Es gibt Dinge, die einen wirklich aus der Bahn werfen können. Zum Beispiel: ­Deine hübsche Collegefreundin mutiert unter dem Einfluss schwarzer Mächte jäh zum mordlüsternen Dämon, der in dir ­lediglich eine Portion Tartar auf zwei Beinen sieht. Das hat zwar auch was Komisches, aber Lachen hilft ja jetzt nicht weiter. Was eher hilft, ist ein rostiger Haken, eine voll getankte Kettensäge. Oder die gute alte Axt...

Der billigst gedrehte Splatterklassiker "Tanz der Teufel" ist genau das, wonach sensationsgeile (männliche) Teenager seit jeher lechzen. Ein Blutfest mit Humor. Vor mehr als 30 Jahren richtete der damals gerade mal 20-jährige Debütant Sam Raimi ("Spider-Man") seine ganze Kreativität nicht nur, aber auch auf explizit bestialische Tötungen bedroh­licher Kreaturen, sein Schauer­schlock verletzte Tabugrenzen.

Horrorfilm: Gewalt galore, zu goutieren ab 16

Anfang März 1984 tanzten Raimis Teufel noch unzensiert auf Deutschlands Leinwänden. 160 000 Kinogänger ab 18 Jahren erfreuten sich des bizarren Bads im Kunstblut. In den damals boomenden Videotheken war das Werk unterm Ladentisch erhältlich.

Kurz darauf aber war Schluss mit lustig. Die krasse Mär landete auf dem Index gewaltverherrlichender Filme. Und mochte Horrorpapst Stephen King auch noch so wortreich gegen teutonische Engstirnigkeit stänkern - da blieb sie auch bis anno 2016 (!). Weshalb Sam Raimis enthusiastischer Gewaltspaß über die Jahre zum "Synonym für die Zensurwut des deutschen Staats" wurde (schnitt­berichte.com).

Das behördliche Verbot konnte die Verbreitung des Films natürlich nicht stoppen. Miserable Raubkopien der verschiedenen Schnitt­fassungen mehrten nur seinen bald legendären Ruf. 2017 erwirkte Sony ­eine Neubewertung durch die FSK, die sogar der ungeschnittenen DVD-Version das 16er-Label anpappte. Und nun zeigt Tele 5 den Kultfilm uncut ab 22.35 Uhr. Was zur Hölle hat sich in Deutschland seitdem verändert? Darauf gibt es mehrere Antworten.

Tanz der Teufel: Damals ein Schock, heute ein Schlock

Antwort 1: Die Grenzen des gesellschaftlich Akzeptierten sind inzwischen weit verschoben. "The Walking Dead" ist heute Mainstream. Wir distanzieren uns eher von ausbeuterischer Gewalt in Filmen wie "Saw" oder von Ekelgenres wie Torture Porn. Wir schaudern vor Enthauptungsclips zurück, mit denen zynische Islamisten Jugendliche in sozialen Netzwerken kobern.

Dagegen wirkt das fantastische Entsetzen von "Tanz der Teufel" wie ein gelungener Schülerstreich.

Antwort 2: Die juristische Argumentation wurde immer fragwürdiger. Schon 1992 urteilte das Bundesverfassungs­gericht anlässlich einer Klage des Verleihs sinngemäß, dass sich die Gewalt des Films gegen menschenähnliche Wesen, nicht gegen reale Menschen richte; ein Verbot sei unverhältnismäßig. In der Folge wurde zwar das Gesetz verschärft (auch Zombies haben Menschenrechte!), aber das Konsumverhalten hatte sich da schon verändert, siehe oben.

Antwort 3: Die Dauerdiskussion um die Auswirkungen medialer Gewaltdarstellung bleibt auch nach zig Forschungsarbeiten ungeklärt. Derzeit überwiegt ­folgende Meinung: Die Darstellung des Bösen kann nicht ursächlich für Gewalt im Alltag verantwortlich gemacht werden; sie kann aber problema­tische Lebenseinstellungen verstärken. Sprich: Nur gefestigte Charaktere verkraften krassen Horror. Diesen Charaktertest können Sie jetzt selbst machen - schicken Sie aber vorher die Kinder ins Bett.

Kurswechsel: Die BPjM rudert zurück

Ende Juni 2017 verzeichnete die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien noch 1931 indizierte Filme. Allerdings wurden inzwischen auch viele prominente Werke von der Giftliste gestrichen:
  • "Hellraiser": Der ungeschnittene Fanklassiker erhielt sogar FSK 16, die Teile 2 und 3 wurden als FSK 18 eingestuft.

  • der bis dahin beschlagnahmte "Blutgericht in Texas" wurde schon vor fünf Jahren rehabilitiert. Ende 2016 wurde der Verbotsbeschluss und die Indizierung auch für den Nachfolger "The Texas Chainsaw Massacre 2" aufgehoben.

  • Im Juni wurde die Uncut-Version von "From Dusk Till Dawn" vom Index gestrichen. Wie bei allen Beispielen heißt das, dass er somit erstmals ungeschnitten im TV gezeigt werden darf!