Sehr diszipliniert steht Steve Buscemi an einer Ecke der Ruine des Anhalter Bahnhofs in Berlin. Er soll geradeaus blicken und das macht er auch, stoisch geradezu. Ulrich Tukur, sein Filmpartner im Historiendrama "John Rabe", ist da deutlich mehr in Bewegung und bekommt, obwohl größer als Buscemi, noch eine Holzkiste untergeschoben.
Irgendwann bleiben Touristen stehen und fotografieren, wer weiß, vielleicht ist es ja jemand Bedeutendes. Buscemi trägt seinen eigenen Mantel, sein deutscher Kollege hat keinen dabei, doch für einen Leihmantel ist gesorgt, sogar aus dem Kostümfundus, der auch den Film ausstattete. Anhand des Etiketts versucht Tukur herauszufinden, ob es der Mantel ist, den er als John Rabe beim Dreh in China getragen hat.
Die Geschichte des "guten Deutschen"
Rabe war fast dreißig Jahre lang Chef der Siemens-Niederlassung in Nanking. 1937 rettete er gemeinsam mit anderen Ausländern, darunter dem von Buscemi gespielten amerikanischen Arzt Dr. Robert Wilson, rund 250 000 Chinesen vor den tödlichen japanischen Luftangriffen. Die wenig bekannte Geschichte des "guten Deutschen von Nanking" lässt an den ungleich berühmteren Oskar Schindler denken.
Gleich zu Beginn des Interviews klingelt melodisch und dezent das Mobiltelefon von Steve Buscemi. Während er sich erst bei seinen Gesprächspartnern entschuldigt und dann etwas länger spricht, erzählt Tukur von Buscemis Sohn, der laute Punkmusik mache. Tukur sagt "Steve" und mogelt sich damit um die unter Journalisten immer wieder gern gestellte Frage: Wie spricht man den Namen Buscemi eigentlich richtig aus? Wenn es auch den Leser interessiert - am Ende gibt's die Auflösung.
Irgendwann bleiben Touristen stehen und fotografieren, wer weiß, vielleicht ist es ja jemand Bedeutendes. Buscemi trägt seinen eigenen Mantel, sein deutscher Kollege hat keinen dabei, doch für einen Leihmantel ist gesorgt, sogar aus dem Kostümfundus, der auch den Film ausstattete. Anhand des Etiketts versucht Tukur herauszufinden, ob es der Mantel ist, den er als John Rabe beim Dreh in China getragen hat.
Die Geschichte des "guten Deutschen"
Rabe war fast dreißig Jahre lang Chef der Siemens-Niederlassung in Nanking. 1937 rettete er gemeinsam mit anderen Ausländern, darunter dem von Buscemi gespielten amerikanischen Arzt Dr. Robert Wilson, rund 250 000 Chinesen vor den tödlichen japanischen Luftangriffen. Die wenig bekannte Geschichte des "guten Deutschen von Nanking" lässt an den ungleich berühmteren Oskar Schindler denken.
Gleich zu Beginn des Interviews klingelt melodisch und dezent das Mobiltelefon von Steve Buscemi. Während er sich erst bei seinen Gesprächspartnern entschuldigt und dann etwas länger spricht, erzählt Tukur von Buscemis Sohn, der laute Punkmusik mache. Tukur sagt "Steve" und mogelt sich damit um die unter Journalisten immer wieder gern gestellte Frage: Wie spricht man den Namen Buscemi eigentlich richtig aus? Wenn es auch den Leser interessiert - am Ende gibt's die Auflösung.
TV SPIELFILM: Herr Tukur, Sie haben für diese Rolle Haare gelassen.
Ulrich Tukur: Man hat mich gezwungen, sie haben mich einfach kahl rasiert! (grinst und streicht sich durch die Haare) Aber ich hab sie schon wieder zurück, teilweise.
Ist eine Glatze ein Problem für einen Schauspieler?
Steve Buscemi: Nein, gar nicht.
Ulrich Tukur: Ich finde, es ist wunderbar, denn jede Maske hilft. Es verleiht einem eine strenge äußere Form und das hilft der Schauspielerei.
Selbst John Rabes Nachfahren attestieren Ihnen eine verblüffende Ähnlichkeit in der Rolle.
Ulrich Tukur: Ja, die gibt es wohl, aber das liegt vor allem daran, dass dieser Look sehr korrekt, autoritär und altmodisch ist, und genau solch ein Mann war John Rabe. Ich erinnere mich auch, dass es große Diskussionen um die Brille gab. Wir hatten die Originalbrille, aus Schildpatt und riesig, und man sah damit aus wie eine Eule oder ein Waschbär.
Steve Buscemi: Oder wie Harry Potter.
Ulrich Tukur: Ja, aber das hier ist mehr Harry Potter. (zeigt auf das "John Rabe"-Filmplakat)
Ulrich Tukur: Man hat mich gezwungen, sie haben mich einfach kahl rasiert! (grinst und streicht sich durch die Haare) Aber ich hab sie schon wieder zurück, teilweise.
