In "The Rite" spielen Sie einen Priester, sind Sie privat auch religiös?

ANTHONY HOPKINS
Ich würde mich auf jeden Fall nicht als Atheist bezeichnen. Ich glaube. Auch wenn ich nicht konkret beschreiben kann, an was. Nicht, dass ich zur Kirche gehe oder so. Aber ich glaube, dass etwas existiert, das über meinen eigenen Verstand hinausgeht. Etwas, das mein Leben und das Universum bestimmt. Ich weiß nicht, ob das Gott ist oder irgendein machtvoller universeller Geist. Das bleibt das große Mysterium.

Aber sind Sie nicht auch ein großer Fan von Physikern wie Stephen W. Hawking, die an Wissenschaft statt Gott glauben?

ANTHONY HOPKINS
Ja, auf jeden Fall. Ich lese mit Leidenschaft Bücher über Metaphysik. Als Kind war ich extrem interessiert an Astronomie und habe als junger Mann angefangen, mich mit Philosophie zu beschäftigen. Ich hatte allerdings nie eine formelle Ausbildung. Damals hielt ich mich für einen Atheist. Ich hatte noch nicht die Reife, um an irgendetwas zu glauben. Aber später im Leben habe ich langsam realisiert, dass es da doch noch eine übergeordnete Macht geben muss. Wissenschaftler müssen an mathematische Prinzipien glauben. Für mich ist Mathematik eine Form Gottes.

Gab es einen spirituellen Wendepunkt in Ihrem Leben?

ANTHONY HOPKINS
Ja, ich war jahrelang ein sehr schwerer Alkoholiker und extrem verwirrt und durcheinander. Eines Tages habe ich plötzlich realisiert, dass ich so nicht weiter machen kann. Ich habe ruckartig aufgehört. Das war ein wichtiger Wendepunkt in meinem Leben.

Verleih

Sir Anthony Hopkins als Pater Lucas Trevant in "The Rite - Das Ritual"

Sie spielen einen Exorzist, der das Böse bekämpft. Was halten Sie persönlich für das Übel dieser Welt?

ANTHONY HOPKINS
Gleichgültigkeit, Ignoranz, Bigotterie und Intoleranz.

Exorzismus ist sehr umstritten, selbst unter den Geistlichen der katholischen Kirche...

ANTHONY HOPKINS
Das Interessante an dem Film ist, dass es nicht um Übernatürliches geht. Der Film ist eine Debatte um Glauben und Nichtglauben und um das Konzept Wahrheit. Ich spiele einen Priester, der zugibt, dass auch er noch zweifelt und der sich als möglicher Agnostiker und Atheist identifiziert. Jemand, der jeden Tag aufs Neue damit kämpft und nicht weiß, ob er an Gott, den Nikolaus oder Tinker Bell glauben soll.

Glaube und Religion hilft vielen Menschen über Todesängste hinweg. Haben Sie Angst vorm Tod?

ANTHONY HOPKINS
Je näher man seiner eigenen Sterblichkeit kommt, je mehr denkt man natürlich darüber nach. Ich habe definitiv weniger Zeit vor als hinter mir. Aber ich habe mittlerweile eine merkwürdig friedlich philosophische Einstellung. Ich glaube fest daran, dass es etwas gibt, das über das Leben hinausgeht.

Das klingt fast buddhistisch...

ANTHONY HOPKINS
Ja, vielleicht. Ich habe 1976 die Bhagavad Gita gelesen, ich erinnere mich ganz genau. Das Buch hat einen tiefgreifenden Eindruck bei mir hinterlassen.

Haben Sie schon mal etwas Übernatürliches erlebt?

ANTHONY HOPKINS
Das mag jetzt komisch klingen, aber ich habe manchmal das Gefühl, dass das ganze Leben eigentlich nur ein Traum ist. Wirklich.

