Ein Hotel im Londoner Stadtteil Mayfair, Pressetermin zu "Skyfall", dem 23. offiziellen Bond-Film, der fünfzig Jahre nach dem ersten ("Dr. No") ins Kino kommt. Wie üblich betreiben alle Beteiligten fleißig Geheimniskrämerei, eigentlich dürfen die Hauptdarsteller Daniel Craig, Bond-Bösewicht Javier Bardem und "Pirates of the Caribbean"-Star Naomie Harris (spielt eine rätselhafte Agentin namens Eve) so gar nichts über den neuen Film verraten. Tun sie aber dann natürlich doch. Also, Ladies first:
Naomie, wären Sie sauer, wenn man Sie als Bond-Girl bezeichnen würde?

NAOMIE HARRIS
Ach, na ja. Das Gute am Begriff Bond-Girl ist, dass auch meine Familie sich etwas darunter vorstellen kann. Die freut sich natürlich über meine anderen Projekte, aber wer kennt nicht James Bond? Die tollste Frau in einem Bond-Film war übrigens eindeutig Grace Jones - und die war kein Girl, das war eine richtige Bond-Frau!

Im Trailer sieht man, dass Sie tatsächlich auf James Bond schießen...

NAOMIE HARRIS
Ja, das ist mir auch sehr unangenehm und meines Wissens nach bin ich die erste Agentin, die jemals auf ihn schoss. Aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich einer direkten Anweisung von M folgte.

Bonds Chefin M, gespielt von Judi Dench, ist auch die Verbindung zum neuen Bond-Bösewicht Silva. Javier, M kennt Silva bereits aus ihrer Vergangenheit, oder?

JAVIER BARDEM
Leider darf ich dazu nichts sagen und nicht mal verraten, ob es eine gemeinsame Szene gibt. Aber soll ich Ihnen
dafür ein anderes Geheimnis erzählen?

Nur zu.

JAVIER BARDEM
Inmitten der Dreharbeiten höre ich plötzlich die Bond-Melodie - und sie kommt aus Judi Denchs Tasche! Es stellte sich heraus, dass sie den Song als Klingelton ihres Mobiltelefons eingestellt hat, unglaublich! Ich musste so lachen.
Produzentin Barbara Broccoli bezeichnet sie schon jetzt als "den Bond-Bösewicht mit dem meisten Sex-Appeal".

JAVIER BARDEM
Wo sie recht hat, hat sie recht...

Wer ist denn Ihr Lieblingsschurke?

JAVIER BARDEM
Ich finde den Beißer toll - besonders, wenn er im Film "Moonraker" auf die gute Seite überläuft. Es ist eine große Ehre, als 43-Jähriger in einem Bond-Film mitspielen zu dürfen. Ich sah mit elf Jahren meinen ersten 007-Film und wurde zu einem Riesenfan. Wir haben uns bemüht, dass Silva eine Art Hommage an frühere Bond-Bösewichte ist. Aber mehr darf ich einfach nicht verraten.

Daniel, würden Sie in einem anderen Film auch mal den Bösewicht spielen?

DANIEL CRAIG
Na klar, wenn das Geld stimmt! (lacht)

Dies ist Ihr dritter Bond-Film. Baut "Skyfall" wieder auf dem Vorgänger auf so wie bei "Ein Quantum Trost"?

DANIEL CRAIG
Nein. "Ein Quantum Trost" musste zu Ende bringen, was in "Casino Royale" begonnen hatte. Mehr konnte man daraus nicht machen. "Skyfall" hat nichts mit diesen Filmen zu tun und basiert auch nicht auf einem Buch von Ian Fleming. Wir wollten einen Film schaffen, der besser ist als alle vorherigen - und trotzdem ein "klassischer Bond".

In "Ein Quantum Trost" war Bond sich zeitweise gar nicht mehr so sicher, ob er noch für die richtige Seite arbeitet.

DANIEL CRAIG
Dieses Problem trägt er weiter mit sich herum. Wie im echten Leben geht es für Bond immer um Loyalität: Bin ich meinem Land treu? Meinen eigenen Prinzipien? Was, wenn beide aufeinanderprallen? Dieser Konflikt reizt mich sehr an der Rolle. Bonds
Moralvorstellungen sind schwammig, denn schließlich ist es sein Job, andere zu töten.