Ist eine Glatze ein Problem für einen Schauspieler?
Steve Buscemi: Nein, gar nicht.
Ulrich Tukur: Ich finde, es ist wunderbar, denn jede Maske hilft. Es verleiht einem eine strenge äußere Form und das hilft der Schauspielerei.
Selbst John Rabes Nachfahren attestieren Ihnen eine verblüffende Ähnlichkeit in der Rolle.
Ulrich Tukur: Ja, die gibt es wohl, aber das liegt vor allem daran, dass dieser Look sehr korrekt, autoritär und altmodisch ist, und genau solch ein Mann war John Rabe. Ich erinnere mich auch, dass es große Diskussionen um die Brille gab. Wir hatten die Originalbrille, aus Schildpatt und riesig, und man sah damit aus wie eine Eule oder ein Waschbär.
Steve Buscemi: Oder wie Harry Potter.
Ulrich Tukur: Ja, aber das hier ist mehr Harry Potter. (zeigt auf das "John Rabe"-Filmplakat)
Was wussten Sie beide vor dem Dreh voneinander? Kannten Sie die Arbeit des anderen?
Steve Buscemi: Von Ulis Filmen kannte ich "Das Leben der Anderen". Ich weiß, dass er eine ganze Menge mehr gemacht hat, aber im deutschen Film bin ich nicht so firm. Aber Florian (Gallenberger, Regisseur von "John Rabe") hat mir eine Menge über dich erzählt.
Gutes oder Schlechtes?
Steve Buscemi: Nur Gutes natürlich.
Ulrich Tukur: Ach was, selbst Tarantino sagte, als ich ihn hier in Berlin traf: "Du bist also der Typ in diesen Dreißigerjahre-Anzügen, der dauernd Akkordeon spielt und jedem auf die Nerven geht." (Buscemi lacht) Natürlich habe ich Steve in "Fargo" gesehen, der einer meiner Lieblingsfilme ist. Und in der Serie "Die Sopranos", da hat er ja sogar einige Folgen selbst inszeniert. Wir wissen einfach mehr über die angelsächsische Kultur als umgekehrt.
Steve Buscemi: Aber als ich gehört habe, dass du Musiker bist, wusste ich, dass wir gut miteinander auskommen würden. Eine meiner Lieblingsszenen im Film ist die am Klavier, wenn wir gemeinsam singen.
Ulrich Tukur: (singt zur Melodie des Marsches aus "Die Brücke am Kwai") "Hitler has only got one ball ..."
Steve Buscemi: Den meisten Spaß hatten wir aber bei der Probe, als wir uns noch an all den anderen Songs versucht haben. Wäre das nicht was für den Soundtrack?
Steve Buscemi: Ja, wir hatten mindestens zehn Songs!
Ulrich Tukur: Wir haben eine ganze Menge getrunken an dem Abend, fast eine ganze Flasche Whiskey, und die letzten Versionen waren absolut genial, aber seltsamerweise hat man die nicht genommen.
Steve Buscemi: Also wir dachten, sie waren absolut großartig.
Ulrich Tukur: Es zeigt einen kleinen, anarchischen Moment im Leben dieser Menschen, die drauf und dran sind, ihren Verstand zu verlieren. Später kommt die Szene, in der Daniel Brühl "Heil Hintern" statt "Heil Hitler" sagt, um seine Ablehnung gegenüber dem NS-Regime zu zeigen.
Steve Buscemi: In der internationalen Version heißt es übrigens "Shitler".
Ulrich Tukur: Ja, das ist brillant. Für die englische Fassung suchten sie eine Entsprechung, und jemand hatte diese geniale Idee mit "Heil Shitler".
Florian Gallenberger bekam seinen Oscar 2001 für einen Kurzfilm. Wie sicher waren Sie, dass er auch ein solches Mammutprojekt stemmen würde?
Steve Buscemi: Mir war es völlig egal, ob er einen Oscar bekommen hat. Es gibt so viele Filme, die einen Oscar haben, die mich überhaupt nicht beeindrucken. Das Filme machen muss mich beeindrucken.
Waren Sie sich der Bedeutung bewusst, als Sie damals bei der hochgelobten und allseits gefeierten TV-Mafiaserie "Die Sopranos" Regie führten?
Steve Buscemi: Nein, denn ich dachte daran nicht als kulturelles Phänomen, für mich war es nur: Arbeit. Natürlich hofft man, dass diese Arbeit anerkannt wird, aber man wird auch immer wieder auf den Boden zurückgeholt. Insgesamt habe ich vier Folgen inszeniert, aber ich erinnere mich, dass ich mir die zweite zusammen mit meiner Familie angesehen habe, und hinterher war deutliche Enttäuschung zu spüren, nach dem Motto: Das war's?
