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"Soul" bei Disney+ ist der beste Film zu Weihnachten 2020

Soul ist ab dem 25.12.2020 bei Disney+ zu streamen.
"Soul" ist ab dem 25.12.2020 bei Disney+ zu streamen. Verleih, Montage: TV SPIELFILM

Pünktlich zum Weihnachtsfest 2020 bringt Disney ein brandneues Werk der Pixar Animation Studios heraus. Ursprünglich fürs Kino geplant, erscheint "Soul" nun direkt beim Streamingdienst Disney+. In meiner persönlichen Kritik sage ich dir, ob sich ein Reinschauen lohnt.

Der folgende Text gibt die persönliche Meinung eines Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.

Nur ein Funke. Manchmal gebraucht es nur einer winzig kleinen und rasch wieder versiegenden Hitzequelle, um ein lang anhaltendes Feuer zu entfachen, das das Leben lebenswert macht. Um für eine Leidenschaft wirklich brennen zu können oder einen Sinn im Sein zu sehen.

Vielen scheint dieses gewisse Leuchten direkt in die Wiege gelegt zu werden, während andere ewig danach suchen. Ein Unterfangen, das gerade jetzt, im Corona-Jahr 2020 und in Zeiten der zweiten Welle und des Lockdowns, ganz besonders schwerfällt, während zugleich bei vielen aufgrund der Umstände nur eine kleine Sparflamme lodern muss. Doch wer neue Energie braucht oder dieses Etwas noch gar nicht in sich verspürt, der suchet und findet ab dem 25. Dezember bei Disney+ in Pixars neuem Film "Soul" eine dringend benötigte Wärmflasche fürs Herz in diesen kalten und dunklen Wintermonaten, einen Anlass zum Zusammenrücken vertrauter Seelen, eine Ode ans Leben und an all die schönen Dinge darin - ja, einen Funken.

"Soul" bei Disney+: Inspiration Nahtod

Einen Funken, an den sich Joe Gardner verzweifelt klammert. Der verdient sich seine Brötchen als Musiklehrer an einer Schule und könnte sich eigentlich nicht beklagen, denn aus seiner Teilzeit- wurde soeben eine Vollzeitstelle. Sicherheit! Krankenversicherung! Eigentlich ein Grund zur Freude. Doch Joe ist leidenschaftlicher Jazzpianist und träumt davon, als echter Musiker Karriere machen zu können. Unverhofft eröffnet sich ihm dann tatsächlich die Chance, mit der berühmten Saxofonistin Dorothea Williams aufzutreten. Von Euphorie berauscht, tänzelt und torkelt Joe davon - geradewegs mit Anlauf in sein Verderben. Einen lebensbedrohlichen Unfall erleidet er, einen ziemlich dummen (und für den Zuschauer witzigen) noch dazu.

Doch Joes Seele will vom Jenseits nichts wissen und unbedingt zurück auf die Erde. So landet er prompt nicht im Leben nach dem Tod, sondern im "Great Before", also dem "Großen Davor" (uns lag nur die englische Sprachfassung vor), wo sich all die jungen Seelen tummeln, noch ehe sie zum Leben auf die Erde geschickt werden. Dort trifft Joe auf Seele Nummer 22, bei der alle schon lange darauf warten, dass sie endlich ihren Funken fürs Leben findet - nur dann darf nämlich eine Seele auf die Erde. Joe sieht in ihr die Chance auf eine Rückkehr zu seinem alten Leben. Doch dazu muss das von Nummer 22 erst beginnen. Die chaotische Suche nach einem Sinn geht los ...

Und diese ist selbstverständlich, und darauf kann man sich bei Pixar stets verlassen, ein audiovisueller Hochgenuss. Für die Optik des Werkes haben sich die Filmemacher Peter Docter (das Genie hinter "Die Monster AG", "Oben" oder "Alles steht Kopf") und Kemp Powers (zuvor Drehbuchautor bei "Star Trek: Discovery") sowie ihr Team an Animationskünstlern unter anderem von schwedischen Skulpturen und Berichten von Nahtoderfahrungen inspirieren lassen, wie sie TVSPIELFILM.de im Gespräch verrieten. Der visuelle Einfallsreichtum ist jedenfalls beachtlich und kommt ganz besonders in allen außerweltlichen Szenen voll zum Tragen. Auf die Ohren gibt es derweil einen effektiven Score des oscarprämierten Duos Trent Reznor und Atticus Ross ("The Social Network") und neue Jazz-Kompositionen von Jon Batiste.

