Ist es möglich, einen gesunden und intelligenten Menschen so weit zu treiben, dass er aus freien Stücken jemanden tötet? Was muss passieren - vor allem dann, wenn man das potenzielle Mordopfer sechs Wochen zuvor noch gar nicht kennt? "Der Schatten" heißt ein Roman mit Mystery-Elementen der hochgelobten Autorin Melanie Raabe aus dem Jahr 2018. Nun wurde der Bestseller als sechsteilige Serie vom ZDF verfilmt. In der Mediathek ist "Der Schatten" bereits seit Anfang Juni verfügbar, nun läuft die ZDFneo-Produktion noch mal am Stück im (nächtichen) ZDF: am Donnerstag, den 17. August, ab 23.20 Uhr. Sechsmal etwa 40 Minuten sind gegen 3.30 Uhr beendet, also noch ehe sich die Schatten der Nacht den ersten Sonnenstrahlen ergeben. Doch worum geht es in der "jungen" ZDF-Serie?
Der Schatten: Das passiert in der ZDF-Serie
Als die junge, selbstbewusste Norah (Deleila Piasko) nach einer schwierigen Trennung Berlin verlassen und beim hippen Magazin "Neue Normalität" ein großes Porträt des exaltierten Performancekünstlers Wolfgang Balder (Andreas Pietschmann) beginnt, scheint ihr Neuanfang in Wien zu gelingen. Doch nach der seltsamen Mord-Prophezeiung schleichen sich immer mehr Merkwürdigkeiten in Norahs Leben. Verliert sie den Verstand? Oder ist die seltsame Vorhersage tatsächlich mächtiger als alle Rationalität?
Nun gut, ganz klischeefrei ist das betont jung inszenierte Genre-Stück (Drehbuch: Stefanie Veith, Regie: Nina Vukovic) nicht: Da verhalten sich Freunde auf einmal seltsam. Es geschehen Dinge, die so eigentlich nicht geschehen dürften, und selbstverständlich sieht niemand, außer der Hauptfigur selbst, das Problem. Deleila Piasko, "Ernst Busch"-Schauspielabsolventin und Theaterstar, war zuletzt in Anna Wingers Netflix-Serie "Transatlanic" zu sehen. Die 32-jährige Schweizerin trägt die Serie auf eine Weise, dass man den irren Trip einer jungen Frau, die immer mehr auf sich allein und ihre vielleicht kranke Wahrnehmung gestellt ist, durchaus überzeugend findet - was bei diesem Plot durchaus eine Leistung ist.
Ein Pluspunkt ist, wie in eigentlich jeder Serie oder jedem Film, der charismatische Andreas Pietschmann ("Dark", "1899") in der Rolle eines schwer zu durchschauenden Künstler-Gurus. Wie immer bei solchen Stoffen hängt viel davon ab, ob man sich als Zuschauerin oder Zuschauer auf die gewagte Plot-Gemengelage einlässt. Tut man es, funktioniert die Serie durchaus als kleines, fieses Genrestück. Anders als bei klassischen Paranoia-Stoffen der Marke "Wenn die Gondeln Trauer tragen" steht bei "Der Schatten" ein junges Lebensgefühl der Protagonisten im Mittelpunkt, was den Stoff ein wenig von seinen Vorgänger-Plots abhebt.