Der Name Michael Bay steht für mehrere Versprechen: Nonstop Explosionen. Feuergefechte bis zum geht nicht mehr. Hypersexualisiere Frauenkörper. Und eine Überpräsenz von USA-Flaggen. Nein, ganz unverdient hat Michael Bay seinen Ruf als Enfant terrible des Actionkinos nicht bekommen. Seine Stilmittel sind längst belachte Klischees. Und doch haben viele seiner Filme weit mehr Qualität, als ihnen gemeinhin zugestanden wird.
Seit dem 24. März 2022 ist "Ambulance", sein fünfzehnter Film in den Kinos zu sehen und so viel sei schon jetzt verraten: Bay-Fans kommen voll und ganz auf ihre Kosten. Fangen wir jedoch nun erstmal mit seinem schlechtesten Werk an, und arbeiten uns zu den Highlights vor. Denn so schlecht, wie Bays schlechteste Filme sind, so toll und großartig sind auch seine besten.
Transformers – Ära des Untergangs (2014)
Von einem "Transformers"-Film sollte man sich nicht allzu viel Substanz oder Inhalt erwarten. Doch "Ära des Untergangs", der vierte Teil der Reihe, begeht die größte Sünde, die ein Blockbuster sich leisten kann: Er langweilt. Fast drei Stunden lang jagen sich hier die Robo-Wesen ohne Sinn und Verstand, die menschlichen Figuren sind zudem so farblos, dass sich selbst Mark Wahlberg in der Hauptrolle sichtbar langweilt. Und die Action ist zwar ein Overkill des Overkills, aber ohne jede Fantasie. Wenn zum Schluss Optimus Prime auf einem Dinobot in die Schlacht reitet, unterscheidet sich die Materialschlacht nur gering von den zweieinhalb Stunden zuvor. Ein Reinfall, in jeder Hinsicht.
6 Underground (2019)
Zwischen 125 und 150 Millionen US-Dollar soll Netflix in diesem Film-Original von Michael Bay gesteckt haben. "6 Underground" ist allerdings so schlecht gespielt, so stümperhaft geschrieben, so aggressiv unlustig geworden, dass man um das Geld nur weinen kann. Ryan Reynolds ist als US-Selfmade-Millionär, der sechs totgeglaubte Militär-Spezialisten für einen Privatkrieg gegen den Diktator Rovach Alimov engagiert, fehlbesetzt. Die Action ist sinnloser Lärm, die Figuren steif oder gar unsympathisch. Beachtlich ist es nur, dass Michael Bay es in einem Film über Selbstjustizler geschafft hat, mehr physikalische Gesetze zu ignorieren als in insgesamt fünf Filmen über Weltraum-Roboter, die sich in irdische Autos verwandeln können.
Pearl Harbor (2001)
Mit diesem Film wollte Michael Bay den Erfolg von "Titanic" kopieren: Eine epische Liebesgeschichte vor dem Hintergrund einer historischen Katastrophe. Woran "Pearl Harbor" aber scheitert, ist leicht zu sagen: Die Dreiecksbeziehung, welche die erste Filmhälfte einnimmt, ist dermaßen unangenehm kitschig und überzuckert, dass sich jeder Nicholas-Sparks-Roman dafür schämen würde. Wer diese kaum auszuhaltenden 80 Minuten überstanden hat, wird mit Kriegsfilmklischees eingelullt, die so glatt und heroisch ablaufen, dass es nicht mal als schlechtes Beispiel taugt. Einziger einsamer Höhepunkt: Eine Szene, in der die Kamera gemeinsam mit einer Fliegerbombe auf ein Kriegsschiff herabstürzt. Das sah wirklich cool aus.
Transformers – Die Rache (2009)
"Transformers – Die Rache" ist der wohl einzige Film in seiner Karriere, bei dem Michael Bay gar nicht so viel dafür kann, dass dieses Spektakel krachend in die Hose ging. Zur damaligen Zeit gab es nämlich einen großen Drehbuchautorenstreik und so mussten die Dreharbeiten für das zweite Autobot-Abenteuer ohne fertiges Skript begonnen werden. Die Action ist dennoch spektakulär geraten, der Plot aber unnötig kompliziert, konfus und sinnfrei. Besonders schlimm erwischt es mit Megan Fox und John Turturro zwei der Stars des Vorgängers, die hier nur wenig zu tun bekommen. Miese Witze (Transformer-Hoden!), Logiklöcher von der Größe des europäischen Kontinents und rassistische Nebenfiguren werten den Film zusätzlich ab.
Transformers: The Last Knight (2017)
Im fünften und für Michael Bay bislang letzten Film der "Transformers"-Reihe ist alles wie gehabt: die Action laut und wild, die Dialoge dumm und einfallslos, der Humor platt und peinlich. Wie genau Bay es geschafft hat, ausgerechnet Sir Anthony Hopkins für eine menschliche Hauptrolle in diesem Unfug namens "The Last Knight" zu besetzen, bleibt sein Geheimnis. Es ist spürbar, dass selbst Michael Bay keine Einfälle mehr hat, wie eine durch Roboter-Autos zerstörte Erde beim fünften Aufguss noch neu und interessant aussehen könnte. Immerhin: Bildgewaltig ist auch dieser Film erneut und die Verknüpfungen mit der Artussage sind auf banale Art schon wieder witzig und zumindest einigermaßen unterhaltsam.
