Der eine erweckte die Dinosaurier im "Jurassic Park" zum Leben. Der andere realisierte Tolkiens eigentlich unverfilmbares Werk "Der Herr der Ringe" in drei epochalen Blockbustern. Jetzt fusionierten die Über-Filmemacher Steven Spielberg und Peter Jackson für das 3D-Spektakel "Tim und Struppi".

Der Comicklassiker des belgischen Autors Hergé ist komplett im Motion-Capture-Verfahren entstanden. Eine neue Herausforderung für die Hollywood-Routiniers. Im Gespräch verraten Jackson und Spielberg, wie es zu der Zusammenarbeit kam.

Außerdem erklären Gollum-Darsteller und Motion-Capture-Experte Andy Serkis sowie Nachwuchsstar Jamie Bell (der den Tim zum Leben erweckt), warum Schauspieler auch im digitalen Zeitalter unverzichtbar sind.

TV SPIELFILM: Herr Spielberg, wie sind Sie auf die Comics von Hergé aufmerksam geworden?

STEVEN SPIELBERG Es war 1981, "Jäger des verlorenen Schatzes" war gerade in den Kinos gestartet. Erste Kritiken, die ich las, zogen Vergleiche zu den "Tim und Struppi"-Abenteuern. Ich hatte nie davon gehört. Dann stellte ich Nachforschungen an und verstand, was die Kritiker meinten. Ich verschlang sofort sämtliche Bücher und wurde ein riesiger Fan.

Peter Jackson ist seit seiner Jugend Verehrer der Comics. An welchem Punkt erkannten Sie, dass Sie das Projekt gemeinsam realisieren müssen?

STEVEN SPIELBERG Peters Produktionsfirma WETA sollte ein paar Motion-Capture-Tests von "Tim und Struppi" für uns vorbereiten. Ich war sehr überrascht, als ich Peter im Haddock-Kostüm sah, wie er mit einem perfekt animierten Struppi agierte. Ich fragte ihn, ob er Lust hätte, sich an dem Projekt zu beteiligen. Er zeigte nur auf die Bibliothek, die sich hinter mir auftat. Dort standen alle Bücher, die Hergé je geschrieben hat.
PETER JACKSON Steven besitzt bereits seit 20 Jahren die Rechte an den Comics. Ich habe mich immer gefragt, wie eine filmische Umsetzung wohl aussehen würde. Klar, dass ich beim Projekt nicht Nein sagte.

Der Film ist komplett im Computer entstanden. Welchen Stellenwert hat die technische Umsetzung bei "Tim und Struppi"?

PETER JACKSON Tatsächlich sehen wir die Technologie nur als Werkzeug, wie etwa eine Kamera oder einen Scheinwerfer. Der kreative Input geht immer noch von den Schauspielern und der Regie aus. Steven legte Maßstäbe wie bei einem Live-Action-Film an. So wurde jede Einstellung, die im fertigen Film zu sehen ist, auch wirklich vor Bluescreen im Motion-Capture-Suit gespielt.

Jamie Bell, wie empfanden Sie die Arbeit im Stretchanzug?

JAMIE BELL Ohne Kostüme und ohne Kulisse zu arbeiten, daran musste ich mich erst gewöhnen.

ANDY SERKIS Jamie hat emotional und physisch all das abrufen müssen, was auch auf einem normalen Set verlangt wird.

2011 Sony Pictures Releasing GmbH

Jamie Bell und Andy Serkis mit Steven Spielberg (Regie) und Peter Jackson (Produktion) am Set von "Die Abenteuer von Tim Und Struppi - Das geheimnis der 'Einhorn'"

JAMIE BELL Gott sei Dank war Andy da. Ich durfte ihn bereits bei den Dreharbeiten von "King Kong" bewundern. Die Erfahrungen des Motion-Capture-Veteranen waren sehr hilfreich.

Herr Serkis, Sie haben die Entwicklung hautnah miterlebt und auch mitgestaltet. Was hat sich seit Ihrer Rolle als Gollum in der Performance-Capture-Technologie getan?

ANDY SERKIS Der Zuschauer ist mittlerweile nicht mehr nur von der technischen Errungenschaft begeistert. Vielmehr nimmt er die schauspielerische Leistung dahinter wahr. Nach "Avatar" erlangte unsere Arbeit erst ihre wirkliche Anerkennung.

Mit Peter haben Sie ja schon "King Kong" gedreht. Wie war es denn jetzt, gleich mit zwei Ikonen Hollywoods zusammenzuarbeiten?

JAMIE BELL Der erste Film, den ich im Kino sah, war "Jurassic Park". Sowohl Spielberg als auch Jackson haben mich als Kind in faszinierende Welten entführt. Jetzt darf ich Teil einer ihrer Welten sein. Andy, wie siehst du das?

ANDY SERKIS Es ist ein Privileg. Ich bewundere vor allem, dass sie nach all ihren Erfolgen immer noch hungrig auf innovative Ideen sind und immer neue Wege finden, Geschichten zu erzählen.

Herr Spielberg, Sie sind ein Regisseur, der es liebt, vor Ort zu drehen. Warum haben Sie sich nun für einen voll animierten Film entschieden?

Steven Spielberg am Set von Tim und Struppi (links: Peter Jackson)

STEVEN SPIELBERG Vor 30 Jahren hätte ich wahrscheinlich mit einem Walter Matthau als Haddock geliebäugelt.

Tatsächlich?

STEVEN SPIELBERG Ich mache nur Spaß. In erster Linie wollte ich Hergés Erbe die Ehre erweisen. Schließlich hat er ein halbes Jahrhundert daran gearbeitet. Mir war es daher besonders wichtig, möglichst nah an den Originalcharakteren und dem Artwork der Comics zu bleiben. Gleichzeitig sollte das Abenteuer optisch zeitgemäß und möglichst fotorealistisch wirken.

Fiel deshalb auch die Entscheidung, in 3D zu drehen?

PETER JACKSON Das war keine wirklich wichtige Entscheidung.

Warum nicht?

PETER JACKSON Einen animierten CGI-Film in 3D zu produzieren ist eine relativ einfache Sache, die wir aber sehr spannend fanden. Letztendlich kann 3D einen schlechten Film nicht zu einem guten machen. Ein gelungener Film hingegen kann durch 3D noch aufgewertet werden.

Welche Rolle spielte "Avatar"-Schöpfer James Cameron bei "Tim und Struppi"?

STEVEN SPIELBERG Jim und ich sind schon über 30 Jahre befreundet. Er lud mich zu den Dreharbeiten von "Avatar" ein, und ich konnte mir ein erstes Bild von der Performance-Capture-Technologie machen. Zehn Tage spielte ich damit herum, ehe ich verstand, wie man "Tim und Struppi" realisieren könnte.

Wird sich Struppi wie E. T. und T-Rex in die Liste bedeutender Kreaturen der Filmgeschichte
einreihen können?


STEVEN SPIELBERG Beim Dreh war Struppi lediglich ein Pappkarton, gespickt mit Bewegungssensoren. Jetzt, im Zuge der Postproduktion, würde ich ihm aber gute Chancen einräumen.

Wie stehen die Chancen für eine Fortsetzung? Und wer würde dann Regie führen?

PETER JACKSON Wir würden wahrscheinlich eine Münze werfen. Bei einem Erfolg stünde einem Sequel nichts im Weg. Hergés Comics bieten noch enormes Potenzial für viele spannende Geschichten.

S. Orlin, B. Seibring