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Charlie Brooker über "Black Mirror" Staffel 5: "Nicht ganz so düster!"

Neue Black Mirror Folge auf Netflix
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Zum Start der fünften Staffel "Black Mirror" geben uns die Showrunner Charlie Brooker und Annabel Jones Einblicke in ihre Sci-Fi-Anthologie. Dabei stellt sich heraus: Ausnahmsweise wird es mal nicht so dystopisch, wie bei den Vorgängern.

Lange Zeit fühlten sich Charlie Brooker und ­An­nabel Jones ungeliebt. Hohe Budgets und kontroverse Themen brachten ihre Dystopie beim britischen Sender Channel 4 immer wieder an den Rand der Absetzung. Doch dann sprang zu Staffel drei der US­-Streamingdienst Netflix ein – und "Black Mirror" wurde ein Welthit.

Nahezu jeder Streaminganbieter versucht mittlerweile, eine eigene Anthologie-Serie aus dem Horror/Sci-Fi-Genre im Programm zu haben, von "Amazing Stories" (Apple TV+) bis "Twilight Zone" (CBS All Access). Dass "Black Mirror" Trendsetter bleibt, haben Autor Brooker und Produzentin Jones im Frühjahr mit der interaktiven Episode "Bander­snatch" bewiesen. Zum Start von drei neuen Folgen, u.a. mit Popstar Miley Cyrus und "Sherlock"-Gegenspieler Andrew Scott, haben wir in London mit dem Duo gesprochen.

Hier findet ihr unseren Übersichtsartikel zur 5. Staffel "Black Mirror", in dem wir anhand der Trailer und der Kurzzusammenfassungen erzählen, was die Zuschauer in den drei neuen Folgen erwartet.

Interview mit Charlie Brooker und ­An­nabel Jones

Foto: dpa Picture-Alliance
Sie haben einmal gesagt, dass "Black Mirror"-Episoden Ihre eigenen Urängste reflektieren. Fühlen Sie sich besser oder schlechter, wenn Sie sich mit einem der Drehbücher Ihren Ängsten gestellt haben?
Charlie Brooker: Ich habe noch nie selbst ein Kind zur Welt gebracht, aber ich stelle mir das ähnlich vor. Habe ich recht?
Annabel Jones: (langes Schweigen) Hier haben Sie einen Einblick, was es bedeutet, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Brooker: Die Frage ist ja, wann es fertig ist. Annabel ist immer die Erste, die ein Drehbuch zu ­sehen kriegt. Und dann weiß ich schon, dass eine Welle an Kritik kommt. Am schlimmsten sind die Punkte, bei denen ich weiß, dass sie recht hat. Dann mache ich eine zweite Version und eine dritte. Sogar während des Drehs und des Schnitts wird viel verändert. Erst wenn die Folge fertig ist, kann man sich zurücklehnen. Aber an dem Punkt haben so viele Leute mitgewirkt, dass es nicht mehr allein meine Reflexion ist.

Sie beide haben noch nie Regie geführt. Nach welchen Kriterien suchen Sie eigentlich die Regisseure für die Episoden aus?
Jones: Das ist ein interessantes Thema, denn alle Folgen haben ja ein anderes Genre und eine eigene Tonalität. Deshalb versuchen wir, die Regisseure auf die ein­zelnen Folgen maßzuschneidern. Nehmen Sie unseren interaktiven Film "Bandersnatch". Er spielt in der britischen Videospielindus­trie der 80er, daher wollten wir jemanden, der die Ära versteht. Und es sollte klaustrophobisch sein – und etwas schmutzig. Und David Slade ist darin ein Meister.
Brooker: Meist hat es mit ihrer bisherigen Arbeit und ihrer Erfahrung zu tun. Aber nicht immer drängt sich jemand auf. Wir treffen uns also mit Kandidaten oder skypen mit ihnen, um ein Gespür zu bekommen, ob sie richtig für genau dieses Projekt sind.
Jones: Es kommt auch immer darauf an, wie sie auf das Material reagieren. Bei vielen Drehbüchern gibt es Interpretationsmöglichkeiten. Die Folge "Wiedergänger" beispielsweise hätte man als Comedy inszenieren können, aber wir wollten es eher als emotional kraftvolle Liebesgeschichte.

Netflix-Serie erzählt in Staffel 5 "mehr optimistische Geschichten"

Ich würde Sie gern nach Ihren Lieblingsfolgen befragen, aber das ist vermutlich, als würde ich Sie bitten, Ihre Kinder nach Beliebtheit aufzulisten…
Jones: Meine Kinder zu listen finde ich nicht schwierig. (lacht)

Welche Folgen sind denn sogar besser geworden, als Sie es ­ursprünglich erhofft hatten?
Brooker: Die Folge "Abgestürzt" hat sich auf jeden Fall in eine andere Richtung entwickelt. Als ich die ersten Szenen gesehen habe, dachte ich, ich sei in einem Pastell-Albtraum gefangen. Mir war klar, es wird entweder fantastisch oder ein Desaster – und zum Glück war es Ersteres.
Jones: "Von allen gehasst" war auch so ein Fall. Es hätte leicht ein abgegriffener Krimiplot werden können, aber Regisseur James Hawes gab dem Ganzen eine epische Qualität.
Brooker: Bei "Der Wille des Volkes" war der Tonfall schwierig zu greifen, und das hätte ganz leicht in die Hose gehen können, aber der schwarze Humor ist perfekt eingefangen.

In "Der Wille des Volkes" hat ein Premier Sex mit einem Schwein. Vier Jahre später behauptete ein Biograf, dass Premierminister ­David Cameron als Student seinen Penis in einen Schweinskopf gesteckt hätte. Wussten Sie davon?
Brooker: Wenn ich es gewusst hätte, hätte ich es nicht zu einem Serienstoff verarbeitet, sondern es sofort in die Welt posaunt.

Aber es ist schon schräg, wie viele dystopische Zukunftsvisionen von "Black Mirror" wahr geworden sind. Hätten Sie eine, die Sie gern realisiert sehen würden?
Brooker: Die Nachtod-Welt von "San Junipero" wäre nicht schlecht.
Jones: Und den perfekten Seelenverwandten zu finden, wie in "Hang the DJ"? Zur Hölle, ja!
Brooker: In den neuen Folgen erzählen wir überhaupt mehr optimistische Geschichten, die nicht ganz so düster sind…