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Interview

Taraji P. Henson und Kevin Costner über "Hidden Figures"

Taraji P. Henson und Kevin Costner über Hidden Figures
Taraji P. Henson und Kevin Costner Imago

Im Oscar-Kandidaten "Hidden Figures" spielen Taraji P. Henson und Kevin Costner Zahlengenies, die an der Mondlandung tüfteln. Dabei sind sie beide mathematisch eher minderbemittelt.

Hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, hieß es in voremanzipierter Zeit. Im Fall der Astronauten der NASA waren es sogar drei. Der Kinofilm Hidden Figures widmet sich diesen stillen Heldinnen. In den frühen 60er-Jahren legten die afroamerikanischen Mathematikerinnen Katherine Johnson, Mary Jackson und Dorothy Vaughan die Grundlage für den amerikanischen Sieg beim Wettlauf ins All. "Empire"-Star Taraji P. Henson verkörpert eins dieser unbekannten Genies. An der Seite von Kevin Costner, der ihren (fiktiven) Chef Al Harrison spielt, wirft sie mit mathematischen Formeln nur so um sich. Dabei hatten weder sie noch Costner besonders viel mit Mathe am Hut. Im Interview erzählen die beiden, wie sie es schaffen, dem Zuschauer Hochbegabung vorzuschwindeln, und warum sie nicht unbedingt davon träumen, ins All zu fliegen.
Kevin, im Gegensatz zu Taraji waren Sie bei der Mondlandung 1969 schon geboren. Wie sind Ihre Erinnerungen daran?

Kevin Costner Danke, dass Sie mich an mein Alter erinnern. (lacht) Ich habe die großen Ereignisse am Fernseher verfolgt. Wir alle hatten Tabletts und haben so das Abendessen vorm TV verbracht. In der dritten Klasse sah ich so, wie Lee Harvey Oswald erschossen wurde. Und ich erinnere mich an die World Series im Baseball. Ich weiß einfach noch alles aus meiner Kindheit.

Was wussten Sie bis zu dem Film über diese Geschichte, Taraji?

Taraji P. Henson Ich hatte keine Ahnung, dass Frauen, schwarze oder weiße, daran beteiligt waren. Als Erstes bin ich wütend geworden, dass diese Tatsache komplett aus der Geschichte gelöscht wurde. Aber ich glaube nicht, dass es absichtlich geschah.

Costner Manchmal verstehen wir die Seiten unserer eigenen Geschichtsschreibung nicht, und das hier war ganz sicher eine versteckte Seite. Ich glaube, die Menschen damals haben einfach nicht erkannt, dass es wichtig war.

Aber ist das nicht auch eine Form von Rassismus und Sexismus?

Henson Absolut! Und genau wie Rassismus heute nicht verschwunden ist, ist auch Sexismus noch am Leben. Es ist traurig, dass Frauen noch immer in ihre Schublade geschoben werden. Aber ich hoffe inständig, dass wir das bald hinter uns haben. Wir selbst sehen vielleicht noch keine Veränderungen, aber wir können alle unseren Teil dazu beitragen, sie anzustoßen.

Costner Es muss jedoch nicht unbedingt bösartig sein. Meine Figur, die auf drei Charakteren beruht, ist sich gar nicht bewusst, was vorgeht. Al Harrison ist sehr zielorientiert, und solche Menschen schauen häufig nicht über den Rand der eigenen Mission hinaus. Als er es endlich realisierte, wurde er wütend. Weniger über die Ungerechtigkeit als über die Tatsache, dass die Rassentrennung mit ein Grund dafür sein könnte, warum wir gegen die Russen ins Hintertreffen geraten sind.
Wie spielt man als Mathe-Null ein Rechengenie?
Sie sagten, es gibt drei Vorbilder für Ihre Rolle. Wie war es, sie zu vereinen?

Costner Ich hatte ein ernstes Gespräch mit unserem Regisseur Ted Melfi. Nachdem ich das Drehbuch gelesen hatte, sagte ich zu ihm, dass ich es nicht verstehe. Die Figur wirkt für mich sehr schizophren. Er wurde ganz ruhig,und ich dachte: oh Mist. (lacht) Und dann gab er zu, dass diese Figur ihm die meisten Probleme bereitet hat, weil sie eine Mixtur aus drei realen Menschen ist. Ich habe ihm gesagt, dass ich die Rolle nicht spielen kann, wenn die Figur nicht stimmig ist. Daraufhin haben wir gemeinsam einen Charakter entwickelt, der den Film tragen kann.

Taraji, bei Ihnen war es leichter. Das reale Vorbild für Ihre Figur, Katherine Johnson, lebt sogar noch...

Henson Sie ist 98 Jahre alt und immer noch sehr scharfsinnig. Ich habe sie in Virginia besucht, und sie wusste ganz genau, wer ich bin. Sie kannte noch sämtliche Details der Geschichte, als wäre sie erst gestern passiert. Und sie weigert sich immer noch, den Ruhm für ihre Leistung anzunehmen. Sie redet stets nur von "wir". Ich fühlte mich in ihrer Gegenwart so unwürdig. Sie ist so ein brillanter Kopf, und ich bin in Mathematik durchgefallen. Natürlich habe ich ihr diesen Teil lieber verschwiegen. (lacht)

Wie steht es um Ihre Mathematikkünste, Kevin?


Costner Ich bin der Meinung, nur Menschen, die von Mathematik besessen sind, sollten tiefer in die Materie eindringen. Für mich sollte man nach den Grundrechenarten und Prozentrechnen aufhören. Wer von uns hat denn jemals wieder eine Doppelgleichung benutzt? Ich hatte nicht die Eignung dafür. Trotzdem wurde ich in der Schule ständig für etwas bewertet, an dem ich kein Interesse hatte. Und das hat wirklich am Selbstbewusstsein gezehrt.

Wie spielt man mit solchen Voraussetzungen ein Mathegenie?

Henson Ich bin zwar nicht in der Lage, die Mathematik zu verstehen, aber ich bin ein sehr analytischer Mensch. Diesen Teil der Rolle kann ich also nachempfinden. Für die Formeln habe ich mich mit einem Mathematiker zusammengesetzt, der mir die wichtigsten Teile erklärt hat. Und ich musste die Fachbegriffe für mich visualisieren, bevor ich sie zum Leben erwecken konnte.

Costner Wenn ich eine Rolle wie Al Harrison spiele und dann vor einer Gleichung stehe, ist meine Schauspieltechnik, den Kopf möglichst hochzunehmen. Und dann versuche ich, meinen Intelligenzquotienten höher erscheinen zu lassen, indem ich möglichst viel nicke. Und wenn eine Frage für mich zu schwierig ist, gebe ich sie an einen Untergebenen weiter und lasse alle wissen, dass die Frage so simpel ist, dass er es be- antwortet. (lacht)

Würden Sie denn mal gern in den Weltraum fliegen?

Henson Ich würde gern. Aber erst dann, wenn sie einen Jet bauen, in dem ich mich entspannt zurücklehnen kann und bei einem Film Wein und Erdnüsse bekomme. Dann bin ich dabei.

Costner Wirklich? Ich bin immer vollkommen schockiert, wenn diese Frage gestellt wird und mindestens die Hälfte im Raum sagt, dass sie gern ins All fliegen möchte. Es gibt so viel, was da oben schiefgehen kann. Ich möchte auf die Turks- und Caicosinseln. Ich möchte am Strand liegen. So etwas klingt verlockend für mich.
Interview: Scott Orlin