Verleih

Anthony Hopkins anno 1991 als Hannibal "The Cannibal" Lecter in "Das Schweigen der Lämmer"

Sie haben viele düstere Gestalten wie den legendären Hannibal Lecter gespielt. Ist es eine Herausforderung für Sie abends nach Hause zu gehen und wieder sie selbst zu sein?

ANTHONY HOPKINS
Überhaupt nicht. Ich schauspielere doch nur. Sobald ich nicht mehr vor der Kamera stehe, bin ich sofort wieder ich selbst. Ich nehme meine Rolle nie mit nach Hause. Ich lerne meinen Text einfach nur sehr intensiv, gehe ihn immer und immer wieder durch und beschäftige mich sehr genau mit der Rolle.

Angeblich gehen Sie Ihren Text sogar 250 mal durch, klingt als seien Sie ein Perfektionist?

ANTHONY HOPKINS
Manchmal sogar noch öfter! Aber ich mache das nicht aus Perfektionismus, sondern weil es mir Spaß macht. Außerdem ist es eine gute Methode, um mein Gehirn fit und am Leben zu halten. Wenn ich mit dem Film durch bin, ist der Text sofort komplett aus meinem Bewusstsein verschwunden.

Sie haben schon viele historische Legenden wie Nixon und Picasso gespielt. Interessieren Sie sich besonders für authentische Charaktere?

ANTHONY HOPKINS
Das ist eher Zufall als Vorliebe. Ich suche meine Rollen nicht unbedingt danach aus. Mir ist eigentlich völlig egal, wen ich spiele, solange das Drehbuch gut ist. Ich bin an einem Punkt im Leben, wo ich nur Rollen spiele, an denen ich wirklich interessiert bin. Wenn ich das Gefühl habe, dass ich mich wiederhole, lehne ich ab.

Ist es nach so vielen Jahrzehnten nicht extrem schwer, sich nicht selbst zu kopieren?

ANTHONY HOPKINS
Jeder Schauspieler bringt seine eigene Persönlichkeit mit. Ich bin wer ich bin. Ich glaube, wenn man zu angestrengt versucht, sich für jede Rolle zu verändern, fällt es negativ auf. Die meisten großartigen Schauspieler im Amerika sind mehr oder weniger sie selbst, wenn sie vor der Kamera stehen. Das mag ich. In England, wo ich meine Karriere am Theater begonnen habe, ist das ganz anders.

Was genau ist Ihr Stil?

ANTHONY HOPKINS
Alles was ich tue, ist am Set unglaublich entspannt zu sein. Das passiert automatisch, sobald ich mit meinen Vorbereitungen fertig bin und den Text bis ins Detail auswendig gelernt habe. Ich weiß, wie ich meine Rollen zu spielen habe.

Es gibt also keine Momente mehr, in denen Sie auch mal nervös sind?

ANTHONY HOPKINS
Nein, aber merkwürdigerweise habe ich manchmal einen komischen Traum, kein richtiger Alptraum, aber schon beunruhigend. In dem Traum stehe ich vor der Kamera und habe meinen Text vergessen. Irgendetwas scheine ich da unterbewusst zu kompensieren, da ich meinen Text in der Realität immer beherrsche. Man sieht sofort, wenn ein Schauspieler seine Hausaufgaben nicht gemacht hat. Ich habe schon mit einigen Kollegen gearbeitet, die nicht gut vorbereitet waren. Das ist die Hölle, aber die haben sie sich selbst geschaffen.

Sind Sie mit vielen Ihrer Kollegen aus Hollywood befreundet?

ANTHONY HOPKINS
Nein, ich bin mit keinem einzigen Schauspieler befreundet! Ich habe sowieso nur sehr, sehr wenige Freunde. Die kann ich an einer Hand abzählen. Ich bin ein echter Einzelgänger. Meine Frau ist mein bester Freund. Ich war nie daran interessiert, mich mit Schauspielern anzufreunden. Ich mag sie und arbeite gerne mit ihnen. Aber am Ende des Tages gehe ich lieber nach Hause...