Am Sonntag startet "Babylon Berlin" im Ersten. Statt "Tatort" heißt es dann: Das Berlin der 20er-Jahre als grelles Sittengemälde, ein Historienpanorama wie wir es noch nie gesehen haben. Die darin eingebettete Kriminalgeschichte wird von der Hauptfigur Gereon Rath (Volker Bruch) vorangetrieben. Doch ohne eine gewisse Charlotte Ritter sähe der aus Köln stammende Kriminalbeamte im hektischen Hauptstadtbetrieb alt aus.

Liv Lisa Fries spielt die Berliner Göre, die schnippisch Widerstand leistet, aber mit durchaus cleveren Einfällen Licht in die düsteren Ermittlungen im Berliner Rotlichtmilieu bringt. Schnell mausert sich Charlotte zu einer ernstzunehmenden Beraterin von Kommissar Rath: "Das ist das, was ich an Charlotte so schön finde: Dass sie im guten Sinne ehrgeizig ist. Sie ist nicht karrieristisch, sie würde nicht morden, um nach oben zu kommen, aber sie will was. Sie will aus dem Milieu heraus und sie will das Beste für die Menschen, die ihr irgendwie nahe sind.", sagt Liv Lisa Fries im Interview mit TV SPIELFILM.

Liv Lisa Fries im Video-Interview

Schnell merkt man, wie sehr Charlotte Ritter - der Seriencharakter - der Schauspielerin Liv Lisa Fries ans Herz gewachsen ist. Die gebürtige Berlinerin gibt gerne das kesse Mädchen, zeigt mit Verve ihr loses Mundwerk und muss auch mehr als ein Jahr nach den Dreharbeiten zur ersten und zweiten Staffel "Babylon Berlin" noch lachen, wenn sie an so manche Textpassage aus dem Drehbuch denkt: "Muss ick dir dit erst inne Stirn kämmen? (sic!)" ist so ein Satz, den Fries einfach nicht vergessen kann, wie sie uns im Interview (siehe Video) verrät.

Ihre erste Hauptrolle hatte Liv Lisa Fries 2006 in "Schimanski - Tod in der Siedlung", wo sie neben Götz George und Ludwig Trepte eine aufmüpfige Jugendliche spielt. Gut zehn Jahre später ist die Konstellation ähnlich: Der von Peter Kurth gespielte Oberkommissar im Sittendezernat Bruno Wolter ist ein gestandener Mann, Volker Bruch als Gereon Rath der aufstrebende Casanova in Polizeiuniform.
Fries fügt sich ideal ein, ist die dynamische Großstadtgöre mit Charme und Cleverness. Anfangs mag sie neben den beiden Polizisten wirken, wie ein Schulmädchen beim Praktikum, doch umso länger "Babylon Berlin" dauert und seine Wirkung entfaltet, desto mehr drängt auch Fries Figur in den Vordergrund.

Moderne Serie mit ambivalenten Figuren

Was "Babylon Berlin" neben seiner historischen Akkuratesse und den atemberaubenden visuellen Schauwerten so stark macht, ist die Figurengestaltung. Vor allem die drei erwähnten Charaktere Wolter, Rath und Ritter sind mit so viel Facetten ausgestattet, dass einem angesichts von zu viel Eindimensionalität im deutschen Fernsehen hier ausnahmsweise mal nicht bange werden muss.

Im Gespräch mit TV SPIELFILM weiß Liv Lisa Fries auf diesen Aspekt hinzuweisen: "Man sieht, dass unter dieser sehr toughen Frau ganz viel Angst und ganz viel Trauer und sehr viel Ungewissheit schlummert." Es sind die Ambivalenzen und die Vielschichtigkeit, die Charlotte Ritter zu einer interessanten Figur machen. Dazu gehört es im Jahr 1929 in Berlin eben auch, dass sie sich in einem männerdominierten Beruf durchsetzen muss.

Mit 27 Jahren hat es Fries geschafft, einen modernen Seriencharakter zu erschaffen, der gleichermaßen Schwächen und Stärken aufweist - so wie sich das heutzutage gehört für eine Produktion von Weltformat. Am Sonntag kommen auch Free-TV-Zuschauer endlich in den Geschmack dieser herausragenden Leistung: Die ersten drei Episoden "Babylon Berlin" laufen ab 20.15 Uhr im Ersten.