Pain & Gain (2013)
Das Kino von Michael Bay ist ein Kino des Machismo. Männliche Muskelkörper zelebriert seine Kamera besonders intensiv. Kein Wunder also, dass sein selbsterklärtes Herzensprojekt "Pain & Gain" von drei Bodybuildern handelt (Dwayne Johnson, Anthony Mackie und Mark Wahlberg). Die entführen einen Millionär, zocken ihm seine Kohle ab und leben daraufhin gehörig in Saus und Braus – bis die Sache schiefgeht. Testosteron-Kino pur, sicher, aber dabei auch eine amüsant-überdrehte und dabei im Kern gar nicht so blöde Kritik am amerikanischen Traum. Nervig ist nur, dass diese – übrigens auf wahren Begebenheiten beruhende – Geschichte so unnötig brutal und gewalttätig erzählt werden musste.
Armageddon – Das jüngste Gericht (1998)
Natürlich ist "Armageddon – Das jüngste Gericht" großer Blödsinn. Schon Hauptdarsteller Bruce Willis wunderte sich selbst über den Plot: Da ein Asteroid auf die Erde zurast, soll ein Trupp Bauarbeiter im Crash-Kurs zu Astronauten ausgebildet werden, im All auf dem Himmelskörper landen und in ihn eine Atombombe eingraben. Warum da nicht einfach Astronauten beibringen, wie man ein Loch buddelt? Solche Fragen stellt man besser nicht, dann macht dieser Sci-Fi-Murks voller Pathos tatsächlich Spaß. Auch wenn Michael Bay natürlich nicht aus seiner Haut kommt und alles in waschechter Videoästhetik, wie in einem MTV-Musikclip, inszeniert. Kultig dafür der Filmsong: "I Don't Want to Miss a Thing" von der Rockgruppe Aerosmith.
Ambulance (2022)
Zwei Brüder überfallen eine Bank, kapern auf ihrer Flucht einen Krankenwagen und nehmen die Pflegerin darin sowie ihren todkranken Patienten als Geisel. In "Ambulance" hat Michael Bay aus dem gleichnamigen kurzen, psychologischen Kammerspiel, das 2005 in Dänemark erschien, eine zweieinhalbstündige Actiongranate gemacht, die dank fantastischer Kamerafahrten per Drohne durch Los Angeles begeistert. In seiner Reduktion auf nur eine lange Verfolgungsjagd erinnert sein Fluchtwagenfilm gar an Klassiker wie "Leben und Sterben in L.A.", "Speed" oder "Mad Max: Fury Road". Dennoch können alle visuellen Mätzchen nicht darüber hinwegtäuschen, wie dünn und oberflächlich – selbst für Bay-Verhältnisse – hier sowohl Plot als auch Charaktere sind.
Transformers 3 (2011)
Wer 2011 im Kino saß und "Transformers 3" in 3D sah, der hatte schlicht keine Zeit, sich (mal wieder) über die vielen Stereotypen zu ärgern, über die verschenkten Auftritte von Frances McDormand, John Malkovich und Astronaut Buzz Aldrin, der 1969 auf dem Mond landete (!), zu lästern oder sich am furchtbar dämlichen, pubertären Humor zu stören. Denn obwohl 154 Minuten für so einen Film viel zu lang sind, liefert Michael Bay hier ein Actionspektakel sondergleichen. Die lange Schlacht um Chicago ist eine der beeindruckendsten Effektszenen aller Zeiten. Absolut genial ein Einsatz von Soldaten, die in Jumpsuits durch die Häuserschluchten der Wolkenkratzer rasen. Da drückt man trotz aller bekannter Schwächen der Reihe (hier noch ergänzt durch einen skurril fehlbesetzten Patrick Dempsey als menschlicher Schurke) gerne mal ein Auge zu.
Bad Boys – Harte Jungs (1995)
So fing bei Michael Bay damals alles an: Mit einem schnellen, halsbrecherischen Thriller um zwei Chaos-Cops. Mike (Will Smith) und Marcus (Martin Lawrence) haben in "Bad Boys – Harte Jungs" nur 72 Stunden Zeit, um gestohlenes Heroin im Wert von knapp 100 Millionen US-Dollar wiederzubeschaffen. Das ungleiche Duo ist ein klarer Abklatsch der "Lethal Weapon"-Filme, die rasante und brutale Action ersäuft in gelbgefilterter Optik. Aber rotzigen Charme hat dieser freche Polizeifilm durchaus. Smith und Lawrence zudem sind ein formidables Duo und können mit viel Wortwitz punkten. Und im Rückblick ist es einfach schön, einen Film von Bay zu sehen, in dem noch alles echt ist – und nicht nahezu jede Sekunde Film mit dem Computer bearbeitet werden musste.
