Als Schauspielerin ernst genommen zu werden, scheint die Queen of Pop aufgegeben zu haben. Die neue Herausforderung heißt Regie. Mit einem Drama versucht sich die 53-Jährige trotz des Misserfolgs ihres Debütfilms "Filth and Wisdom" erneut hinter der Kamera.
"W.E." erzählt die Geschichte der Amerikanerin Wallis Simpson, für die der englische König Edward VIII abdankte. Im Interview plaudert die Regisseurin und Drehbuch-Co-Autorin Madonna über die Liebe und wie Exmann Guy Ritchie ihr geholfen hat.

TV SPIELFILM Edward dankt für Wallis ab. Was hat ein Mann für Sie aufgegeben?

MADONNA
Ich würde lieber filmbezogene Fragen beantworten.

Das ist eine filmbezogene Frage.

MADONNA
Wenn man jemanden liebt, wird man immer Opfer bringen. Das ist die Natur der Liebe. Aber niemand hat ein Königreich für mich aufgegeben.
Edward für Wallis schon.

MADONNA
Ja, das tut nur eine besondere Sorte Mann. Er zeigt Mut, denn er geht einen Weg, den nicht jeder wählen würde.

Was hat Sie an Wallis Simpsons Geschichte gereizt?

MADONNA
Ich wollte das Wesen der Liebesgeschichte zwischen ihr und dem König verstehen. Ein Mann gibt den britischen Thron für diese Frau auf - was hatte die Frau?

Und, was hatte sie?

MADONNA
Sie war nicht das, was man über sie dachte. Sie wurde als sehr oberflächlich dargestellt, aber sie war eine komplexe Persönlichkeit, die auf der Suche nach Liebe war. Ich glaube nicht, dass sie wollte, dass der König für sie abdankt.

Sondern?

MADONNA
Sie hat versucht, ihn zu verlassen, aber er ließ sie nicht. Und was kannst du tun, wenn ein Mann den Thron für dich aufgibt? Du musst ihm natürlich ständig das Gefühl geben, ein König zu sein. (lacht)
Warum haben Sie die historische Geschichte mit einem modernen Handlungsstrang verbunden?

MADONNA
Ich wollte keine klassische Biografie drehen. Das Leben einer Person ist zu vielschichtig, um es in einem zweistündigen Film zusammenzufassen. Daher brauchte ich einen Anknüpfungspunkt, um Wallis‘ Geschichte aus der Sichtweise einer anderen Person zu erzählen.

Ist es ein großer Sprung vom Gesang zur Regie?

MADONNA
Es ist eine andere Disziplin. Aber wenn ich auftrete, bin ich auch in jedes Detail der Show eingebunden. Von den Kostümen bis zum Licht. Ich kenne das große Ganze und jede Kleinigkeit. Es gibt viele Parallelen zum Filmemachen.

Wo ist der Unterschied?

MADONNA
Singen ist ursprünglicher, weniger intellektuell. Es gibt einen direkten Draht zum Publikum. Mein Herz und meine Seele stecken aber in beidem.

Wussten Sie denn alles über Kameraeinstellungen etc.?

MADONNA
O nein! Das musste ich von meinem Kameramann Hagen Bogdanski lernen. Da war ich in jeder Hinsicht Schülerin.
Gab es Tipps von Ihren Exehemännern Guy Ritchie und Sean Penn, die ja beide Regisseure sind?

MADONNA
Sean habe ich das Skript nie gezeigt. Ich habe nur mit ihm über den Film gesprochen. Guy hat das Drehbuch an einem bestimmten Punkt gesehen. Außerdem haben wir das Konzept und Ideen diskutiert. Aber wie ich die Story aufbauen soll, hat mir keiner gesagt.

Nicht mal ein Hinweis?

MADONNA
Guy hat mir lediglich Tipps zu Kameras und Filmmaterial gegeben und Kameramänner und Tontechniker empfohlen.

Was hat Ihnen an der Arbeit hinter der Kamera gefallen?

MADONNA
Ich habe es genossen, dass alles mit einer Idee beginnt. Meine Gedanken werden zum Drehbuch und daraus die Charaktere, die vor meinen Augen zum Leben erwachen.
Wie haben Sie die richtige Darstellerin der Wallis Simpson gefunden?

MADONNA
Ich habe viele Schauspielerinnen getroffen, aber sie passten alle nicht zur Rolle. Wallis war Amerikanerin, aber sehr europäisch, sie war schick, aber auch androgyn. Als ich Andrea Riseborough traf, wusste ich, dass sie die perfekte Besetzung ist.

Was kann noch eine Herausforderung für Sie sein?

MADONNA
Die Gesetze des Universums zu verstehen, die Natur des Menschen zu ergründen, zu erkennen, was real ist und worauf ich meine Energie verwenden sollte.

Wo finden wir Madonna in Zukunft? Vor oder doch eher hinter der Kamera?

MADONNA
Ich mag die Rolle der Erzählerin. Schauspieler sind unverzichtbare Bestandteile eines Films, aber sie zeigen nicht ihre eigene Sichtweise.

Sie sehen also die Regie als ultimative Form der kreativen Kontrolle?

MADONNA
Es ist ein Fehler zu denken, ich hätte Kontrolle über alles. Als Regisseur wird man tagtäglich mit unerwarteten Dingen konfrontiert, sodass man lernen muss, würdevoll mit Enttäuschungen umzugehen. (lacht)

Interview: Scott Orlin
"Filth and Wisdom" aus dem Jahr 2008 war Madonnas erste Regiearbeit. Eugene Hutz, Sänger der Folk-Punk-Band Gogol Bordello, sucht darin in London den Weg zum Ruhm. Die britische Komödie floppte international und erschien bei uns nur auf DVD.