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Gut gegen Nordwind: Nora Tschirner und Alexander Fehling über digitale Liebe

Nora Tschirner und Alexander Fehling aus Gut gegen Nordwind
Nora Tschirner und Alexander Fehling aus "Gut gegen Nordwind" Verleih

In der Romanverfilmung "Gut gegen Nordwind" spielen Nora Tschirner und Alexander Fehling zwei Menschen, die sich nie zu Gesicht bekommen, sondern nur schreiben – und sich so nahekommen. Im Gespräch mit TV SPIELFILM sprachen die Stars über die Liebe im digitalen Zeitalter.

TV SPIELFILM: "Gut gegen Nordwind" ist ein Roman und handelt von einem Mann und einer Frau, die sich E-Mails schreiben, aber einander nie zu Gesicht bekommen. Nicht gerade ein Stoff, der nach einer Verfilmung schreit, oder?

Nora Tschirner: Überhaupt nicht. Als ich von der Idee hörte, Daniel Glattauers Buch zu verfilmen, wurde ich anfangs fast aggressiv und dachte, das kann ja nur Schwachsinn werden. Ich bin nämlich ein Fan des Romans. Die ersten fünfzehn Seiten des Drehbuchs habe ich entsprechend mit innerlich verschränkten Armen gelesen, aber dann hat es mich gepackt und am Ende war ich überzeugt: So kann's klappen.

Alexander Fehling: Ich hatte diese Probleme nicht, weil ich den Roman nicht kannte. Aber das Drehbuch hat mich berührt und ich war neugierig, wie man das verfilmen will.

TV SPIELFILM: Kann man sich überhaupt, wie Buch und Film behaupten, durch einen E-Mail-Austausch ineinander verlieben? Frau Tschirner, Sie gelten seit "SMS für Dich" als Expertin für digitale Kommunikation im Zeichen der Venus. Was sagen Sie dazu?

Tschirner: Ich habe das recherchiert und ich kann Ihnen bestätigen, dass es so etwas gibt.

Fehling: Ich habe das nicht erforscht und ich habe das selber noch nicht erlebt, aber ich kann mir das durchaus vorstellen.

Die Balance in der Liebe

TV SPIELFILM: Aber was passiert da eigentlich? Entdecke ich einen Seelenverwandten in der Unendlichkeit des digitalen Universums? Oder projiziere ich eigene Sehnsüchte auf eine unbekannte Person?

Fehling: Aber ist es nicht immer beides, auch bei der Liebe in der analogen Welt? Selbst wenn ich jemanden sehe, sehe ich ihn immer mit meinen Augen und mal überwiegt der klare Blick auf eine Person und mal lässt man sich von seinen Träumereien hinreißen. Und beides in eine halbwegs stimmige Balance zu bringen, das ist eine lebenslange Aufgabe.

TV SPIELFILM: Frau Tschirner, was hat Sie vor dem Dreh am meisten beschäftigt?

Tschirner: Ich fand spannend, ob die Visualisierung für eingefleischte Leser funktionieren kann. Die Frage stellt sich natürlich bei Romanverfilmungen immer irgendwie, aber hier liegt der Fall besonders speziell, weil das Kopfkino ja nicht nur beim Leser, sondern auch bei den Figuren eine so große Rolle spielt. Am wichtigsten war mir aber, dass mich der Romanautor Daniel Glattauer akzeptiert. Ich bin ein solcher Fan seiner Bücher, dass er für mich eine Instanz ist. Und ich wusste, dass er irgendwann ans Set kommt.

TV SPIELFILM: Hat Daniel Glattauer den Film schon gesehen?

Tschirner: Ja und er hat ihm gefallen. Ich bin sehr erleichtert.

Foto: Verleih, Nora Tschirner in "Gut gegen Nordwind"

Liebe in Zeiten der Digitalisierung

TV SPIELFILM: Im Film befeuert die Digitalisierung die Liebe, aber im realen Leben hat man oftmals den gegenteiligen Eindruck. Niemand flirtet mehr im Fahrstuhl, weil alle auf ihr Smartphone starren.

