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"Climax": Expressticket in den Wahnsinn dank Techno-Trip

Szene aus Climax
Szene aus "Climax" Verleih

Gaspar Noé ist ohne jeden Zweifel einer der aktuell berühmt-berüchtigsten Filmemacher, den das Kino zu bieten hat und dessen Filme stets die Grenzen des Mach- und Zeigbaren sowie der menschlichen Seele ausloten. Nun startet dieser Tage sein neuer Film "Climax" und wir sagen euch, ob der Gang ins Kino lohnt.

Die Filmographie von Gaspar Noé ist recht überschaubar dafür, dass der gebürtige Argentinier schon seit den 80ern aktiv ist. Abgesehen von mehreren Kurzfilmen hat er bis heute lediglich fünf Kinofilme abgedreht. Doch seine Veröffentlichungen, so sporadisch sie in Spielfilmlänge auch sein mögen, sind wuchtig. Nicht von ungefähr fällt sein Name immer dann, wenn man an Skandalfilme oder an Filmemacher mit einer ganz eigensinnigen und mitunter radikalen Vision denkt. Provozieren tut er ja gerne mal - und wie wird sich nun sein neuester Wurf "Climax" in sein Schaffen einreihen?

Die Handlung von "Climax"

Eine Gruppe Tänzer übt kurz vor einer ausgedehnten Tournee ihre Choreographie. Nach einer erfolgreichen Probe wollen die jungen Leute nur noch ein wenig zu guter Musik und leckerem Sangria den Abend ausklingen lassen, aber etwas stimmt nicht: Nach und nach geht es den Leuten immer schlechter und seltsamer - wurden ihnen etwa heimlich Drogen ins Getränk gemischt? Einen Weg aus dem Trip wider Willen gibt es nicht und so stürzen sie unaufhaltsam immer tiefer in den Abgrund aus Sex, Drogen, Gewalt und verdammt guter Musik.

Auf den Kopf gestellt

Man kann ja inhaltlich von Noés Filmen halten, was man will, aber eines steht nicht zur Diskussion: Der Mann ist ästhetisch gesehen ein famoser Künstler. Nicht unbedingt im Sinne des Schönen an sich, aber audiovisuell scheuen er und seine Mitstreiter sich nicht davor, die Grenzen des Kinos ein ums andere Mal neu auszuloten. So ist erneut sein Stammkameramann Benoît Debie mit dabei, der bis auf "Menschenfeind" jeden anderen Noé-Langfilm in aufregenden, verstörenden und gewagten Bildern festgehalten hat. Unvergessen sind die irren, schwindelerregenden Kamerafahrten in "Irreversibel" und "Enter the Void" und auch bei "Climax" stehen die Aufnahmen am Ende buchstäblich Kopf. Der Weg dahin ist aber nicht minder aufregend.

Rausch ohne Schnitt

Denn bis auf einige vergleichsweise kürzere Abschnitte laufen die Geschehnisse im neuen Film in Echtzeit ab - ohne Cut, sondern in extrem langen Einstellungen. Diese Inszenierungsweise findet sich schon seit einiger Zeit immer wieder mal im Kino, "Victoria" fällt einem da ein von Sebastian Schipper oder erst kürzlich auch "Utoya 22. Juli" von Erik Poppe. Die extremen Plansequenzen entfalten stets eine unwiderstehliche Sogwirkung und so auch bei "Climax", wo zusätzlich die treibenden Technobässe den Zuschauer in ihren Bann ziehen. Der langsame, drogenbedingte Abstieg in die menschliche Hölle kann dadurch effektiv und durch zunächst allmähliche und subtile Anzeichen langsam vorangetrieben werden, bis sich das Chaos wirklich Bahn bricht. Veränderungen im Licht, eine immer losgelöstere Kameraführung und stetig verrücktere Darbietungen kulminieren dann in einer Party-Orgie vom Feinsten - oder sollte man eher sagen: vom Gaspar Noésten.
Foto: Verleih, Rauschhaftes Treiben: Szene aus "Climax" von Gaspar Noé

Feiern in den Abgrund

Dann ist der audiovisuelle Angriff auf die Sinne des Kinogängers formvollendet und in seiner ganz eigenen verstörenden Art wunderschön und der Abstieg in die pure Triebhaftigkeit abgeschlossen. Die Botschaft von "Climax", so wie sie zumindest auch interpretiert werden kann, erinnert dabei ein wenig an "We Are The Flesh" des Mexikaners Emiliano Rocha Minter. Dessen Kinofilmdebüt von 2016 ist in der Extreme seiner Bilder nicht minder aufwühlend als dass Oeuvre von Noé, aber hier wie dort macht sich ein pessimistisches Weltbild breit, das Menschlichkeit eben unbedingt im Spannungsfeld zwischen Zivilisation und nur schwer unterdrücktem, animalischem Urinstinkt verortet und nicht etwa als die Krone gesellschaftlicher Errungenschaften. Geboren werden sei ja eine Chance, will eine Texttafel zu Beginn von "Climax" weismachen. Eine Chance, die wir aber gemeinsam permanent zu vergeben scheinen. So schließt der Film seine Klammer mit der Aussage, "Leben ist eine kollektive Unmöglichkeit". Menschen versagen immer nur gemeinsam, so scheint es. Aber wir haben verdammt viel Spaß dabei!

Fazit: "Climax" ist ein hypnotischer Techno-Trip und ein Expressticket in den Wahnsinn.