13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi (2016)
Der kontroverseste Film von Michael Bay heißt "13 Hours: The Secret Soldiers of Benghazi", ist besser als sein Ruf und sehr ungewöhnlich für ihn. Er erzählt die wahre Geschichte des Bengasi-Anschlags: Im Post-Ghaddafi-Libyen griffen am 11. September 2012 im libyschen Bengasi islamistische Terroristen das US-Konsulat an. Wie die Soldaten immer verzweifelter die Angriffswellen abwehren, erinnert vielleicht etwas an Ego-Shooter-Videospiele à la "Call of Duty", ist aber auch spannend inszeniert und insbesondere vom Hauptdarsteller John Krasinski wunderbar gespielt. Sogar einen zaghaften politischen Unterton hat der Film und übt Kritik an der umständlichen US-Bürokratie, die der Spezialeinheit zu lange ein Aktivwerden untersagte – und so den Anschlag in seiner Wucht erst möglich machte.
Transformers (2007)
Die wandlungsfähigen Roboter vom Planeten Cybertron führen ihren Krieg auf unserer Erde aus – und damit es gewaltig wummst, führt Remmidemmi-Maestro Michael Bay die Regie. Tricktechnisch war "Transformers" 2007 ein Augenöffner, aber auch atmosphärisch und inhaltlich überraschte der Blockbuster damit, erfolgreich aus Hasbro-Spielfiguren einen spaßigen Actionkracher zu machen. Spürbar ist der große Einfluss des Produzenten Steven Spielberg auf den Film. Die Geschichte des Teenagers Sam Witwicky (Shia LaBeouf) und seiner Traumfrau Mikaela (Megan Fox), die sich mit dem Autobot Bumblebee anfreunden, erinnerte gar entfernt an dessen Klassiker "E.T. – Der Außerirdische" – nur mit mehr Soldaten und Explosionen versteht sich.
Bad Boys II (2003)
In seinen besten Filmen liefert Michael Bay in effektgeladener Bilderflut ein destilliertes Kino der Geschwindigkeiten. "Bad Boys II" ist in dieser Hinsicht purer Bay: Schon in der ersten Actionszene folgt er mit der Kamera in Ultra-Zeitlupe dem Flug einer Gewehrkugel, die durch Schnapsflaschen, den Hintern einer Hauptfigur und schließlich durch den Hals eines Ku-Klux-Klan-Mitglieds berstet. In diesem turborasanten, nie endenden Actiongewitter überwindet Bay die Erwartungen an Logik und Verstand und dreht so eine Art Blockbuster-Experimentalfilm. Das herkömmliche Erzählen opfert er zugunsten eines hypermodernen Kinos, in dem nur in Action-Impulsen und radikal-exzessiven Stilmitteln gedacht werden darf. Nicht für jedermann, aber ohne jede Frage einer der reinrassigsten Actionfilme aller Zeiten.
Die Insel (2005)
Kaum zu glauben, dass "Die Insel" von Michael Bay ist. Die erste Stunde ist intelligenter und faszinierender Sci-Fi-Pulp. In einer postapokalyptischen Gesellschaft leben die letzten Überlebenden der Menschheit, bis sie durch ein Losverfahren ihre unterirdische Anlage verlassen und auf die Insel gelangen dürfen, dem einzig bewohnbaren Ort in der Außenwelt. Ehe zwei Mitglieder der Gesellschaft (Ewan McGregor und Scarlett Johansson) erfahren, dass sie alle bloß Klone der reichen Elite sind und denen als Organersatzteillager dienen. Wer auf die Insel kommt, wird geschlachtet. Ein gruselig reales Szenario, das in der zweiten Hälfte dann eine 180-Grad-Wanderung zum Action-Megaspektakel macht – und mit einer der besten Verfolgungsjagden des jüngeren Actionkinos aufwartet. Krawall mit Köpfchen!
The Rock – Fels der Entscheidung (1996)
Sean Connery als pensionierter britischer Agent und Nicolas Cage als zappeliger Laborant müssen in das stillgelegte Gefängnis Alcatraz einbrechen, als ein fanatischer Ex-Militär dort Geiseln nimmt und mit einer Giftgasbombe San Francisco bedroht. Das epische Actionfilm-Meisterwerk "The Rock – Fels der Entscheidung", mit überragender Musik von Hans Zimmer, Harry Gregson-Williams und Nick Glennie-Smith, ist fantastisch geschrieben und im Kern eine Kritik am Umgang der US-Regierung mit ihren eigenen Patrioten. Mit fast opernhafter Qualität präsentiert Michael Bay einen Hochspannungsreißer, der exzellent unterhält, ästhetisch herausragend aussieht, verdientermaßen zu einem prägenden Genreklassiker der späten 90er Jahre wurde – und ihm seine lange und erfolgreiche Karriere ermöglichte.