"Nur über meine Leiche", sagt Karla (Iris Berben) zu ihrer Ärztin. Die Medizinerin hat der Berlinerin gerade eröffnet, dass sie nur noch ein paar Wochen zu leben habe, am besten solle sie sofort in ein Hospiz gehen. Auch von einer Sterbebegleitung daheim ist Karla wenig angetan: "Ich hatte noch nicht mal eine Begleitung fürs Leben", sagt sie. Für die bislang starke und lebenserfahrene Frau bedeutet die unheilbare Krebserkrankung, dass ihr einst so wildes Leben - als Fotografin von Musikbands - mit vielen Tourneen, Joints und Partys endgültig vorbei ist. Sie will weiterhin allein in ihrer großen Wohnung bleiben und plant dort ihren allmählichen Abschied. Die Hilfe des ehrenamtlichen Sterbe-Helfers Fred (Godehard Giese), hauptamtlich ein Verkehrsplaner, lehnt sie zunächst ab. Das Drama mit dem ungewöhnlich langen Titel "Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster" läuft am Karfreitag um 20:15 Uhr im Ersten.

Sparsame Dialoge und lange Blicke

Karla ändert ihre Meinung. Und hier kommt Freds Sohn Phil (Claude Heinrich) ins Spiel, ein schüchterner Teenager mit künstlerischen Ambitionen - was Karla natürlich sofort erkennt. So gelingt ihm erstaunlich schnell ein Zugang zu der todkranken Frau, und er darf ihre Konzertfotos für die Nachwelt archivieren. Sie hält sie lediglich für flüchtige Momente, ist aber doch froh, dass sie nun erhalten bleiben. Durch Karla lernt Phil die herzensgute Studentin Rona (Zoë Valks) kennen. Und ganz allmählich entsteht zwischen Karla, Fred, Phil und Rona eine besondere Freundschaft.

Iris Berben (72, "Das Unwort") spielt glaubhaft eine eher schroffe Frau, die keinerlei Freunde oder Familie hat und immer unabhängig und kompromisslos gelebt hat - sie wollte stets die Kontrolle über ihr Leben behalten. Godehard Giese (50, "Niemand ist bei den Kälbern") gibt mit leisen Tönen einen sanftmütigen Mann, der ständig versucht, irgendwie mit allen gut auszukommen - vor allem mit seinem Sohn, den er allein erzieht, allerdings meist mit Fertigkost versorgt.

Der schüchterne junge Phil wird grandios gespielt von Claude Heinrich (17, "Wir sind dann wohl die Angehörigen") - sein Teenager hat viel Sinn für Poesie und fleischlose Ernährung, er mag Gedichte von Rilke und schreibt auch selbst welche ("Verloren in Arizona").

Für die Regie des Films zeichnet Till Endemann (47, "Im Schatten der Angst - Du sollst nicht lügen", am 17. April im ZDF) verantwortlich. Er setzt auf sparsame Dialoge und lange Blicke, die viel über die Personen aussagen. Es geht nicht um Sterbehilfe, sondern darum, auch und gerade im Sterben seine Würde zu bewahren und selbst bestimmt zu gehen - was Karla hier ermöglicht wird. Gezeigt wird also auch der Respekt anderer vor ihren sehr klar geäußerten Wünschen.

Es ist ein wichtiger, wunderbar anrührender und feinfühliger Film, voller Humor und Traurigkeit, über das Gebrauchtwerden, über Einsamkeit, Freundschaft und Dankbarkeit im Leben. Bis zum - nicht nur traurigen - Schluss ein Fenster aufgeht.