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Die analoge Filmprojektion ist so gut wie tot und wird heute als Wunschtraumerfüllung für Filmliebhaber verkauft, Jahr für Jahr werden die Prognosen für die großen Leinwände dieser Welt immer pessimistischer und inhaltlich ist ohnehin nur noch relevant, was sich mit einer Ziffer im Titel als Teil eines Franchises ausweisen kann, während Netflix und Co. das Publikum mit der Bequemlichkeit der omnipräsenten Verfügbarkeit verführen. Wie schön war es damals, als durch die Projektoren noch echtes Filmmaterial ratterte und Stars allein den Kauf des Tickets rechtfertigten. Doch die Zeiten sind vorbei und es gibt nur noch wenig, was an alte Glanzzeiten erinnert und nur wenige, die daran erinnern. Wie zum Beispiel Quentin Tarantino, der das Kino braucht wie das Kino ihn.

Seit "Reservoir Dogs" von 1992 ist der Amerikaner eine fixe Größe in der Traumfabrik, den mehr denn je ein Kult umgibt und der dafür sorgt, dass er stets der wahre Superstar seiner Filme ist - ganz gleich wer dafür vor der Kamera stand. Seine Liebe für Film und Kino ist nicht zu übersehen, denn darauf baut seit jeher seine Ästhetik auf: Clevere wie zahlreiche Zitate finden sich in seinen Werken, seien sie handwerklich-formaler oder auch inhaltlicher Natur. Ein Tarantino ist wie ein guter HipHop-Song – ein frisch erschaffenes Kunstwerk auf Basis von nostalgischen Samples, die er gekonnt mit einer eigenen Vision zusammensetzt und denen er mitunter in ihrer finalen Form, so zum Beispiel bei "The Hateful 8", eine edle 70mm-Projektion in ausgewählten (aber ehrlicherweise eher technisch überhaupt dazu fähigen) Kinos spendiert. Das Lichtspielhaus zelebriert er gerne, entweder so oder auch schick in Szene gesetzt wie in "Inglourious Basterds", wo das Filmtheater im Zentrum des großen Showdowns steht.

Das Verhältnis zwischen dem Regisseur und der Vorführstätte seines Vertrauens wirkt geradezu symbiotisch – nur dort kommen seine Filme voll zur Geltung, das stellt er auch selbst sicher, und die Leinwände dieser Welt bieten ihm den im doppelten Wortsinn passenden Rahmen, während seine Fans schon lange wissen, dass es nur so und nicht anders geht und deshalb brav in die Säle strömen. Dass Tarantino eines Tages vom Zitieren zur direkten Erzählung über das Filmemachen selbst wechselt, erscheint da wie der nächste logische Schritt, den er nun mit "Once Upon A Time…In Hollywood" gegangen ist.

Neuer Tarantino: Karrierekrise im Jahr 1969

In "Once Upon A Time…In Hollywood" geht es also um diesen sagenumwobenen Ort und die Menschen, die ihn bevölkern, angezogen von auf Zelluloid gebannten Träumen und stets auf dem Weg, den eigenen zu verwirklichen. Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ist so einer, sein Stuntman und Kumpel Cliff Booth (Brad Pitt) ebenso. Gemeinsam feierten sie einst große Erfolge im Fernsehen mit Western, doch das Glück scheint ihnen abhandengekommen zu sein. Die Alternative lautet Italien, doch Dalton zögert und will sein Schicksal nicht ganz akzeptieren. Während Cliff eines Tages die falsche Tramperin mitnimmt, will es der einstige Held mit dem Dreh eines Serienpiloten noch einmal wissen. Er hofft, doch noch der Schublade des Fieslings zu entsteigen, in die er gepresst wird. Es ist das Jahr 1969 und neben Dalton wohnen, nicht ganz unwichtig, die Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie) und der Regisseur Roman Polanski (Rafal Zawierucha).

Echte Hingucker: Leo, Brad und die Inszenierung

Röchelnd, rauchend und rotzend, sogar manchmal stotternd stapft besonders in der ersten Hälfte DiCaprio durch seine Szenen, als wäre er direkt vom Set von "The Revenant" ans nächste gestolpert. Der Megastar ist ein Event auf zwei Beinen und liefert als abgehalfterter Schauspieler einmal mehr eine formidable Darbietung zwischen herrlicher Tragikomik und der echten Verzweiflung des gekränkten, weil erfolglosen Talents. Ganz anders Pitt: Sein Cliff Booth ist ein selbstsicherer Mann, der gerne die Fäuste für sich sprechen lässt. Doch obwohl er immer kurz vorm Ausbruch steht, weiß er das unter einer Extraportion Coolness zu kaschieren – Brad Pitts Coolness wohlgemerkt, denn selten war jemand so mühelos lässig und doch für sich einnehmend wie er. Die Armada an prominenten Nebendarstellern, die mitunter nur kurz durchs Bild huschen, verkommt neben den beiden Hauptdarstellern beinahe zum selbstzweckhaften Gesichterraten für aufmerksame Filmfreunde.

