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The Other Side of the Wind: Netflix zeigt Orson Welles

The Other Side of the Wind, John Huston, Peter Bogdanovich
Sender

Abenteuerliche Geschichte: Orson Welles' letztes Werk wird 48 Jahre nach Drehbeginn fertig. Auf Netflix ist "The Other Side of the Wind" zu sehen.

Sechs Jahre Drehzeit, gefeuerte Darsteller und Crew, dubiose Finan­ziers, der Schah von Persien, ungeklärte Rechte, gekränkte Egos und ein rachsüch­tiges Genie - die Ent­stehung von "The Other Side of the Wind", dem unvollendeten Opus magnum der "Citizen Kane"-Legende Orson Welles, ist fast spannender als der von Frank Marshall und Filip Jan Rymsza für Net­flix nun komplettierte Film. Der Streamingdienst zeigt auch die Welles-Doku "Sie werden mich lieben, wenn ich tot bin" des Oscar-Preisträgers Morgan Neville ("20 Feet from Stardom").

Drehen, wenn Geld da ist
Schuld an allem war im Grunde Ernest Hemingway, mit dem Welles sich 1937 über eine Doku­mentation zerstreitet. Das bringt ihn auf die Idee zu einer Satire über einen alternden Erfolgsschriftsteller, der seine Kreativität verliert. Er beginnt mit der Arbeit am Drehbuch "The Sacred Beasts". Aus dem Schriftsteller wird über die Jahrzehnte das Comeback eines Hollywood-Regisseurs, der seinen letzten großen Film vollenden will. Für Welles ist der Regisseur und zweifache Oscar-Preisträger John Huston erste Wahl für die Hauptrolle dieses egomanischen Filmemachers J. J. "Jake" Hannaford.

Am 23. August 1970 beginnen die wegen Geldmangels immer wieder unterbrochenen Dreharbeiten. Zum Cast ge­hören Dennis Hopper, Henry Jaglom und Lilli Palmer sowie Welles' Lebensgefährtin Oja Kodar, die mit ihm das Drehbuch schrieb. Ebenfalls dabei: der Regisseur und Filmkritiker ­Peter Bogdanovich ("Die letzte Vorstellung"), der über Welles ein Buch schreibt und sich mit ihm anfreundet. Zeitweise wohnt Welles sogar bei Bog­danovich, überwirft sich aber auch immer wieder mit ihm.

Komplizierte Rechtelage

Auf der Suche nach neuen Finanziers findet der Regisseur eine vom Schwager des Schahs von Persien geführte Firma, mit deren Geld aber ein anderer Partner durchbrennt. 1976 ist der Dreh abgeschlossen, doch alle Versuche, den Film zu vollenden, scheitern. Zu kompliziert ist die Rechtefrage - theoretisch hat sogar Irans Führer Ayatollah Khomeini Ansprüche.

Die Filmdosen lagern jahrzehntelang in Paris, bis ihre ­Besitzer 2011 pleitegehen. Das ist die Chance für Frank Marshall. Der langjährige Steven-Spielberg-Produzent, einst Produktionsleiter bei "The Other Side of the Wind" und als solcher damals fast täglich gefeuert, bringt das Werk zu Ende - 33 Jahre nach dem Tod von ­Orson Welles.