Drei Schauspieler reden über ihre Rollen. Was aber, wenn nur zwei von ihnen wirklich auf der Leinwand zu sehen sind? Im SF-Action­drama "Planet der Affen: Revo­lution" sind das Keri Russell und Jason Clarke, die - nachdem eine Seuche einen Großteil der Menschheit ausgelöscht hat - mit einem Häuflein Überlebender den hierarchisch organisierten Affen begegnen. Ihr Anführer: Caesar, gespielt vom Briten Andy Serkis, der bereits Gollum und King Kong per Motion- bzw. Performance-Capture-Verfahren zum Leben erweckt hat.

Bei dieser Technik spielt der menschliche Darsteller seine Rolle in einer Art Trainingsanzug, übersät mit Sensoren, die den Effektspezialisten dabei helfen, die gewünschte Gestalt im Computer zu erzeugen. Clarke, Russell und Serkis standen also alle zusammen vor der Kamera, aber Serkis leiht sein Talent mal wieder einem anderen Wesen.

TV SPIELFILM: Keri und Jason, waren Sie ein bisschen neidisch auf Ihren Kollegen Andy? Hätten Sie nicht auch gern einmal das Schauspielern mit Motion-Capture ausprobiert?

KERI RUSSELL
Interessante Fra­ge. Der Dreh war auf jeden Fall eine einzigartige Erfahrung, etwas Ähnliches habe ich bislang nicht einmal im Entferntesten gemacht. Aber worauf ich defi­nitiv nicht neidisch war, waren diese grauen Ganzkörperanzüge, die Andy und die anderen tragen mussten! (lacht)
JASON CLARKE Also ich war absolut neidisch, ja. Mich hat das sehr an meine Zeit an der Schauspielschule erinnert, wenn man versucht hat, sich in ein Tier hineinzuversetzen, die Bewegungen nachzuahmen; das ist unglaublich befreiend. Auch deshalb habe ich Andy und Terry Notary, der unser offizieller Affen-Bewegungslehrer war...

Sie hatten einen offiziellen Affen-Bewegungslehrer?

JASON CLARKE
Ja, außerdem Turner, Parkourexperten und Zirkusartisten. Wenn Andy, Terry und die anderen also diese grauen Anzüge anlegen, ist das ähnlich wie die Arbeit mit Masken. Es geht eine unglaubliche Stärke davon aus. Wenn du allerdings im nächsten Moment siehst, wie sie sich in der Hitze von New Or­leans, wo wir gedreht haben, die Seele aus dem Leib schwitzen, dann denkst du: Nee, alles gut so.

ANDY SERKIS Du hast vollkommen recht mit deinem Vergleich des Motion-Capture-Verfahrens mit Masken, aber es geht noch weiter. Wenn ein Schauspieler eine Rolle in Kostüm und Make-up spielt, sei es Charles Laughton als Glöckner von Notre Dame oder auch Meryl Streep als Margaret Thatcher, dann tut er das, was wir auch tun: Er verwandelt sich. Beim Performance-Capturing habe ich kein Kostüm und kein Make-up, aber ich spiele genau wie meine Kollegen, nur ist die Performance eine andere.
In welcher Hinsicht?

ANDY SERKIS
Die Digitalspezialisten, die Animatoren übernehmen deine Performance und ergänzen sie, kleiden sie mit einer weiteren Schicht aus. Das ist vergleichbar mit dem Erstellen eines Avatars in einer virtuellen Welt, wie es zum Beispiel bei Onlinespielen gemacht wird.

JASON CLARKE Und das Irrste ist: Wenn ich mir jetzt eine im Computer fertiggestellte Szene mit mir und Caesar anschaue, dann sehe ich Andy, total. Ich erinnere mich an den Moment, als wir das gedreht haben, ich erinnere mich an die physischen Elemente. Ich erkenne die Augen, ich höre seine Stimme, ich spüre seine Energie, und die ist sehr intensiv.

War das von Anfang an so?

JASON CLARKE
Nein, man braucht eine Weile, bis man das hinkriegt. Am Anfang war es schon ein komisches Gefühl, wenn man Andy und die anderen am Set sieht, wenn sie sich rufen (imitiert Affengeräusche) und wenn du mit ihnen sprichst. Außerdem redest du als Mensch viel schneller, da muss man lernen, Pausen zu lassen bei den Dialogen.