Die bekommen wieder einmal eine ganze Menge geboten von Tarantino, denn selbstverständlich gibt es zahlreiche Querverweise auf die Popkultur und Filmwelt der abgebildeten Zeit. Doch wo sich die Einflüsse sonst in den Dienst seiner eigenen Ideen stellen und mit ihnen verschmelzen, verkommen sie durch seinen Blick in "Once Upon A Time…In Hollywood" zur reinen Nostalgie-Romantik. Da dürfen natürlich nicht die analogen Spielsachen von damals fehlen, wie Plattenspieler oder portable Tonbandgeräte. Augenzwinkernde, nachgestellte Interviews und Werbespots in schwarz-weiß gibt es auch und zu einem wie immer erlesenen Soundtrack wird viel durch ein beeindruckend zum Leben erwecktes Los Angeles von damals gefahren. Das ist alles schön und gut, wie bereits angeklungen phänomenal gespielt und wirklich toll inszeniert – sein Handwerk beherrscht Tarantino ohne jeden Zweifel. Langsame wie lange Kamerafahrten enthüllen Stück für Stück die Szenerie und nur unter der Führung eines Meisters wie ihm kann sich eine so banale Tätigkeit wie die Fütterung eines Hundes durch gewitzten Schnitt zu einem unterhaltsamen Dialog entwickeln. Beizeiten gibt es auch grandiose Szenen und Sequenzen: Das Gespräch zwischen DiCaprios Dalton und der kleinen, von Julia Butters gespielten Trudi wirkt zunächst herrlich komisch und offenbart doch rührende Seiten in beiden von ihnen. Cliffs Ausflug zu einer alten Westernkulisse wiederum ist eine Glanzleistung in punkto Spannungsaufbau.

Redundant in Tarantinos Schaffen

Trotzdem stellt sich die Frage, was das alles soll. In Zeiten von 80er- und 90er-Nostalgiehysterie, die durch Filme und Serien wie "Mid90s" oder "Stranger Things" befeuert wird, mutet Tarantinos neuester Streich überraschend risikofrei an; man könnte sicher genau diesen Umstand als größte Überraschung auslegen. Doch so sehr die Liebe für das Filmemachen aus jeder Pore von "Once Upon A Time" auch triefen mag, das Gefühl will nicht verschwinden, dass das auch schon alles ist im Großen und Ganzen. Doch Hollywood war schon unzählige Male Gegenstand von Kinofilmen – mal lustig, musikalisch, satirisch, kritisch. Und was Tarantino einzig dazu beizutragen hat, ist sein guter Name, so scheint es.

In der Light-Version übrigens: Die Zitate von früher waren stets Gegenstand einer eigenständigen, mitunter blutigen Geschichte, darüber drückte der olle Quentin ja seine Filmliebe unter anderem aus. Nun also ein Film übers Filmen und sonst kaum etwas außer gewohnt coolen Typen und Gastauftritten von Stammschauspielern des Machers wie Michael Madsen oder Zoe Bell. "Once Upon A Time" drückt aus, was Tarantino schon immer ausgedrückt hat, erzählt aber keine wirklich spannende, da recht ereignislose Geschichte und wirkt daher redundant in seinem hochwertigen Œuvre. Mittendrin spaziert und tanzt Margot Robbie dann noch durch die Gegend als wandelnde falsche Fährte und auch wenn zumindest das Finale nach zweieinhalb Stunden den Blutdruck ein wenig erhöht, so stellt dies nur einen müden letzten Versuch dar, das Publikum doch noch zu überraschen – ob das überhaupt wirklich gelingt oder ob der Effekt verpufft, weil Sharon Tate vielleicht doch nicht so geläufig ist beim großen Publikum, ist durchaus möglich.

Fazit: Komisch, toll gespielt und handwerklich wie immer versiert - und trotzdem ist "Once Upon A Time...In Hollywood" nicht viel mehr als ein Playback von Quentin Tarantino. Unterhaltsam und doch enttäuschend.