Ein grotesker Kriminalfall eröffnet die Geschehnisse von "Gestern waren wir noch Kinder": Der erfolgreiche Anwalt Peter Klettmann (Torben Liebrecht) kommt von der Arbeit nach Hause, geht zu seiner Frau Anna (Maria Simon), sie hat heute 44. Geburtstag, und ermordet sie. Dann informiert er selbst die Polizei über seine Tat und lässt sich widerstandslos verhaften. Die Presse und die Polizei spekulieren: Welches Motiv hatte der liebende Vater?
Im Verlauf der insgesamt sieben Folgen, die zusammen knapp fünf Stunden lang sind, lässt sich sein Motiv über 25 Jahre zurückverfolgen. Rückblenden zeigen das Leben des Paares und ihrer drei Kinder, den Werdegang des ermittelnden Polizisten (Julius Nitschkoff) und eine Abifeier aus Mitte der Neunziger, auf der jene Kettenreaktion ihren Lauf nahm, die sich für Anna schließlich so tödlich entlud.
ZDF-Mediathekentipp: Tolle Charaktere in komplexer Handlung
Man darf nicht zu viel über die Handlung verraten, denn Drehbuchautorin Natalie Scharf ist ein Krimi- und Drama-Mix gelungen, der gleich mehrfach aus heiterem Himmel neue Bahnen läuft. Was erst so wirkt, als wäre es ein durch viele Rückblenden durchsetzter "Tatort", wird schnell zum Lehrstück über Geschwister, die urplötzlich erwachsen werden müssen. Sensationell ist die schauspielerische Leistung von Julia Beautx in ihrer ersten Hauptrolle. Sie spielt Peter und Annas älteste Tochter, die 18-jährige Vivi, die nach dem Tod ihrer Mutter verzweifelt um das Sorgerecht für ihre Geschwister kämpft.
Zwei Geschichten werden so gleichzeitig erzählt, die Vergangenheit der 90er (u.a. mit "How to Sell Drugs Online (Fast)"-Star Damian Hardung als junge Version von Peter) und das Schicksal der Kinder in der Jetztzeit. "Gestern waren wir noch Kinder" handelt davon, wie eine einzige Aktion noch nach Jahrzehnten schwere Konsequenzen haben kann, sie erzählt aber auch, dass leider viel zu oft selbst Kinder und Enkelkinder noch unter dem leiden, was die Generationen vor ihnen verbockt haben. Regisseurin Nina Wolfrum ("Nord bei Nordwest") verhandelt in kühlen, analytischen Bildern, ob man Schuld vererben kann.
Trotz der über weiten Teilen düster-depressiven Stimmung ist "Gestern waren wir noch Kinder" eine deutsche Produktion, die man gesehen haben sollte. Im ZDF werden die Folgen erstmals am 9.1., 10.1. und 11.1.2023 jeweils um 20:15 Uhr ausgestrahlt. Auch online kann man in die Folgen reingucken, denn seit dem 30.12.2022 sind alle Folgen in der ZDF-Mediathek zu sehen.