Sony pictures

Close-up: Regiseur Sam Mendes (mit Kaffeebecher) mit Judi Dench als M

Stimmt es, dass eigentlich Sie Regisseur Sam Mendes an Bord geholt haben?

DANIEL CRAIG
Na ja, ich habe mich auf einer Party mit ihm unterhalten, und als er sich als Bond-Fan entpuppte, führte eins zum anderen. Auf der gleichen Party habe ich mich übrigens auch mit Javier unterhalten.

JAVIER BARDEM
(nickt) Und ich vertraue Sam Mendes absolut. Ich würde ihm mit geschlossenen Augen zum nächsten Projekt folgen, ohne eine Zeile des Drehbuchs zu lesen. Ich streite mich am Set oft mit Regisseuren, das kann anstrengend sein. Auch mit Sam habe ich mich gestritten, aber auf gute, lustige, krea-tive Art. Ich war sehr überrascht, dass es trotz der Größe dieses Projekts auch Platz für Improvisationen gab, dass wir neue Dinge ausprobieren konnten.

NAOMIE HARRIS Das kann ich nur bestätigen. Ich hatte erwartet, dass alles ähnlich riesig und durch-organisiert ist wie bei "Pirates of the Carib-bean", dort fühlte ich mich wirklich wie ein kleines Rädchen im Getriebe. Doch Sam legt großen Wert darauf, dass sich die Schauspieler wohlfühlen. Es war um einiges entspannter und intimer, als ich dachte.

Woran lag das?

NAOMIE HARRIS
Es sind kaum Leute am Set, es ist alles sehr überschaubar. Auch die Produzenten Barbara Broccoli und Michael G. Wilson waren total fürsorglich, sie sind am Set wie Mama und Papa. Alle Kollegen sind entweder mit den beiden verwandt oder arbeiten schon seit Jahrzehnten für sie. Es war sehr familiär. Erst in Istanbul ging es dann rund, da sprangen eine Million Leute auf dem Set herum, um die Actionszenen in den Kasten zu kriegen.

Könnten Sie sich ein Leben als Agentin vorstellen?

NAOMIE HARRIS
Ein MI5-Agent meinte, ich sei genau die Art von Person, die sie suchen: Jemand, der andere Menschen dazu bringt, ihre Geheimnisse zu verraten. Nicht unter Folter, versteht sich! Ich komme oft mit Leuten ins Gespräch. Kürzlich erst erzählte mir eine wildfremde Frau, sie wolle sich scheiden lassen.

Daniel, wären Sie ein guter Agent?

DANIEL CRAIG
Nein, ich wäre absolut furchtbar! Ich kann einfach nicht lügen. Das klingt albern, gerade als Schauspieler. Aber ich versuche in meinen Rollen immer, die Wahrheit zu finden, selbst wenn ich dabei natürlich auch lügen muss. Und das klingt jetzt kompliziert... Oh je, ich glaube, es ist an der Zeit, dass ich mal wieder zum Therapeuten gehe. (lacht)

JAVIER BARDEM Wir Schauspieler sind die Anwälte unserer Charaktere, wir müssen sie verteidigen, egal, was wir wirklich von ihnen halten. Bei Silva suche ich nach dem Grund, warum er schlimme Dinge tut. Das heißt nicht, dass ich dieses Verhalten nachvollziehe oder teile - aber verstehen können muss ich es.
Daniel, welche von Bonds Spielzeugen gefallen Ihnen eigentlich am besten?

DANIEL CRAIG Bonds Aston Martin DB5 ist schon ein ziemlich schönes Auto.

Würden Sie es gern behalten oder wenigstens vielleicht die schicken Anzüge?

DANIEL CRAIG
Nein. Der DB5 ist eigentlich zu schön für mich. Ich würde ihn nicht oft genug fahren, und dann stünde er nur in der Garage herum, dazu ist er doch zu schade. Und die Klamotten musste ich sechs Monate lang jeden Tag tragen. Irgendwann will man sie echt nicht mehr sehen.

Interview: Tina Werkmann