Mit acht Jahren tauchte Susanne Bormann das erste Mal auf der Leinwand auf ("Treffen in Travers"), mit 17 bekam sie bereits den Adolf-Grimme-Preis (für Ihre Rolle als Pattie in "Abgefahren"), in letzter Zeit war sie im "Baader Meinhof Komplex" und in "Fleisch ist mein Gemüse" sowie als Kriemhild in den Nibelungenfestspielen 2009 in Worms zu sehen - Susanne Bormann ist begabt, erfolgreich und aus dem deutschen Fernsehen, Kino und Theater nicht mehr wegzudenken (siehe Bildergalerie).

Jetzt ist sie in der ARD-Märchenreihe "Acht auf einen Streich als böse Zofe Magdalena in der Verfilmung "Die Gänsemagd" zu sehen. Wir sprachen mit Susanne Bormann über den Film, ihre Rolle und die Moral von der Geschicht'.

Sie spielen in "Die Gänsemagd" die fiese Kammerjungfer. Dafür werden Millionen Kinder Sie leidenschaftlich hassen. Wie gehen Sie damit um?

SUSANNE BORMANN Ja, ist doch super! Sollen sie mich doch hassen! (lacht) Nein, mal im Ernst: Ich würde mir wünschen, dass Sie mich nicht nur hassen, sondern auch die Kammerjungfer in sich selbst entdecken. Jedes Mädchen hat doch das Bedürfnis, eine Prinzessin zu sein. Wer träumt denn nicht davon, statt im Dreck zu wühlen auch mal im Schloss zu wohnen?
Das Bedürfnis der Kammerjungfer ist daher in gewisser Weise sehr menschlich. Ich fände es spannend, wenn die Kinder dieses Bedürfnis nachvollziehen können, aber dann bemerken, dass die Mittel nicht die richtigen sind. Dass man eben nicht im Schloss landet, indem man andere in den Dreck stößt, sondern dass man dadurch nur noch tiefer sinkt.

Kannten Sie das Märchen vorher?

SUSANNE BORMANN Ja! Ich liebe Märchen und kenne alle!

Haben Sie sich mit Karoline Herfurth (spielt die Prinzessin) gestritten, wer die Zofe und wer die Prinzessin ist?

SUSANNE BORMANN Nein, gestritten heben wir uns nicht, was sehr interessant war. Denn wir wurden tatsächlich vor die Wahl gestellt. Passender Weise hat sich Karoline von Anfang an mehr für die Figur der Prinzessin Elisabeth interessiert und ich mich mehr für die böse Zofe Magdalena.
Was reizt Sie an Ihrer Figur?

SUSANNE BORMANN Die Prinzessin ist ziemlich passiv. Karoline macht das ganz toll und spielt die Prinzessin so wunderbar passiv, wie man es nur spielen kann. Sie bringt da einen ganz eigenen Charme rein. Ich fand die ambivalente Figur der Zofe großartig. Es hat mich sehr fasziniert, dass sie so einen starken Antrieb hat. Das Böse hat immer einen großen Antrieb und bietet wahnsinnig viele Spielmöglichkeiten. In sofern war es ein Fest, die Rolle zu spielen. Es hat mich gereizt, eine Figur darzustellen, die man bis aufs Blut hassen, aber gleichzeitig auch gut verstehen kann.

Haben Sie auch schon vor dem Filmdreh das Märchen in dieser Weise interpretiert?

SUSANNE BORMANN Das entwickelte sich eigentlich erst durch das Drehbuch. Denn hier wurde die Vorgeschichte der beiden Figuren noch ausgebaut. Man sieht im Film, dass die Zofe Magdalena schon als Kind in bitterarmen Verhältnissen lebt. Es gibt eine Sequenz, in der auch die Prinzessin schon als Kind auftaucht und ein Unrecht an der Zofe begeht, wenn auch unabsichtlich: Die Kutsche, in der Prinzessin sitzt, fährt Magdalenas Puppe eines Tages den Kopf ab. Und die Puppe ist wirklich das Einzige, was Magdalena lieb und teuer ist. Diese Szene finde ich gut, denn wir wollten die Zofe nicht nur plakativ böse darstellen. Im Drehbuch ist man an die ganze Geschichte psychologischer herangegangen und wollte bewusst die klare Trennung in Gut und Böse vermeiden.