Fehling: Ist das wirklich so? Wenn zwei Personen, die sich potenziell attraktiv finden könnten, im Fahrstuhl sind und auf ihr Smartphone gucken, dann werden sie schon merken, dass es sich lohnt, den Blick auf eine Person aus Fleisch und Blut zu richten. Ich glaube, diese Sehnsucht steckt tief genug in uns drin. Aber ich sehe auch, dass die sogenannten sozialen Medien oft gar nicht sozial sind, weil sie Menschen in der realen Welt eher isolieren als zusammenbringen. Beim Internet hatte man ja anfangs auch noch die Hoffnung gehegt, es werde die Welt stärker demokratisieren.

Tschirner: Computer und Smartphone sind Werkzeuge und wie bei jedem Tool kommt es darauf an, wie man es gebraucht. Das ist aber bei sozialen Gesten in der realen Welt nicht anders. Wie oft umarmt man Leute, etwa bei einem Empfang und das hat überhaupt nichts mit echten Gefühlen zu tun.

Fehling: Küsschen hier, Küsschen da.

TV SPIELFILM: Trump umarmt Macron.

Tschirner: Da fragt man sich doch auch ganz unabhängig vom Internet: Dieses roboterhafte Verhalten soll ein Ausdruck von Herzlichkeit sein? Mein Trost ist: Es kommen immer neue Kinder zur Welt und mit ihnen wird das Wissen darüber, was es heißt, ein Mensch zu sein, neu belebt – eine Erkenntnis, die Charlie Chaplin in seiner Rede an die Menschheit in "Der große Diktator" auf den Punkt gebracht hat.

Die junge Generation

TV SPIELFILM: Wie erleben Sie am Set Ihre jungen Schauspielkollegen, die mit den sozialen Medien aufgewachsen sind?

Tschirner: Einige nutzen gar kein Instagram, andere haben einen sorgfältig auf den Dreh vorbereiteten Account. Aber gerade diejenigen, die sich sehr um ihre Präsenz in den sozialen Medien kümmern, sind oft auch die, die am konzentriertesten an den Gesprächen in der realen Welt teilnehmen und ihre digitalen Kanäle nebenbei bespielen. Die älteren Schauspieler staunen immer, wie gut die das können. Ich bin zuversichtlich, dass sich die unterschiedlichen Formen der Kommunikation integrieren lassen.

TV SPIELFILM: Wie empfinden Sie es, wenn Sie sich mit jemandem unterhalten und Ihr Gegenüber die ganze Zeit auf sein Handy schielt?

Fehling: Ist natürlich unhöflich. Aber das liegt eher am Menschen als am Gerät: Eine solche Person würde mir auch ohne Smartphone nur mit halbem Ohr zuhören.

Tschirner: Man muss ehrlicherweise auch sagen, dass es nicht nur in unserer Branche Treffen gibt, zu denen man hingehen muss, aber auf die man nicht richtig Lust hat. Da schaut man gern auf sein Smartphone, um sich abzulenken. Die Unlust gab es schon früher, aber heute tritt sie deutlicher zutage. Das ist wie mit Komplexen. Die hatten Menschen wohl schon immer, aber jetzt merkt man schneller, wer an ihnen leidet, weil man mehr schönheitsoperierte Gesichter sieht.

TV SPIELFILM: Ein solcher Anblick bleibt den beiden Hauptfiguren erspart, sie können sich ja nicht sehen. Aber dafür bleibt ihre Konversation lange unverbindlich …

Tschirner: Unverbindlich würde ich es nicht nennen. Wann hat man es schon mal, dass man gefragt wird: Möchtest du mein Freund sein? So eine Frage stellt man vielleicht in der Grundschule, aber nicht als Erwachsener. Diese Freundschaft bedeutet in der Praxis, dass man jemandem eine bestimmte Zeit seines Tages zur Verfügung stellt. Das ist ziemlich verbindlich. Allerdings verbringt man diese Zeit miteinander in einer ziemlich eingeschränkten Form, nämlich im virtuellen Raum.

