Die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen im Zuge der Corona-Pandemie haben das gesellschaftliche Leben in weiten Teilen der Welt zum Erliegen gebracht. Kinos sind geschlossen, teils fertige Filme wie "A Quiet Place 2" oder "James Bond 007 – Keine Zeit zu sterben" wurden um Monate verschoben. Dafür boomt das Streaming-Geschäft: Netflix konnte jüngst ein Rekordquartal verbuchen.

Doch wie soll es weiter gehen? Derzeit befindet sich die Filmindustrie in den USA in einer schwierigen Situation: Auf der einen Seite stehen der Wunsch und der finanzielle Drang, wieder zu öffnen. Aber auf der anderen Seite ist die Not, die Gesundheit sämtlicher Mitarbeiter schützen zu wollen. Während die einen sich auf lange geschlossene Sets einstellen, ist Filmstar Tom Cruise laut Brancheninsidern der Variety bereits voller Hoffnung, ab Juni die Dreharbeiten zu "Mission: Impossible 7" wieder aufnehmen zu können. Ein Spannungsfeld, das sich schwer auflösen lässt.

Pandemie in Hollywood: ohne Präzedenzfall

"Wir haben ein enormes Problem", berichtet Filmproduzent Matt Baer den Kollegen von Variety. Die Coronasituation sei eine einmalige Lage. Der Grund: "Es gibt kein universelles Regelwerk dafür, was man bei einer Pandemie unternimmt." Darin unterscheidet sich das Virus von anderen Katastrophen, die im Lauf einer Filmproduktion auftreten können. Wirbelstürme, schwere Unfälle oder tragische Todesmeldungen kamen allesamt in Hollywood oft genug vor, um als Beispiel zu dienen. Doch für Corona gibt es kein Beispiel, keinen Präzedenzfall.

Der Eigentümer der Steiner Studios, Doug Steiner, sagt zu der Not der Filmindustrie: "Wir alle sind uns im Klaren darüber, dass die Wirtschaft wieder angekurbelt werden muss. Aber ich bin mir nicht sicher, ob die Leute wieder arbeiten können, solange wir nicht mit Sicherheit wissen, wer krank und wer immun ist." Als ein großes Problem dürfte insbesondere die Arbeit direkt am Set bewertet werden. Schauspieler müssen oft dicht beieinanderstehen, um gemeinsam im Blickfeld der Kamera sein, nicht weit entfernt steht ein Tontechniker mit dem Mikrofon. Wie dreht man in Coronazeiten eine Kussszene? Eine Verhaftung? Oder eine Prügelei?

Eine Task Force für neue Standards

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Poster zu "Contagion".

Um zu prüfen, wann und wie die Arbeit trotz Abstandsregeln und Public Distancing wieder aufgenommen werden kann, wurde am 13. April vom Directors Guild of America eine Task Force zusammengestellt. Für die Leitung dieser Task Force ist Regisseur Steven Soderbergh verantwortlich, der neben den Filmen der "Ocean's Eleven"-Trilogie unter anderem auch den Thriller "Contagion" inszenierte. In diesem geht es um den Ausbruch eines tödlichen Virus, verursacht durch eine Fledermaus. Der Film lehnte sich damals massiv an die SARS-Pandemie aus den Jahren 2002 und 2003 an, und erlangte im Zuge des Coronavirus-Ausbruchs neue Beliebtheit auf Streaminganbietern und als Leihfilm.

Corona-Tests für die Film-Industrie?

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Regisseur Steven Soderbergh.

Soderbergh wird mit Epidemiologen sprechen, um bei der Planung für das weitere Vorgehen zu helfen. So sollen neue Standards beschlossen werden. Zum Beispiel wird als Sicherheitsmaßnahme in Betracht gezogen, dass alle Angestellten einer Filmproduktion in zugewiesenen Unterkünften wohnen und sich die gesamten Dreharbeiten lang von anderen Menschen isolieren müssen. Auch von Freunden und Familie.

Außerdem steht die Idee im Raum, die Temperatur aller Mitglieder der Filmcrew jedes Mal zu messen, bevor sie das Studiogelände betreten. Auch nach einer Immunität durch gebildete Antikörper sollen sie genau untersucht werden. Das kostet jedoch Geld, da für solche Maßnahmen ganze Wellen von Tests extra für Darsteller und Crew eingerichtet werden müssen. Auf diesem Weg wüsste man allerdings genau, wann jemand infiziert ist.

Rechtsprobleme, Unsicherheiten, Auslandssperren

Auch damit wäre es noch nicht getan. Filmsets müssten gewährleisten können, dass sämtliche Mitwirkenden mit Masken und Handschuhen ausgestattet sind. Ferner müssten Kostümdesigner und Maskenbildner regelmäßig verbrauchte Gegenstände wie Bürsten oder Kämme entsorgen.

Hinzu kommt, dass selbst bei all diesen Vorsichtsmaßnahmen noch unklar ist, inwiefern die Studios haften würden, käme ein Mitarbeiter am Set mit dem Coronavirus in Kontakt. Eine Reduzierung des Risikos gewährleiste noch keine fehlende Haftung, so das Argument vieler Kritiker der Maßnahmen.

"Mission: Impossible 7", "The Walking Dead" und andere

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Internationale Außendrehs wie hier für "Mission: Impossible – Fallout" dürfte es für lange Zeit nicht mehr geben.

Genau diese Unsicherheiten machen es für große Produktionen wie "Mission: Impossible 7", aber auch für TV-Serien wie "Grey's Anatomy" oder "The Walking Dead" aktuell äußerst schwer, Kautionen zu erhalten, sowie sich ordentlich versichern zu können. Welche Schritte die Branche auch immer unternimmt: Es wird teuer. Die Budgets dürften in jedem Fall in die Höhe schnellen, sodass es für viele Produktionen unmöglich sein dürfte, am Ende aus den roten Zahlen zu kommen.

Insbesondere Auslanddrehs scheinen derzeit unmöglich. Selbst wenn Tom Cruise tatsächlich im Juni wieder "Mission: Impossible 7" unter der Regie von Christopher McQuarrie drehen sollte, dann wohl nur innerhalb der USA. Da der Film bislang einige Drehs in Italien hinter sich hatte, die vor dem Ausbruch des Virus nicht abgeschlossen werden konnten, muss die Produktion jetzt abwägen, ob sie den restlichen Dreh in Europa gänzlich absagen oder im Herbst zurückkehren, wenn das Virus abgeklungen sein könnte. Doch auch dafür gibt es keine Garantie: Experten gehen teilweise davon aus, dass das Virus nach einer Abschwächung im Sommer dann in Herbst- und Winterzeiten erstarkt zurückkehren könnte. Einen ähnlichen Verlauf hatte die Grippepandemie von 1918 genommen.