Was genau ist denn nicht böse an der Figur der Zofe?

SUSANNE BORMANN Magdalena hat ja durchaus viele positive Eigenschaften. Sie ist sehr kreativ in ihren Mitteln (lacht) und auch klug. Und sie hat eine große Durchsetzungskraft. Das sind ja erstmal Eigenschaften, die nicht pauschal zu verurteilen sind. Die Prinzessin hingegen ist anfangs nur ein Fähnchen im Wind, sehr passiv und lässt alles einfach so mit sich geschehen. Sie gewinnt erst an Stärke, als ihre Zofe sie herausfordert. Erst durch Magdalena findet die Prinzessin zu sich selbst.

Das Märchen endet im Original damit, dass die böse Zofe in einem mit Nägeln beschlagenen Fass durchs Dorf getrieben wird. Wie wurde das im Film umgesetzt?

SUSANNE BORMANN Das Urteil wird im Film nur verkündet, die Ausführung aber nicht gezeigt. Durch die Prinzessin wird die Strafe der Zofe auch noch abgemildert. Es ist hier nur ein schlichtes Fass ohne Nägel, das dann aufs Wasser gesetzt wird. Die Prinzessin hofft, dass die Zofe in ein besseres Leben getragen wird, ohne Lug und Betrug.

Die heftige Grausamkeit des Originals hat man also in Rücksicht auf die zuschauenden Kinder etwas abgeschwächt?

SUSANNE BORMANN Ja, aber auch damit die Prinzessin noch mehr in Erscheinung tritt und auch ein Wörtchen mitzureden hat. Im Original fällt das Urteil der König. Das heißt, eigentlich denkt die Zofe zunächst, sie bestimme ein Urteil für die Prinzessin. Der König sagt ihr schließlich, dass sie damit ihr eigenes Schicksal besiegelt hat. Die Prinzessin steht dabei also eigentlich im Hintergrund. Das wollten wir im Film ändern, um ihre Figur zu stärken.

Neben Prinzessin und Zofe spielt der Hengst Fallada eine große Rolle. Wie war es, ein Pferd als Spielpartner zu haben?

SUSANNE BORMANN Oje, das war anstrengend! Ich hatte immer Mitleid mit den Pferden, denn ich hätte keine Lust, den ganzen Tag rum zu stehen. Die Filmpferde waren extrem ruhig und wahnsinnig geduldig. Kritisch war es nur immer dann, wenn Lärm entstand und die Pferde sich erschraken. Wenn du dann da oben in deinem Damensattel sitzt und dich nicht wirklich festhalten kannst, dann hoffst du einfach nur, dass du das überstehst und heil wieder runter kommst.

Und die Moral von der Geschichte?

SUSANNE BORMANN Zum Einen sollen die Zuschauer mit ihrer Meinung über die Zofe hin und her gerissen sein. Obwohl man denkt: "Jetzt kriegt sie das, was sie verdient hat!" kann man gleichzeitig Mitleid mit ihr empfinden. Denn dieses Streben nach Glück und Wohlstand, aus dem heraus sie handelt, tragen doch die meisten Menschen in sich. Man sollte aus dem Märchen lernen, dass man, um sich nachvollziehbare Wünsche zu erfüllen, niemals zu verurteilenswerten Mitteln greifen soll.
Unsere Interpretation der "Gänsemagd" soll außerdem anhand der Geschichte der Prinzessin zeigen, dass es immer eine Möglichkeit gibt, um sich zu befreien. Die Situation, dass ein Mädchen ein anderes ausnutzt - so wie die Zofe im Märchen die Prinzessin - findet sich heute auf jedem Schulhof wieder. Man muss Unterdrückung nicht aushalten, sondern kann sich entscheiden, aktiv zu werden und die Rolle des Opfers ablehnen. Für diesen Weg entscheidet sich letzten Endes auch Prinzessin Elisabeth, reift daran und wird erwachsen.

Interview: Verena Manhart