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Von Raab bis Rosin: Wie das Privatfernsehen sein Programm aufräumt

Von Raab bis Rosin: Wie das Privatfernsehen sein Programm aufräumt
Neu sind die Gesichter des Privatfernsehens nicht, aber sie haben teilweise neue Gestalt angenommen Getty Images/dpa Montage: TV Spielfilm

ProSieben, RTL und Sat.1 haben auf den Screenforce Days in Köln ihr Zukunftsprogramm vorgestellt. Auffällig: Die Sender spannen prominente Gesichter als Zugpferde vor ihre um Anschluss ringenden TV-Wägen. Eine Bestandsaufnahme.

Ist das der Angstschweiß einer an Bedeutung verlierenden Fernsehgilde? Höchstens Tropfen aus der Zukunft, denn das Fernsehen ist noch immer das deutsche Massenmedium Nummer 1 - und wird es auch auf absehbare Zeit bleiben. Allerdings hat das Privatfernsehen durchaus mit Problemen zu kämpfen: Sinkende Quoten, Konkurrenz von boomenden Streamingdiensten und schwindende Sender-Ikonen. All das sorgt bei ProSieben, RTL und Sat.1 dafür, dass fleißig an tragfähigen Zukunftsstrategien gefeilt wird.

Dabei geht es in erster Linie um Geld. Um sich bei den Werbe-Umsätzen langfristig gut zu positionieren und nicht noch mehr an Google, Facebook, Amazon und viele Andere zu verlieren, rauften sich die deutschen TV-Vermarkter zusammen und stellten in Köln ein öffentlichkeitswirksames Event auf die Beine: die Screenforce Days.

Dass feierlich Pyro-Technik gezündet wurde oder Musik-Acts wie die Fantastischen Vier, Samu Haber und Yvonne Catterfeld auftraten, kann noch als Muskelspielchen verstanden werden, doch eine programmatische Richtung war auch erkennbar. Was Netflix und Amazon mit teuren Eigenproduktionen vormachen, nehmen sich vermehrt auch (wieder) die drei TV-Dinos vor: Exklusivität durch Eigenkreationen und Publikumsstärke durch namenhafte Prominenz.

Wir haben uns das angekündigte Programm der Privatanstalten mal genauer angeschaut.
ProSieben: Die Post-Comedy-Ära
Zieht Raab bei ProSieben zuküntig aus dem Hintergrund die Fäden?
Sind Gags und gute Laune Geschichte beim "The Big Bang Theory"-Sender aus Unterföhring? Zumindest vorerst lautet die Antwort: ja. Nach der Raab-Ära, die im Dezember 2015 zu Ende ging, füllten vor allem Joko & Klaas das Spaß-Vakuum mit "Circus Halligalli", "Die beste Show der Welt" oder dem "Duell um die Welt". Doch bekanntlich werden die gemeinsamen Auftritte der Beiden seltener, nachdem am Dienstag (20.06.) die letzte Ausgabe ihrer wöchentlichen Ulk-Show über die Bildschirme lief. Da die Programmmacher um ProSieben-Chef Daniel Rosemann ungerne Trübsal blasen, musste ein Knaller her.

In Form von Stefan Raab stand der auf der Bühne und verkündete, dass er für seinen alten Haussender die Erfinder-Show "Das Ding des Jahres" entwickelt. Wer die Show moderiert und wann die Sendung starten soll, ist unklar. Nur so viel: Erfinder sollen in der Show in Duellen gegeneinander antreten. Der Sieger erhält ein Mediavolumen im Wert von 2,5 Millionen Euro, um seine Idee zu promoten. Eine Mischung aus "Die Höhle der Löwen" und "Bares für Rares" und damit nicht revolutionär neu. Aber: "Raab kehrt zurück zu ProSieben" sollte die Schlagzeilen beherrschen und das ist gelungen.

Die zweite Ankündigung war weniger überraschend: Steffen Henssler übernimmt den Raab-Klassiker "Schlag den Raab" und macht das TV-Duell somit zu "Schlag den Henssler". Der Start der neuen Show ist für September angekündigt.

Mit Joko & Klaas sind erst einmal drei Shows geplant: "Joko gegen Klaas - Das Duell um die Welt" kommt im Herbst 2017 (wahrscheinlich letztmalig) zwei Mal und es gibt neue Ausgaben "Der besten Show der Welt". Außerdem sind Soloprojekte der Beiden geplant: Joko Winterscheidt wird im Herbst zum ersten Mal die neue Show "Dabei sein ist teuer" moderieren und dem Sender auch sonst für Samstagabend-Shows zur Verfügung stehen.

Wie es mit Klaas Heufer-Umlauf weitergeht, ist nicht ganz klar. Vage Andeutungen erwecken den Eindruck, dass der ehemalige VIVA-Solo-Moderator eine Art Late-Night-Show mit größerer politischer Aktualität präsentieren könnte. Ein Wink mit dem Zaunpfahl: Zur Bundestagswahl soll er im Herbst die politische Berichterstattung von ProSieben übernehmen. Bis dato immer klar Raabs Metier: Doch anno 2017 soll Klaas Heufer-Umlauf Spitzenpolitiker treffen. Außerdem bekommt der 33-Jährige 2018 eine eigene neue Show-Reihe. Weitere Details zu Namen und Konzept will der Sender jedoch nicht verraten.

