Dass Jim Jarmusch ein skurriler Kopf ist, lässt sich nicht nur an seinem Haarschnitt erkennen. Seine Episodenfilme "Coffee and Cigarettes" und "Night on Earth" erzählen so eigenartige Geschichten des Lebens, dass man beinahe versucht ist, diese für wahr zu halten. "Broken Flowers", "Limits of Control" – beinahe langweilige Filme bis dann doch etwas Unerwartetes geschieht. Und genau damit spielt Jarmusch auch in seinem neusten Autorenfilm. "The Dead don't die" ist eine Persiflage auf unser "modernes" Leben und Handeln. Und genau hier liegt der eigentliche Grusel des Films. Nicht die Horden an Untoten, die aus ihren Gräbern emporsteigen, sondern die erschreckenden Parallelen zu unserer heutigen Überflussgesellschaft. Immer und überall müssen wir Medien, Lebensmittel und Luxusgüter konsumieren und das entgegen aller Wissenschaftler, die uns davor warnen, dass wir mit unseren derzeitigen Verhaltensgewohnheiten unseren Planeten Erde irreparabel zerstören.

Figuren bei Jarmusch: This Is America

Wenn der Film nicht so (un-)gewollt komisch wäre, würde man eventuell mit einem beklemmenden Gefühl aus dem Kino gehen. Doch dank schauspielerischen Leistungen von z.B. Bill Murray, der in seiner Polizeiuniform einfach nur dastehen muss, um einen zum Lachen zu bringen, kann "The Dead don't die" einen auf eine gelungene Reise durch eine kleine 738-Seelen-Siedlung nehmen. Centerville dient als Paradebeispiel für ein kleines Kaff inmitten der USA: Hier treffen Afroamerikaner auf Rassisten und Zombies auf Polizisten - keiner weiß so recht mit dem anderen umzugehen, aber irgendwie muss man es halt doch. Da haben wir den besserwisserischen Filmkenner und Tankwart, der behauptet, jeden Zombie-Film gesehen zu haben und dann doch kläglich scheitert, weil er nicht an die Hintertür gedacht hat. Die Großstadt-Hipster, die freundlich und sympathisch auftreten. Oder die Leute, die sich bereits damit abgefunden haben, dass das Alles nicht gut ausgehen wird.

Konsumkritik in der Zombie-Apokalypse

Besonders auffällig: Die Resignation der Figuren, die sich durch den ganzen Film zieht. Das Sichfügen in einer unausweichlichen Situation. Keiner weiß so recht, wie zu agieren. Es gibt keine Lösung für das Problem: Im Film kommt es zu einer Umweltkatastrophe, in deren Folge nun die lebenden Toten durch die Straßen wandeln. Verursacht durch Fracking am Nord- und Südpol, hat sich die Erde um wenige Grad von ihrer gewohnten Rotationsachse verschoben. Im Radio und im Fernsehen vernehmen die Einwohner von Centerville, wie Regierungssprecher und Energiefunktionäre stur behaupten, es gäbe zwischen den aktuellen Geschehnissen und den Bohrungen an den Polen keinerlei Zusammenhang.

Bis die Wahrheit nicht mehr ausgeblendet werden kann und man realisiert, dass etwas nicht stimmt. Zombies mit ihren Smartphones in der Hand auf der ewigen Suche nach WLAN, Kaffee und Kabel-TV, wie man sie manchmal auch morgens in Bus und Bahn antrifft und immer wieder dieser Song "The Dead don't die", der sich wie eine permanente Warnung durch den ganzen Film zieht. Solange, bis man ihn wahrhaftig nicht mehr hören kann (zumindest so mancher Protagonist). Immer wieder springt der Film taktlos zwischen Meta-Ebenen hin und her oder durchbricht gar die vierte Wand und spricht direkt zum Zuschauer.

Keine Action, aber hochkarätiger Cast

Jarmuschs Film strotzt vor Understatement und Ironie und ist nicht nur wegen seiner Spitzenbesetzung ein sehenswertes Werk. Denn neben Murray und Hilfssheriff Adam Driver, finden sich auch Steve Buscemi, Tilda Swinton, Danny Glover, RZA, Selena Gomez und Tom Waits inmitten der Zombieapokalypse wieder. Auch Iggy Pop und Titelsong-Sänger Sturgill Simpson finden ihren Platz inmitten der Untoten.

Nein, kaum jemand hat das aktuelle Gefühl der Gesellschaft so atmosphärisch zusammengefasst wie Jarmusch in "The Dead don't die". Wer nach actiongeladenen Zombiehorden à la "Dawn of the Dead" Ausschau hält, ist mit diesem Film leider nicht gut bedient und sollte lieber fern bleiben. "The Dead don't die" ist vielmehr etwas für den schwarzhumorigen Autofahrer, der sich ein bisschen (zu wenig) Sorgen über die Zukunft unserer Welt macht.

Trailer zu "The Dead don't die"