.

Under the Skin: Versteckte Kamera mit Scarlett Johansson

Under the Skin: Versteckte Kamera mit Scarlett Johansson
Universum Film

Scarlett Johansson, Laiendarsteller und versteckte Kameras - der ungewöhnliche Dreh zum Sci-Fi-Experiment "Under the Skin".

Dass eine junge, attraktive Frau mit einem Kleintransporter durch die Gegend gondelt, fremde Männer anspricht und in ihr Auto einlädt, ist ja schon mal ungewöhnlich genug. Dass es sich bei ihr um die Hollywood-Schauspielerin Scarlett Johansson handelt, die hier im schottischen Glasgow ­ahnungslose Passanten von der Straße angelt, und sie dabei von bis zu zehn versteckten ­Kameras gefilmt wird, macht die Sache erst richtig schräg. Ja, wo sind wir denn? Beim Dreh zu "Under the Skin", einem der inhaltlich und formal ungewöhnlichsten Filme der letzten Jahre!

Im hinteren Teil des Vans nämlich hockte damals, im Herbst 2011, neben Kamera- und Tonmann der britische Filmregisseur Jonathan Glazer ("Sexy Beast") und beobachtete das unverfäng­liche Geplauder zwischen dem ungleichen Paar auf zehn kleinen Monitoren. Wobei es ihm nicht darum gehen durfte, das zu tun, was Filmregisseure üblicherweise in dieser Posi­tion tun: das Schauspiel zu lenken, zu beeinflussen, zu stoppen. Es ging Glazer um die ­authentische Momentaufnahme, wenn sich zwei Fremde begegnen, beschnuppern, be­obachten... Erst nachdem die Aufnahmen - manchmal liefen einzelne Impro-Sessions bis zu 30 Minuten - abgeschlossen waren, gaben sich die Filmemacher zu erkennen und fragten die Laiendarsteller um Erlaubnis, ihren Auftritt später im Film zu verwenden. "Ich wollte unverfälschte Reaktionen, irritierende Momen­te, Befremdlichkeiten", erklärt Glazer seine Entscheidung zur versteckten Kamera.

Auch für die Schauspielerin eine besondere Erfahrung: "Ich war total verunsichert", erinnert sich Scarlett Johansson. Sie spielt in dem auf Michel Fabers Roman "Die Weltenwanderin" basierenden Film einen Alien, der in den Frauenkörper schlüpft, um Männer ­anzulocken und später, in einem Meer aus schwarzer Materie, das Innere seiner Opfer aus der Haut zu lösen. "Der Blick des Aliens auf das Fremde, Unplanbare sollte der Blick der Kamera sein", sagt Glazer. Auch andere Szenen, auf der Straße, in einem Einkaufszentrum oder einem Nachtclub, wurden auf diese Weise gedreht. Im Club beispielsweise steckten die nur circa fünf Zentimeter ­großen Kamerawürfel in den Wänden oder Lautsprechern. Eine Kamera trug der für die Visual Effects zuständige Tom Debenham verborgen in einer Plattentasche, die er als normaler Clubgänger "verkleidet" auf der Tanzfläche umhängen hatte. "Wir hatten den VIP-Bereich in Beschlag genommen", sagt Jonathan Glazer. "Dort standen unsere Kontroll­monitore. Um Scarlett Regieanweisungen zu geben, musste sie immer zu uns kommen, damit die übrigen Gäste nichts mit­bekamen. Was man im ­fertigen Film sieht, ist alles wirklich so ­passiert. Wie in einem Dokumentarfilm."
Nur durch Petotion in deutsche Kinos
Auch die effektvoll verstörenden Szenen, in denen das Alien seine Opfer in eine schwarze Masse lockt, sollten so naturalistisch wie irgend möglich gefilmt werden. "Jonathan wollte das alles direkt aufnehmen, ohne dass wir wie sonst üblich Bildinhalte später am Computer hinzufügen", erklärt Production-Designer Chris Oddy. So ließ er einen ungefähr zwölf Quadrat­meter großen Bühnenboden aus schwarzem Glas anfertigen. Darunter befand sich ein Becken mit zäher schwarzer Flüssigkeit, in die eine mechanische schwarze Plattform abgesenkt werden konnte. Somit entsteht der frappierende Effekt, dass Scarlett Johansson auf der schwarzen Ebene läuft, während die Männer im Nichts verschwinden.

Um den Hollywood-Star von seinem ungewöhnlichen Projekt zu überzeugen, flog Glazer Monate vorm Dreh nach New York. "Einen Tag lang erklärte ich ihr alle Details; die versteckten Kameras, das Improvisieren mit Fremden, die Autofahrten durch Schottland, die Nacktheit, die Gewalt... und sie hat nicht einmal gezuckt oder gehadert. Es gab nur eine Bedingung: Die ganze Zeit war ihr Bodyguard in der Nähe, um bei Gefahr einzugreifen. Dazu kam es aber nie."

In Deutschland schaffte es das Werk, dass sich innerhalb kürzester Zeit weltweiten Kultstatus erarbeitete, gar nicht regulär in die Kinos. Erst eine Facebook-Petition brachte zwanzig Kinos dazu, "Under the Skin" doch noch auf die große Leinwand zu bringen.

Autor: Heiko Schneider

Under the Skin
Mi 16.8. Arte, 22.10 Uhr