KERI RUSSELL Wisst ihr, dass ich diesen Film fast abgesagt hätte, weil ich mir einfach nicht vorstellen konnte, wie es sein würde? Ich habe überlegt, wie ich mit diesem erwachsenen Mann, diesem großartigen Schauspieler arbeiten könnte, der mir in einem grauen Strampelanzug gegenübersitzt und Affengeräusche macht. (lacht) Seht ihr, so hatte ich mir das vorgestellt, dass ich dauern lachen müsste, dass es albern wäre. Aber das war es nicht, überhaupt nicht.
Woran liegt das?

ANDY SERKIS
Im Grunde ist es das, was Jason vorhin schon gesagt hat. Nehmen wir Caesar, den Affenanführer, den ich ja schon im letzten Film ("Planet der Affen: Prevolution", 2011) gespielt habe: Alles, was Caesar denkt, fühlt, kommuniziert, ob er Zeichen­sprache benutzt oder Geräusche macht, die Art, wie er sich verhält und bewegt, ist angetrieben von einer einzigen Sache: Schauspielerei. Und das gilt nicht nur für Caesar, sondern auch für alle anderen Affen in diesem Film und übrigens auch für alle an­deren Figuren, die ich bislang gespielt habe. Dahinter steckt immer ein Schauspieler.

Und genau den wollen die Zuschauer sehen, auch wenn er nicht aussieht wie Andy Serkis?

ANDY SERKIS
Exakt. Die Leute wollen Schauspieler sehen, die sie bewegen, sie wollen von einer Performance bewegt werden, nicht von einem Spezialeffekt. Und diese Performance findet auf einem Set statt, mit einem Regisseur und anderen Schauspielern, wie bei ganz konventionellen Filmen mit realen Darstellern auch.

Und der Prozess der Animation?

ANDY SERKIS
Das passiert alles hinterher, und das ist eine ganz besondere, ganz neue Kunstform. Schauspielerei ist Schauspielerei, und visueller Effekt ist visueller Effekt, und das muss man dann zusammenbringen. Aber alles, was man auf der Leinwand sieht, was dich dazu bringt, etwas zu fühlen oder zu denken, kommt vom Schauspieler.
Also ist es für Sie kein großer Unterschied, ob Sie eine CGI-Figur wie Caesar spielen oder einen realen Menschen, was Sie ja auch ab und an noch tun?

ANDY SERKIS
Nein. Meine letzte "reale Rolle", wenn man so will, war die des Punkveteranen Ian Dury in "Sex & Drugs & Rock & Roll". Das war ein körperlich ziemlich anspruchsvoller Part, Dury hatte Polio, und er war Rockmusiker, aber wie ich an solch eine Rolle herangehe, ist nicht anders als bei Caesar oder Gollum.

Für die Dreharbeiten in British Columbia waren Sie zeitweise ziemlich abgeschnitten von der Zivilisation. Wie war das?

KERI RUSSELL
Ich fand's toll. Wir waren wirklich sehr tief drin in diesem wunderschönen Waldgebiet. Da gab es auch keinen Netzempfang, kein Mobiltelefon funktionierte. Ich hab damit ja keinerlei Probleme, ich finde es zum Beispiel völlig irre, dass Leute in­zwischen im Flugzeug Internet­emp­fang haben müssen. Ich glaube ja, man kann sehr gut auch sechs Stunden mal ohne
Internet auskommen, aber das sehen andere wohl anders.
Sind Sie ein Outdoortyp? Oder bevorzugen Sie ein schönes Hotelzimmer?

KERI RUSSELL
Kann ich nicht beides haben? (lacht) Ich glaube, ich könnte in der Wildnis überleben, ich fühl mich wohl draußen, aber ich mag es auch, im Ritz-Carlton zu übernachten, keine Frage!

Was würden Sie in die Wildnis mitnehmen?

JASON CLARKE
Ein Schweizer Armeemesser und einen Kompass.

Wie im Film scheinen Sie jemand zu sein, der im Zweifel die Führungsrolle übernimmt. Ist das so?

CLARKE
(lacht) Zumindest bin ich jemand, der weiß, wer für was am besten einzusetzen ist. Ich würde also ein ganz gutes Team zusammenstellen. Vielleicht liegt das aber auch nur daran, dass ich gerade einen Film namens "Everest" gedreht habe (mit Keira Knightley und Jake Gyllenhaal), für den wir ganz schön rumgekraxelt sind - ich bin also vorbereitet.

Apropos neue Filme: Andy, was können Sie uns zu "Star Wars: Episode VII" verraten?

ANDY SERKIS
Alles, was ich sagen kann, ist: Ja, ich bin daran be­­teiligt, ebenso mein eigenes Performance-Capture-Studio, und die Rolle, die ich im Film spielen werde, ist - oh, das darf ich Ihnen leider doch nicht erzählen. (grinst)

Interview: Scott Orlin