von Netflix gekauften Filme und Serien anderer Studios, ist zurückgegangen. Wie aus Moores Tweet hervorgeht, verringerte sich die Anzahl der US-Neuheiten von 685 im Frühjahr 2020 auf nur noch 454 Neuerscheinungen in den ersten Monaten diesen Jahres.
Corona-Pandemie trifft nun auch Netflix
Klar ist, dass die Corona-Pandemie wesentlich zu Netflix' aktuellem Content-Einbruch beigetragen hat. Mit dem Lockdown im vergangenen Jahr stagnierte die Produktion zahlreicher Filme und Serien. Dutzende Formate wurden um Monate, manche sogar auf unbestimmte Zeit verschoben. Dieser Rückstand wird nun sichtbar, auch wenn Netflix viele Formate vorproduziert hat.
Die Zahlen aus den USA sind für mich als treue Abonnentin dennoch alarmierend. Ich frage mich: Gehen dem Streaming-Dienst jetzt die Inhalte aus? Nimmt die Corona-Pandemie mir jetzt auch noch meine Corona-Freizeitbeschäftigung? Schließlich habe ich Netflix gerade wegen der vielen Neuerscheinungen abonniert.
Lesetipp
Netflix ist alles andere als günstig: Ich erwarte Content-Fülle
Ich weiß: Sollte der Streaming-Dienst zunehmend weniger neue Inhalte anbieten, werde ich mein Abo kündigen. Und ich wäre vermutlich nicht die Einzige, wie ein Bericht des Portals "Bloomberg" bestätigt. Die Autoren vermuten eine Kündigungswelle bei Netflix, sollte die Plattform hinter den Erwartungen ihrer Kunden zurückbleiben. Heißt: weniger neuen Content anbieten als geplant.
Warum auch für ein Portal Geld ausgeben, die nicht das liefert, was man sich wünscht?
Schließlich ist Netflix alles andere als günstig. Erst kürzlich hat der Streaming-Dienst hierzulande die Preise erhöht, statt 11,99 Euro kostet mich der Nicht-Premium-Unterhaltungsspaß jetzt 12,99 Euro. Für ein derart saftiges Entgelt (Amazon Prime Video kostet nur 7,99 Euro im Monat) erwarte ich auch eine entsprechende Fülle an Inhalten.
Doch es geht mir nicht nur ums Finanzielle. Ich mache mir auch große Sorgen um die Netflix-Originals, mit denen sich der Konzern nicht nur in mein Herz, sondern auch in das vieler anderer Nutzer gestreamt hat. Eine aktuelle Umfrage bestätigt: Für mehr als 60 Prozent der Netflix-User sind Eigenproduktionen "absolut ausschlaggebend" oder "sehr wichtig", um sich einen Account bei der Plattform anzulegen.
Wie viele Originals wird es zukünftig noch geben? Sollte sich tatsächlich ein Trend zu immer weniger Eigenproduktionen einpendeln, wäre das für mich ein Anlass, der Plattform abzuschwören. Schließlich verleihen Formate wie "Das Damengambit" oder "Stranger Things" Netflix genau die Exklusivität, die den Dienst von anderen Anbietern abhebt.
Studios wollen immer weniger Inhalte an Netflix weitergeben
Zumal es um externen, nicht selbst produzierten Content gerade nicht gut steht. Aus Moores Analyse geht hervor, dass andere Studios offenbar immer weniger Inhalte an den Streaming-Anbieter verkaufen wollen. Der Experte glaubt, die Medienhäuser würden ihren Content stattdessen zur Stärkung der eigenen Plattformen nutzen.
Und damit hat er nicht ganz Unrecht. Schon jetzt gibt es Berichte, die seine Vermutung stützen - etwa einen Artikel des US-Portals "Bloomberg" über Pläne des Medienunternehmens NBC Universal. Der Konzern will eigene Filme demzufolge nicht mehr bei Streaming-Portalen wie Netflix oder HBOMax anbieten, sondern nur noch beim hauseigenen Service Peacock.
Sollten die Gerüchte stimmen, könnten hochkarätige Blockbuster wie "Jurassic Park", "Fast and the Furious" oder die "Zurück in die Zukunft"-Reihe bald von Netflix verschwinden. Klassiker, auf die sich viele Fans wie ich gefreut haben. Der Unmut wäre vorprogrammiert.
Hoffnung macht ein neuer Netflix-Deal mit Sony
Insgesamt also eine verzwickte Lage. Auch, weil eine potenzielle Abonnenten-Abwanderung letztlich nur künftigen Zuschauern schaden würde. Verdient Netflix weniger Geld durch Abos, bleibt am Ende auch weniger für Eigenproduktionen und Lizenzen übrig. Ein Teufelskreis, den das Streaming-Portal unbedingt durchbrechen muss.
Hoffnung macht eine neue Vereinbarung, die Netflix unlängst getroffen hat. Durch einen Lizenz-Deal mit Sony Pictures hat sich der Streaming-Service die exklusiven US-Rechte an Fortsetzungen von Blockbuster-Reihen wie "Spider-Man" oder "Jumanji" gesichert. Die Abmachung soll 2022 starten und fünf Jahre laufen, Netflix darf von Sony produzierte Filme ausstrahlen, nachdem sie im Kino gelaufen sind. Außerdem erhält der Konzern Vorkaufsrechte und Kooperationsoptionen für Streaming-Produktionen.
Vielleicht schafft es Netflix also doch, das Versprechen zu halten, das der Konzern vor knapp einem Jahr abgegeben hat. Gegenüber "The Verge" erklärten die Verantwortlichen, eine Content-Flaute werde es beim Streaming-Riesen nicht geben.
Dieser Artikel erschien zuerst bei chip.de: Weniger Serien und Filme bei Netflix: Kommt jetzt die große Content-Flaute?