Und das gibt es sonst noch:

1. "Get the F*ck out of my House". Das Konzept: 100 Menschen ziehen in ein Einfamilienhaus in der Eifel. Wer es dort am längsten aushält, gewinnt 100.000 Euro.

2. "Kiss Bang Love". Diesmal in einer Prime-Time-Edition. Gleich über mehrere Folgen wird auf der Suche nach dem richtigen Partner blind herumgeknutscht.

3. "Young Sheldon": Nach dem Mega-Erfolg von "Big Bang Theorie" erzählt die Sitcom die Geschichte des jungen Nerds Sheldon Cooper. Einen Starttermin gibt es noch nicht.
Sat.1: Sonntags Shows, freitags Comedys
Foto: dpa, Wird Luke Mockridge ein prägendes Sendergesicht für Sat.1?
- Der Show-Sonntag
Zuletzt traute sich Sat.1, am Sonntag zur Primetime mit Shows den Quotenplatzhirsch "Tatort" herauszufordern. Mit "The Voice" wurde das Risiko belohnt, "Little Big Stars" und "It's Showtime" floppten hingegen erbärmlich. Sat.1. setzt aber Sonntags in Zukunft weiter auf Shows, allerdings auf keine neuen Formate sondern auf etablierte Sendungen. Es wird Promi-Ausgaben von "The Taste" geben, das im vorigen Jahr getestete Tier-Casting "Superpets" bekommt einen Platz am Sonntag. Neben Michelle Hunziker bewerten künftig Jorge Gonzales und Christoph Maria Herbst besondere Fähigkeiten von Haustieren.

- Der Comedy-Freitag
Nach seinem Erfolg mit der Schulshow "Luke! Die Schule und ich" bekommt das hauseigene Talent Luke Mockridge eine neue Show: In "Luke! Die 90er und ich" schnackt der 28-jährige mit Gästen über das Jahrzehnt seiner Kindheit. In "Das gibt's doch gar nicht!" müssen zwei Teams unter der Leitung von Annette Frier und Kaya Yanar herausfinden, welche Erfindung echt ist und welche nicht.

- Mehrteiler
Bei Serien setzt Sat.1 weiter auf US-Importe, ein größeres eigenproduziertes Prestigeprojekt plant der Sender mit einem Mehrteiler über den "Circus Krone"
RTL: Die große Serienoffensive
Foto: dpa, Frank Buschmann drängt bei RTL in immer mehr Formate...
Die Kölner starten eine Serienoffensive, gleich sechs Eigenproduktionen sind in der Pipeline: Alle neuen Serien versuchen klassischen Serienformaten (Krimi, Krankenhaus, Anwalt) neue, witzige Drehs zu geben. In der Krimiserie "Bad Cop" schlüpft ein Kleinkrimineller in die Rolle seines verstorbenen Zwillingsbruders, eines Kommissars, in "Sankt Maik" ein Betrüger in die Soutane eines Pfarrers. In der Krankenhausserie "Lifelines" muss ein Truppenarzt zurück in sein altes Hospital. Dazu kommen noch zwei Anwaltskomödien, "Jenny - echt gerecht" und "Beck is back" und die Sitcom "Beste Schwestern".

Sonst noch neu bei RTL: In "Buschi vs Köppen" gibt es für Frank Buschmann und Jan Köppen ein Duell um die Welt, frei nach Joko und Klaas. In "Showdown der weltbesten Magier" batteln sich Zauberkünstler, Jenke von Wilmsdorff schickt bei "Kopfgeld" sechs Kandidaten in die Wildnis.
Vox: Importe aus UK
In der letzten Saison war Vox dank erfolgreicher Eigenproduktionen ("Die Höhles des Löwen, "Sing meinen Song") der einzige große Privatsender mit steigenden Marktanteilen. Dieser Erfolg soll weitergehen, deshalb hat der Sender drei britische Erfolgsshows importiert. In "Ich, einfach unvermittelbar?" sollen talentierte, aber durch Autismus oder Tourette-Syndrom benachteiligte Personen gefördert werden. In "One Night with my Ex" treffen sich getrennte Paare noch einmal für einen Abend. "Das Vorstellungsgespräch" begleitet echte Bewerbungsverfahren.

Im fiktiven Sektor geht der "Club der roten Bänder" in die dritte und letzte Staffel, mit "Big Little Lies" konnte Vox eine US-Hitserie mit Starbesetzung (Nicole Kidman, Reese Witherspoon) an Land ziehen.
Kabel eins: Jeden Tag Rosin
Die Unterföhringer investieren vor allem ins Vorabendprogramm. Dort soll Senderzugpferd Frank Rosin einen anderen Profikoch zum Duell herausfordern. In "Gekauft, gekocht, gewonnen" lauern die Sterneköche im Supermarkt ahnungslosen Kunden auf, suchen sich jeweils einen mit vielversprechend gefülltem Einkaufswagen aus und kochen mit ihm zuhause ein Gericht, nur aus den gerade gekauften Zutaten. In "Schrauben, sägen, siegen" treten nicht Profibrutzler sondern Hobbyheimwerker nach dem Prinzip von "Das perfekte Dinner" gegeneinander an.
Autoren: Sebastian Milpetz und Steven Sowa