Ulrich Tukur: So ist es auch auf der Bühne: Manchmal gibt es diesen magischen Funken, aber du kannst nie sagen, wann und warum.
Mr. Buscemi, wie spricht sich Ihr Nachname denn nun richtig aus? Ich habe Sie vor Jahren schon mal danach gefragt ...
Steve Buscemi: (breit grinsend) Und was habe ich Ihnen damals gesagt?
Sie meinten, er spreche sich "Bus-seh-mi" aus. Ist das denn jetzt korrekt?
Steve Buscemi: (noch breiter grinsend) Wenn Sie so wollen.
Volker Bleeck
Steve Buscemi: Von Ulis Filmen kannte ich "Das Leben der Anderen". Ich weiß, dass er eine ganze Menge mehr gemacht hat, aber im deutschen Film bin ich nicht so firm. Aber Florian (Gallenberger, Regisseur von "John Rabe") hat mir eine Menge über dich erzählt.
Gutes oder Schlechtes?
Steve Buscemi: Nur Gutes natürlich.
Ulrich Tukur: Ach was, selbst Tarantino sagte, als ich ihn hier in Berlin traf: "Du bist also der Typ in diesen Dreißigerjahre-Anzügen, der dauernd Akkordeon spielt und jedem auf die Nerven geht." (Buscemi lacht) Natürlich habe ich Steve in "Fargo" gesehen, der einer meiner Lieblingsfilme ist. Und in der Serie "Die Sopranos", da hat er ja sogar einige Folgen selbst inszeniert. Wir wissen einfach mehr über die angelsächsische Kultur als umgekehrt.
Steve Buscemi: Aber als ich gehört habe, dass du Musiker bist, wusste ich, dass wir gut miteinander auskommen würden. Eine meiner Lieblingsszenen im Film ist die am Klavier, wenn wir gemeinsam singen.
Ulrich Tukur: (singt zur Melodie des Marsches aus "Die Brücke am Kwai") "Hitler has only got one ball ..."
Steve Buscemi: Den meisten Spaß hatten wir aber bei der Probe, als wir uns noch an all den anderen Songs versucht haben. Wäre das nicht was für den Soundtrack?
Steve Buscemi: Ja, wir hatten mindestens zehn Songs!
Ulrich Tukur: Wir haben eine ganze Menge getrunken an dem Abend, fast eine ganze Flasche Whiskey, und die letzten Versionen waren absolut genial, aber seltsamerweise hat man die nicht genommen.
Steve Buscemi: Also wir dachten, sie waren absolut großartig.
Ulrich Tukur: Es zeigt einen kleinen, anarchischen Moment im Leben dieser Menschen, die drauf und dran sind, ihren Verstand zu verlieren. Später kommt die Szene, in der Daniel Brühl "Heil Hintern" statt "Heil Hitler" sagt, um seine Ablehnung gegenüber dem NS-Regime zu zeigen.
Steve Buscemi: In der internationalen Version heißt es übrigens "Shitler".
Ulrich Tukur: Ja, das ist brillant. Für die englische Fassung suchten sie eine Entsprechung, und jemand hatte diese geniale Idee mit "Heil Shitler".
Florian Gallenberger bekam seinen Oscar 2001 für einen Kurzfilm. Wie sicher waren Sie, dass er auch ein solches Mammutprojekt stemmen würde?
Steve Buscemi: Mir war es völlig egal, ob er einen Oscar bekommen hat. Es gibt so viele Filme, die einen Oscar haben, die mich überhaupt nicht beeindrucken. Das Filme machen muss mich beeindrucken.
Waren Sie sich der Bedeutung bewusst, als Sie damals bei der hochgelobten und allseits gefeierten TV-Mafiaserie "Die Sopranos" Regie führten?
Steve Buscemi: Nein, denn ich dachte daran nicht als kulturelles Phänomen, für mich war es nur: Arbeit. Natürlich hofft man, dass diese Arbeit anerkannt wird, aber man wird auch immer wieder auf den Boden zurückgeholt. Insgesamt habe ich vier Folgen inszeniert, aber ich erinnere mich, dass ich mir die zweite zusammen mit meiner Familie angesehen habe, und hinterher war deutliche Enttäuschung zu spüren, nach dem Motto: Das war's?
Ulrich Tukur: So ist es auch auf der Bühne: Manchmal gibt es diesen magischen Funken, aber du kannst nie sagen, wann und warum.
Mr. Buscemi, wie spricht sich Ihr Nachname denn nun richtig aus? Ich habe Sie vor Jahren schon mal danach gefragt ...
Steve Buscemi: (breit grinsend) Und was habe ich Ihnen damals gesagt?
Sie meinten, er spreche sich "Bus-seh-mi" aus. Ist das denn jetzt korrekt?
Steve Buscemi: (noch breiter grinsend) Wenn Sie so wollen.
Volker Bleeck