Foto: Verleih, Alexander Fehling in "Gut gegen Nordwind"

Altmodische Diskretion

TV SPIELFILM: Der Roman ist von 2006. Würde heute in Zeiten von Parship & Co. bei so einem Schriftwechsel nicht schnell die Frage nach dem Austausch von Fotos aufkommen?

Fehling: Der Film ist ein wenig abgesetzt von der Realität.

Tschirner: Es ist kein Dokumentarfilm! (lacht)

Fehling: Und es gibt zwischen beiden die Verabredung, dass man einander nicht im Internet sucht und den anderen über die verschiedenen Programme, die es gibt, verfolgt. Die beiden halten sich an das, was Max Frisch in einem berühmten Aufsatz fordert: Du sollst dir kein Bildnis machen. Und das ist heute vielleicht sogar noch reizvoller, wo wir alle von Bildern überflutet werden.

TV SPIELFILM: Sind die beiden auf eine fast schon altmodische Weise diskret?

Fehling: Es ist mehr als Diskretion, es geht um die Bewahrung eines Geheimnisses. Und um einen gemeinsamen Genuss, der sofort zerstört werden würde, wenn die beiden mehr voneinander wüssten. Nicht zu vergessen die Freiheit, die bei allem mitschwingt, die Utopie einer Nähe, die nur über den Gedankenaustausch entsteht.

Tschirner: Ich kann mir vorstellen, dass so etwas gerade heute wieder interessant wird, weil viele junge Leute spüren, dass es keinen dauerhaften Spaß bringt, die Spuren anderer Leute im Netz zu verfolgen.

TV SPIELFILM: Liebesfilme gelten in Deutschland oft als kitschig. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Tschirner: Ich finde, bei Deutschen gibt es schnell eine Angst, als sentimental oder naiv zu gelten. Aber was soll daran schlecht sein, wenn man zu den Gefühlen steht, die man im Kino hat? Durchlässig zu sein für den Fluss der Emotionen, Kopf und Herz nicht zu trennen – für mich ist das etwas Großartiges.

Ein Ex-Paar vor der Kamera

TV SPIELFILM: Darf man im Kino weinen?

Tschirner: Nach "SMS für Dich" mit Karoline Herfurth kamen Leute auf mich zu und haben gesagt: "Na toll, jetzt musste ich im Kino weinen!" Das ist eine sehr interessante Formulierung. Ich habe nicht verstanden, warum das so schlimm sein soll. Tränen können doch auch befreiend sein. Ich habe den Eindruck, es herrscht Furcht vor wirklicher Emotionalität.

Fehling: Ein Teil des Problems ist auch die deutsche Filmkultur. Das Kino spielt im Vergleich zu anderen Künsten eine untergeordnete Rolle. Es wird so viel in Genres gedacht, anstatt erst einmal eine Geschichte zu erzählen. Und natürlich fragen sich die Produzenten vielleicht auch, warum sollen wir noch einen deutschen Liebesfilm drehen, wenn wir schon genügend Filme dieser Art aus den USA bekommen?

TV SPIELFILM: Sie waren auch privat mal ein Paar. Ist das für den Dreh ein Vorteil?

Tschirner: An dieser Stelle, weil abenteuerliche Gerüchte über uns kursieren und es heißt, wir hätten achtzehn Kinder und fünfzehn Hunde zusammen, kurz eine kleine Präzisierung: Wir waren vor sehr langer Zeit zusammen und sind uns immer noch sehr wohlgesonnen. Ich schätze Alexander für sein Spiel, seine Kreativität und sein Denken. Wir haben vor dem Dreh viele Sprachaufnahmen gemacht, und da ist es eindeutig von Vorteil, wenn man sich kennt und ein Gespür für den anderen hat.

"Gut gegen Nordwind" mit Nora Tschirner und Alexander Fehling ist ab dem 12. September 2019 in deutschen Kinos zu sehen. Hier ist noch einmal der Trailer: