Der nachfolgende Text gibt die persönliche Meinung eines Autors wieder und steht deshalb nicht repräsentativ für TV SPIELFILM.

Mit Meisterwerken wie der "Toy Story"-Reihe, "Oben" oder "Alles steht Kopf" haben sich die kreativen Köpfe bei Pixar als wahre Kinomagier etabliert und sich dadurch einigen Ausnahmen (das "Cars"-Franchise") zum Trotz ein beachtliches Renommee erarbeitet. Die Erwartungshaltung an ein neues Werk des Studios ist also dementsprechend hoch – so auch an "Onward: Keine halben Sachen".

Darin geht es um eine Welt voller Zauber und es wirkt ganz so, als würden Regisseur Dan Scanlon und sein Team buchstäblich unter Beweis stellen wollen, dass man noch immer das Zeug zu echter Magie auf der Leinwand hat. Doch der erzählerische Ausgangspunkt in "Onward" ist der, dass all die darin vorkommenden Fantasiegestalten ihren Bezug zur Zauberei verloren und diese regelrecht vergessen haben. Stattdessen ruht man sich auf der Bequemlichkeit diverser Technologien aus. Ein Stück weit möchte man da glatt den Bezug nicht nur zur Menschheit herstellen, sondern auch zu Pixar selbst: Der neueste Wurf ist nämlich eine solch routinierte, souveräne Fingerübung in Sachen unkomplizierter und technisch makelloser Unterhaltung, dass vor lauter Elfen, Drachen und Feen die Kinomagie tatsächlich ein wenig abhandenkommt.

"Onward: Keine halben Sachen": Darum geht es

Vor Jahren ist der Vater der Gebrüder Ian und Barley an einer Krankheit verstorben, weshalb Ian ihn nie wirklich kennenlernen konnte. Doch zu seinem 16. Geburtstag erhalten die zwei Jungs einen alten Zauberstab ihres alten Herren mitsamt einer Anleitung, wie sie ihn für einen Tag zurückholen können. Der Zauberspruch aber funktioniert wortwörtlich nur zur Hälfte und so wird nur der Unterleib ihres Papas wieder zum Leben erweckt. Für Ian und Barley steht jetzt die Mission ihres Lebens an: Sie haben nur 24 Stunden Zeit, den Zauber zu vervollständigen und ihren Vater wiederzusehen …

Auf zur Meta-Schatzsuche

Pixars Ansehen rührt nicht nur daher, dass sie in der Vergangenheit jede Menge vorzügliche Filme produziert haben, die dramaturgisch, technisch und emotional formidabel ausgeführt wurden. Auch mit einem überbordenden Ideenreichtum hob man sich oft von der Konkurrenz ab: Ganz gleich, ob es übergeordnete konzeptionelle Einfälle waren wie bei "Alles steht Kopf" oder einfach nur besonders gelungene Gags – Pixarfilme umweht stets die Aura des Frischen, Kreativen und Neuen. In "Onward" gelingt das aber nur teilweise.

Während manche Witze perfekt zünden, wirkt die Rahmung des übergeordneten Abenteuertrips von Ian und Barley als Mission und Schatzsuche nach Vorbild von Karten- und Rollenspielen wie ein viel zu naheliegender und damit wenig kreativer Erzählkniff mit pseudocleverer Metaebene. Da stellt sich im Anbetracht der gegenwärtigen Popkultur und der Beliebtheit von Formaten wie "The Big Bang Theory" oder Comic-Cons schon die Frage, ob man überhaupt noch Fantasy losgelöst von ihrer nerdigen Rezeption darstellen und wahrnehmen kann. Selbst eine deutsche Mainstreamkomödie wie "Nightlife" mit Elyas M'Barek, die sich ansonsten überhaupt nicht dafür interessiert, verbrät diesen Zusammenhang für tumben, nicht mehr zeitgemäßen Klamauk. In "Onward" ist dieser Aspekt aber allgegenwärtiges Handlungskonstrukt, aber immerhin niveauvoller und unterhaltsamer in Szene gesetzt als zum Beispiel im Film von Simon Verhoeven.

Das Potenzial nicht ausgeschöpft

Ansonsten ist alles wie gehabt und erwartet: Der Plot schreitet in einem angenehm flotten Tempo voran und bietet ausreichend Verschnaufpausen für kurze Charaktermomente, die emotionale Zuspitzung zum Ende hin verfehlt ihre Wirkung nicht wirklich, hatte aber Potenzial für mehr. Die Motivation von Ian und Barley könnte einfach noch mehr Gewicht haben als es letztendlich der Fall ist: Sicher vermissen sie ihren Vater, weil man das eben tut, wenn er nicht mehr am Leben ist. Mehr als die Behauptung gibt es jedoch nicht, doch ein echtes Gefühl für die wahre Größe der durch seinen Tod hinterlassenen Lücke bekommt man als Zuschauer nicht geliefert. Pixar selbst hat das schon viel besser bei "Oben" in der legendären Sequenz gemacht, in der die Ehe von Carl und seiner Frau gezeigt wird. In nur wenigen Minuten wird deutlich, woran Carl zu knabbern hat und wie wichtig ihm alles wirklich ist. Im Vergleich dazu wirkt der emotionale Kern bei "Onward" ein wenig so, als hinge er an den vielen Luftballons aus "Oben".

Was bleibt ist auch ein gewisses Gefühl von Vertrautheit. Alles verläuft gekonnt und niemals langweilig in bekannten erzählerischen Bahnen ab, aus der Vielzahl an möglichen Figuren und Zaubern wird zumeist nur die sichere und wenig überraschende Route zum Voranschreiten gewählt. Im Vergleich zur internen Konkurrenz ist der Film schlichtweg eine Spur weniger innovativ, mutig, ergreifend – gut.

Fazit: "Onward: Keine halben Sachen" ist ein durch und durch spaßiger Animationsfilm, der nur ein Problem hat – Pixar hat einfach schon zu oft viel bessere Filme gemacht.