Obwohl sie weiterhin als "UEFA EURO 2020" betitelt wurde, startete die gemeinte Fußball-Europameisterschaft erst im Jahr 2021. Deutschland schaffte es hierbei nur ins Achtelfinale, nach einem 2:0 gegen England war Schluss. Die deutsch-englische Feindschaft ist im Profifußball berühmt-berüchtigt – nicht erst seit dem vieldiskutierten Wembley-Tor. Fast kurios wirkt da heute die Lebensgeschichte von Bert Trautmann – einem deutschen Torwart, zu seiner Zeit einer der besten weltweit, der in England zum gefeierten sportlichen Helden wurde.
An diese Geschichte erinnert der Film "Trautmann", in dem David Kroos den Fußballer verkörpert. Bei der Fachkritik war dieser Film durchaus umstritten: Als packendes Schuld-und-Sühne-Drama bezeichneten ihn die einen, die anderen schimpften, er sei eine kitschige Schmonzette. Vor allem aber ist "Trautmann" eine Erinnerung an einen großen Fußballer, der insbesondere durch eine schwere Verletzung weltberühmt wurde.
Der reale Bert Trautmann: Ein Kriegsgefangener wird Torwart
Als kleiner Junge interessierte sich Bert Trautmann schon für Fußball. Mit acht Jahren trat er 1931 dem Verein TuRa Bremen bei, spielte damals aber noch im linken Mittelfeld. Als 1933 der Nationalsozialismus in Deutschland zur herrschenden politischen Kraft wurde, trat er dem Jungvolk der Hitlerjugend bei, und erwarb dort in mehreren sportlichen Wettkämpfen das Reichssportabzeichen. Als ehemaliges Mitglied der Hitlerjugend diente er später im Zweiten Weltkrieg freiwillig als Fallschirmjäger bei der Luftwaffe. Drei Jahre lang kämpfte er an der Ostfront, später wurde er an die Westfront abkommandiert. Kurz vor Kriegsende nahmen ihn britische Truppen gefangen.
Trautmann lehnte es 1948 ab, nach Deutschland zurückzukehren und ließ sich in Lancashire nieder. Da er Talent im Fußball hatte, und schon im Kriegsgefangenenlager als Torwart spielte, schloss er sich einem kleinen Provinzclub an. Sein Talent blieb nicht lange unentdeckt: Es gab Anfragen von den Proficlubs FC Arsenal, Tottenham Hotspur, FC Everton, Manchester United und Manchester City. Bei Manchester City unterschrieb er 1949 schließlich. Die Fans waren davon gar nicht begeistert …
Proteste gegen einen deutschen Torwart
Zwanzigtausend Fans gingen auf die Straße, um den Transfer zu kritisieren. "Raus mit den Deutschen!", riefen sie, auf vielen Plakaten wurde Trautmann als "Traut the Kraut" bezeichnet. Viele Fans waren so erbost, dass sie ihre Dauerkarten für die Spiele von Manchester City zurückgaben und ihr Geld verlangten. In der Mannschaft sorgte der damalige Kapitän Eric Westwood für Entspannung, als er Trautmann mit den Worten "In der Kabine gibt es keinen Krieg" begrüßte. Westwood war selbst Normandie-Veteran.
Ein öffentlicher Presseauftritt wurde organisiert, bei dem die Spieler von Manchester City dem Neuzugang Trautmann auf die Schultern klopften. Als er dann in den ersten Liga-Spielen eine außergewöhnliche Leistung zeigte, konnte er die Fans langsam für sich gewinnen. Seine Paraden in Spielen gegen FC Fulham oder FC Barnsley waren so brillant, dass die Times darüber berichtete und sogar Fans der gegnerischen Mannschaft für Trautmann applaudierten.
FA-Cup-Finale 1956: Das Spiel seiner Karriere
Im Jahr 1956 wurde Bert Trautmann schließlich zum Helden der englischen Fußballnation. Im Finale des FA-Cups im Londoner Wembley-Stadion stand er für Manchester City gegen Birmingham City im Tor. In der 75. Minute kassierte er bei einer Parade einen Kniestoß im Nacken. Da es damals noch keine Auswechslungen gab, spielte er trotz höllischer Schmerzen noch die restliche Viertelstunde zu Ende, und hielt mehrere Torschüsse. Manchester City gewann das Finale mit einem 3:1.
Erstaunlich war seine Leistung, da sich drei Tage später bei einer Röntgenuntersuchung herausstellte, dass Trautmann sich im Spiel einen Genickbruch zugezogen hatte – eine Verletzung, die leicht hätte tödlich enden können. Von nun an musste er für fünf Monate von Kopf bis zu den Hüften in Gips eingehüllt verbringen. Sein Legendenstatus war damit aber für alle Zeiten festgelegt.
Trotz seiner fußballerischen Klasse durfte er allerdings nie für die deutsche Nationalmannschaft spielen, da der damalige Bundestrainer Sepp Herberger niemanden einsetzte, der außerhalb des deutschen Heimatlandes arbeitete und lebte.
"Trautmann"-Film: Ein Leben in 120 Minuten
Der Film "Trautmann" erzählt also von einem Fußballer, der unter besonders widrigen Umständen seinen Traum von der Profi-Karriere lebte. Dabei bietet der Regisseur Marcus H. Rosenmüller auch einen Blick ins Private an: In Trautmanns Beziehung zu seiner ersten Ehefrau Margaret Friar, in sein Leben als Vater dreier Söhne und in den traurigsten Moment seines Lebens, als sein ältester Sohn John wenige Wochen nach dem FA-Cup-Finale 1956 bei einem Autounfall verstirbt. Nur seine NS-Vergangenheit wird im Film teilweise etwas zu sehr beschönigt. Auch wenn es ein wesentlicher Teil des Films ist, kann man der Produktion durchaus vorwerfen, nicht kritisch genug mit der Titelfigur ins Gericht zu gehen.
Bert Trautmann war ein langes Leben vergönnt, 2013 erst starb er im Alter von 89 Jahren an seinem dritten Herzinfarkt. Zum Auftaktspiel der Premier-League-Saison 2013/14 liefen sich daraufhin die Spieler von Manchester City zu Ehren Trautmanns in Torhüter-Trikots mit der Aufschrift "Trautmann 1" warm. Fifa-Präsident Sepp Blatter sagte in einen Nachruf auf Trautmann: "Mit seinem Beitrag zu den deutsch-englischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg war Bert Trautmann ein Paradebeispiel dafür, wie der Fußball die Menschen zusammenbringt und sie ihre Differenzen vergessen."
"Trautmann" läuft am 5. Juli um 20:15 Uhr in der ARD erstmals im deutschen Free-TV.