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TV-Schuldrama

Sklaven und Herren

Der Fernsehfilm "Sklaven und Herren" zeigt eine deutsche Schule als eine Art Vorhölle. Realistisch? Leider ja, meinen Franz Dinda und Fabian Busch.

Foto: HR/Benjamin Knabe, Sklaven und Herren
Yogi (Franz Dinda) und Tina (Paula Schramm).
ARD, Mi., 12.11.2008, 20.15 Uhr
Größere Schüler quälen und erniedrigen jüngere, zeichnen ihre Taten mit dem Handy auf. Fortan werden die Opfer mit diesen Filmchen dazu erpresst, Straftaten zu begehen. Das ist das Thema des mutigen Fernsehspiels "Sklaven und Herren", das das Erste im Rahmen der "Film-Mittwoch"-Reihe zeigt.

Düstere Zukunftsvision? Pure Übertreibung? "Realität", sagt Roman- und Drehbuch-Autor Klaus-Peter Wolf ( Interview), der seine Informationen auf ausgedehnten Lesereisen von den Betroffenen selbst erhielt - von gepeinigten Schülern. Tatsächlich wirkt das ruhig und sachlich erzählte Regiedebüt von Stefan Kornatz verstörend authentisch.

Interview "Sklaven und Herren" Buchautor Klaus-Peter Wolf: "Sie haben mir Filme auf ihren Handys gezeigt"

Franz Dinda spielt darin den dekadenten, amoralischen Schul-Dandy Yogi. Vertrauenslehrer Schäfer (Fabian Busch) versucht, seine Macht zu brechen. TV SPIELFILM sprach mit den beiden Hauptdarstellern über Sadismus, Wertewandel ... und Liebesgedichte.

Herr Busch, Herr Dinda, Sie haben einen beeindruckenden Film gemacht. Beeindruckend, aber auch unangenehm.

Franz Dinda: Das ist doch schon mal ein prima Statement. Es war unser Ziel, einen Film zu machen, der berührt. In welcher Richtung auch immer. Nichts ist schlimmer, als wenn das Publikum komplett mit einem Film übereinstimmt - und ihn dann sofort vergisst.

Sklaven und Herren - ARD, Mi., 12.11.2008, 20.15 Uhr: Hier vormerken!

Bilder Sklaven und Herren

Stärkere Schüler versklaven schwächere. Die dürfen bei Strafe niemandem etwas davon erzählen. Halten Sie den Film für realistisch?

Fabian Busch: Leider Gottes ja. Ich musste ganz schön schlucken, als ich das Drehbuch zum ersten Mal las. Ich habe auch ein Kind. Das kommt in zwei Jahren zur Schule. Ich war ehrlich schockiert darüber, wie weit die Zustände anscheinend schon eskaliert sind.

Sklaven und Herren - ein Kammerspiel über Sadismus?

Franz Dinda: Nein, ein Film über Wertewandel. Über den Zustand der Gemeinschaft. In den Schulen ist Gewalt allgegenwärtig. Alle schauen zu, alle würden gern etwas daran ändern, schaffen es aber nicht, sich ihr als gemeinschaftlicher Block entgegenzustellen. Letztlich ist der Film ein Appell, er drückt eine Sehnsucht nach funktionierender Gemeinschaft aus.

Fabian Busch: Bestimmte Werte werden heute nicht mehr so stark vermittelt wie früher. Zum Beispiel Respekt vor Älteren. Ich hatte als Kind immer Respekt vor Erwachsenen, egal wie doof ich sie fand.

Kann tatsächlich ein Einzelner eine ganze Gruppe vergiften?

Fabian Busch: Klar, es war doch schon oft in der Geschichte so, dass ein charismatischer, populistischer Mensch eine Gruppe von Menschen um sich scharen konnte, die dann die Drecksarbeit für ihn gemacht hat.

Franz Dinda: Alle Systeme, die hierarchisch aufgebaut sind, haben eben auch eine Spitze. Es ist nicht die Frage, ob das stimmt, was die charismatische Person sagt, die dort steht. Es reicht, dass jemand eine klare Ansage macht und die Verantwortung übernimmt.

Fabian Busch: Aber trotzdem sind Hierarchien wichtig. Es ist nur problematisch, wenn die falschen Leute an der Spitze stehen.

Herr Dinda, Sie spielen den fiesen Unterdrücker sehr überzeugend. Keine Angst, dass Ihnen so ein Image länger anhängt?

Franz Dinda: Doch, aber ich fand die Figur einfach zu spannend. Yogi ist die ganze Zeit nett und charmant. Man sieht ihn nie jemanden unterdrücken. Der schubst höchstens mal jemanden ... Eigentlich habe ich keine Angst, dass die Leute Tomaten nach mir werfen, wenn sie mich auf der Straße sehen.

Vielleicht wollen sie sich ja gern von Ihnen auspeitschen lassen. Yogi ist auch charismatisch ...

Franz Dinda: (lacht) Die gehen eher zur Seite, weil sie Angst haben, dass ich mit den Jungs vorbeikomme, um Spielchen zu spielen ...

Klingt, als wären Sie beim Drehen auf den Geschmack am Quälen gekommen ...

Franz Dinda: Nein. Ich bin Pfarrerssohn. Ich bin durch meine Erziehung gefestigt. Da stimmen die moralischen Grenzen, denke ich. Natürlich hat das seinen Reiz, so etwas zu erspüren. Der Vorteil bei einem Film ist ja, dass man gefahrlos experimentieren kann.

Fabian Busch, Sie sind auch als Regisseur tätig. Franz Dinda hat bei "Teenage Angst" nicht nur als Hauptdarsteller mitgewirkt, sondern auch als Co-Produzent. Ist die Schauspielerei allein zu langweilig?

Fabian Busch: Nein, aber ich habe schon die Sehnsucht, die eigene Vision genau so umzusetzen, wie ich es mir vorstelle. Selbst wenn ein Film ausdrücklich als Gruppenarbeit konzipiert ist wie manche Low-Budget-Projekte, setzt man doch letztlich die Vision eines anderen um.

Welche Themen sind im deutschen TV unterrepräsentiert?

Fabian Busch: Ich würde gern eine größere Genre-Vielfalt im Fernsehen haben. Es gibt für meinen Geschmack viel zu wenig Psychothriller oder Horrorfilme.

Franz Dinda: Anspruchsvolle Liebesfilme gibt es nur ein-, zweimal im Jahr. Liebesthemen im Fernsehen sind entweder Soap oder Rosamunde Pilcher. Aber glaubhafte Liebesgeschichten, die Höhen und Tiefen erzählen, sind ganz selten.

Apropos Liebe: Gibt es den Liebesgedichtband eigentlich wirklich, den Sie schon so lange ankündigen?

Franz Dinda: (lacht) Ja, den gibt es wirklich. Ich habe nun fast alle Künstler zusammen, die die verschiedenen Gedichte illustrieren, suche aber immer noch den richtigen Verlag. Ich habe den Produktionsaufwand etwas unterschätzt, aber gut Ding will eben Weile haben.

Frank Aures