Soul: Wunderschön fürs Auge und Herz

Allein aufgrund des zur Schau gestellten Handwerks springen schon die Funken vom heimischen Bildschirm auf einen selbst über, doch es ist letztendlich die emotionale Geschichte, die alles zusammenhält. "Alles steht Kopf" nicht ganz unähnlich wird in "Soul" über verschiedene grundlegende Aspekte der menschlichen Existenz aus einem metaphysischen Blickwinkel reflektiert, wobei völlig entgegengesetzte Konzepte letztendlich eine wunderbare erzählerische Balance ergeben. Denn der Film erzählt deshalb so toll und humorvoll vom Leben und der Sehnsucht danach, weil der ewig währende Tod allgegenwärtig ist; dabei ist das Werk stets wunderschön - der (Nah-)Tod fürs Auge jedoch, das Leben fürs Herz.

Der Raum zwischen den Polen wird gekonnt mit treffsicheren Vignetten über die menschliche Erfahrung gefüllt. Da werden fast schon beiläufig glückselige Rauschzustände durch das sich Verlieren in einer Leidenschaft ebenso visualisiert wird der Absturz in eine ungesunde Obsession. Eine Sequenz am Ende macht in ihrer rührenden aber wahrhaftigen Illustration banal wirkender Alltagsmomente sogar der legendären Ehe-Sequenz aus "Oben" fast schon ein wenig Konkurrenz. Und, so viel sei verraten: Wer nach "Soul" nicht mächtig Appetit auf Pizza hat, dem ist nicht mehr zu helfen.

Soul: Von Meistern und Mentoren

Foto: Verleih, In Pixars "Soul" geht es wieder metaphysisch und einfallsreich zu.

Doch "Soul" handelt nicht nur von der Suche, sondern auch mindestens zu gleichen Teilen auch vom Vermitteln, wenn nicht sogar mehr. So sehr im Film die fantasievollen Ideen und Elemente vor allem ein Licht auf unser Dasein als solches werfen, handelt die zentrale Beziehung zwischen Joe und Nummer 22 im Kern doch vom gegenseitigen Aufzeigen und Lernen neuer Horizonte. Dadurch wird auch die starke Botschaft vermittelt, dass man zum Glück inspirieren und inspiriert werden kann und dass ein jeder über diese wundersame Macht und Verantwortung gegenüber seinen Mitmenschen hat, diese in richtige Bahnen zu schubsen. "Soul" ist damit ein Film über die wechselhafte Dynamik zwischen Meister und Schüler, Mentoren und Zöglinge und ein Plädoyer zum gegenseitigen Ermöglichen und Befähigen. Der Funke im Leben kann schließlich auch von einem Menschen auf den anderen überspringen.

Da möchte man dem Film gerne auch den einen oder anderen Makel verzeihen: Der Körpertausch im zweiten Akt wirkt als Mittel zum Perspektivwechsel und Erkenntnisgewinn der Figuren doch ein wenig zu naheliegend und simpel. Der Sinneswandel von Nummer 22 vollzieht sich gefühlt ein wenig zu schnell und das Ende wirkt wie ein überraschend zahmes Zugeständnis an das junge Zielpublikum und an Familien im Allgemeinen - und leistet sich bei genauerem Nachdenken eigentlich auch einen groben Logikfehler.

Fazit: Pixar präsentiert sich so stark wie eh und je und lässt den "nur guten" vorherigen Beitrag "Onward" glatt vergessen. "Soul" ist ein audiovisuelles Bollwerk an Kreativität und großes, beseeltes, glücklich machendes Kino zum Streamen.