.
Erschienen durch Kooperation mit

Kolumne

Vor vier Monaten das letzte mal geduscht – "Hartes Deutschland" zeigt die Corona-Realität auf der Straße

Die RTLZWEI-Doku Hartes Deutschland zeigt: Das Leben auf der Straße ist während der Corona-Pandemie noch härter.
Die RTLZWEI-Doku "Hartes Deutschland" zeigt: Das Leben auf der Straße ist während der Corona-Pandemie noch härter. RTLZWEI

Homeoffice? Homeschooling? All das haben wir erlebt. Aber wie lässt sich eine Pandemie durchleiden ganz ohne Home? RTLZWEI begleitet mit der Kamera Menschen, die kein Zuhause haben. "Hartes Deutschland" heißt das Programm. Und wir sehen: Das Leben auf der Straße ist tatsächlich einfach härter.

Corona ist hart. Die Pandemie heißt: Homeoffice. Homeschooling. Alles ist, alles war: at home. Millionen Menschen haben das über viele, viele Monate als echte Härte im Leben erlebt. Wie aber ist es für Menschen, denen das Home und das Office fehlen, die kein Home und kein Schooling haben? "Hartes Deutschland" nimmt sich einen Fernsehabend lang dieser Menschen an. 

30 Drogenabhängige pro Jahr sterben in Frankfurt an Folgen ihrer Sucht, erfährt der Zuschauer. "Vermutlich die härteste Drogenszene Deutschlands"  habe sich hier rund um Hauptbahnhof entwickelt. Die RTL2-Kamera beobachtet Menschen wie Pille. Der ist erst 24 Jahre jung. Seit zehn Jahren ist er auf Droge, seit zwei Jahren obdachlos. Die Kamera zeigt ihn, als er sich gerade eine Spritze setzt. Auf eine Dusche würde er sich freuen, erfahren wir. Wann er das letzte Mal geduscht hat? "Vor viereinhalb Monaten."  Corona trifft ihn hart. Es sind einfach zu wenige Menschen auf der Straße. Wen soll er da anschnorren um ein bisschen Kleingeld? "Es ist die Hölle", sagt er. Und er fügt hinzu: "Es ist nicht mehr schön." Der Zuschauer schaut zu, wie sich Pille mit Eiterbeulen herumschlägt. Irgendwann muss er ins Krankenhaus wegen der Infektionen im Arm. Er wird behandelt. Er erfährt, er solle sich jeden Tag waschen. Kriegst du das hin? "Nö."

Menschen beim Scheitern zusehen: Das ist "Hartes Deutschland"

Die Heldinnen und Helden heißen: Tanja, 50, Diplom-Physiotherapeutin. Und auf Droge. Jörg, Chemikant. Er wünscht sich, "dass Jesus mir die Kraft gibt, drogenfrei zu leben". Leider funktioniert das nicht so. Schnell bricht er den Entzug wieder auf und kehrt zurück auf die Straße und zu seinen Routinen. Mike, genannt "Mörder-Mike", weil er einen Menschen totgeschlagen hat. Er möchte ins betreute Wohnen. Tatsächlich wandert er in den Knast. Eineinhalb Jahre werden frisch geurteilt.

Es ist irritierend, diesen Menschen zuzuschauen beim Scheitern – an den Drogen, an Corona, an ihren Leben. Noch verstörender ist es, zwischendurch die Mikrofone und die Kabel zu sehen, angesteckt vom Fernsehteam, das aus dem Leiden ein abendfüllendes Programm produziert. "Drogen können Liebe und Geborgenheit nicht ersetzen", erzählt eine Sprecher-Stimme. Pädagogisch, therapeutisch, missioniarisch wertvoll?  Das mag man so argumentieren können. Ich persönlich gebe zu: Ich bin kein Mensch, der Talent hat zum Schaulustigen. Es macht mir keine Freude, an einem Verkehrsunfall in Zeitlupe vorbeizufahren. Da ist auch "Hartes Deutschland" keine Freude an einem Fernsehabend. "Es ist so diskriminierend", sagt er, "wie ein Mensch zweiter Klasse." Das Leben steht still. So ist Corona. Nur das Fernsehen dreht immer weiter. So ist RTL2.

Der Artikel Vor vier Monaten das letzte mal geduscht – "Hartes Deutschland" zeigt die Corona-Realität auf der Straße wird veröffentlicht von FOCUS online.