Es hätte Anzeigen gegeben, erklärten die Mitarbeiter vom Amt für Arbeitssicherheit, als sie im August vergangenen Jahres die Dreharbeiten der WDR-Krimireihe "Im Angesicht des "Verbrechens" besuchten. Anzeigen, dass hier Tag und Nacht durchgearbeitet werde. Dass die gesetzlich vorgeschriebenen Pausenzeiten massiv nicht eingehalten würden.
Einhaltung der Ruhezeiten
Einhaltung der Ruhezeiten
Keine Aktion kleinkarierter Prinzipienreiter. Schließlich wird auf Filmsets mit schwerem Gerät hantiert. Glühend heiße Scheinwerfer müssen bewegt, Gerüste für Kulissen aufgebaut werden. Und mit chronisch übermüdetem Personal kann es zu schweren Unfällen kommen. Das Amt pochte auf die Einhaltung der Ruhezeiten.
Für die Produktionsfirma Typhoon bedeutete dies zwölf zusätzliche Drehtage und Mehrkosten von geschätzten zwei Millionen Euro - was sie in die Insolvenz trieb. "Wir haben diesen Fall öffentlich gemacht", sagt Robert Rath vom Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit, "damit sich in der Szene herumspricht, dass die Gesetze eingehalten werden müssen." Denn die Arbeitssituation bei "Im Angesicht des Verbrechens" sei kein Einzelfall.
120 000 bis 150 000 Euro pro Tag
In der Filmszene sei grundlegend etwas zu verbessern, sagt Rath. Mit Glamour oder Kunst hat die Arbeit beim Film nämlich schon lange nichts mehr zu tun. Filmen ist knallharte Maloche. Und von Jahr zu Jahr gibt es weniger Geld dafür. "Die Etats für die Filme reichen vorn und hinten nicht mehr", sagt Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter, der seit 1985 Fernsehspiele und Krimis für "Tatort" und "Polizeiruf 110" dreht.
Das schlägt sich vor allem in der Anzahl der Drehtage nieder, die mit 120 000 bis 150 000 Euro pro Tag einer der größten Kostenpunkte sind. Noch Anfang der 80er-Jahre wurden für eine Folge "Derrick" oder "Der Alte" 30 Drehtage veranschlagt.
Trotzdem: den bestmöglichen Film
Für die Produktionsfirma Typhoon bedeutete dies zwölf zusätzliche Drehtage und Mehrkosten von geschätzten zwei Millionen Euro - was sie in die Insolvenz trieb. "Wir haben diesen Fall öffentlich gemacht", sagt Robert Rath vom Berliner Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit, "damit sich in der Szene herumspricht, dass die Gesetze eingehalten werden müssen." Denn die Arbeitssituation bei "Im Angesicht des Verbrechens" sei kein Einzelfall.
120 000 bis 150 000 Euro pro Tag
In der Filmszene sei grundlegend etwas zu verbessern, sagt Rath. Mit Glamour oder Kunst hat die Arbeit beim Film nämlich schon lange nichts mehr zu tun. Filmen ist knallharte Maloche. Und von Jahr zu Jahr gibt es weniger Geld dafür. "Die Etats für die Filme reichen vorn und hinten nicht mehr", sagt Regisseur und Drehbuchautor Thorsten Näter, der seit 1985 Fernsehspiele und Krimis für "Tatort" und "Polizeiruf 110" dreht.
Das schlägt sich vor allem in der Anzahl der Drehtage nieder, die mit 120 000 bis 150 000 Euro pro Tag einer der größten Kostenpunkte sind. Noch Anfang der 80er-Jahre wurden für eine Folge "Derrick" oder "Der Alte" 30 Drehtage veranschlagt.
Trotzdem: den bestmöglichen Film
"Als ich 1985 anfing, war man schon auf 25 Drehtage runter", sagt Näter. "Mittlerweile sind wir bei Reihen wie 'Tatort' oder 'Polizeiruf' aber schon bei 21 Tagen gelandet." In der Fachzeitschrift "Blickpunkt: Film" berichtet Regisseur Friedemann Fromm ("Die Wölfe") sogar von Versuchen, die Drehzeit auf 19 Tage zu drücken - und das "auch bei ARD und ZDF!"
Trotzdem versucht das Filmteam natürlich den bestmöglichen Film zu machen. Spielt ein Schauspieler schlecht, ist er für den Zuschauer eben ein schlechter Schauspieler. Die widrigen Umstände beim Dreh spielen für ihn keine Rolle. "Beleuchter arbeiten bei uns heute im Laufschritt. Kein normaler Handwerker würde das hinnehmen", sagt Näter.
"Und kriecht hinterher auf dem Zahnfleisch"
Während man früher seine Mehrarbeit als Überstunden in Rechnung stellen konnte, wird heute häufig pauschal per Drehtag bezahlt. Bloß, dass die Drehtage nicht mehr 10 Stunden, sondern häufig 12, 14 oder gar 16 Stunden dauern. Stoff für 25 Drehtage wird so in 20 durchgeprügelt. "Der Schauspieler muss heute das Doppelte von dem spielen, was er vor 35 Jahren hat spielen müssen", so Näter. "Und kriecht natürlich hinterher auf dem Zahnfleisch."
Hauptgrund für die schlechte finanzielle Lage ist auch hier die allgemeine Wirtschaftskrise. Sie äußert sich bei den Privatsendern in schwindenden Werbeerlösen, bei den Öffentlich-Rechtlichen in sinkenden GEZ-Einnahmen. Zwar steigen diese Gebühren kontinuierlich, es gibt jedoch immer mehr arme Menschen, die von der Zahlung befreit werden müssen. Die gleichbleibend hohen Personalkosten bei ARD und ZDF verschärfen die Situation noch.
Personalkosten: 15 000 Euro pro Tag
Schuld an der Budgetmisere sind aber auch die Schauspieler selbst. Einige jedenfalls. "Als die Privatsender anfingen, auch Filme zu machen, sind die Preise explodiert", erinnert sich Näter. "RTL und Pro Sieben haben um die Stars gerungen und ihnen das Geld hinterhergeworfen." Die Stargagen machten mittlerweile den Großteil des Budgets aus. Spitzenkräften wie Heiner Lauterbach oder Götz George wird eine Tagesgage von 15 000 Euro nachgesagt.
Eine Trendwende ist derzeit aber in Hollywood zu beobachten. So mussten Stars wie Harrison Ford oder Nicolas Cage Zugeständnisse bei der Beteiligung machen. Was die Produktionen enorm entlastet.
"Alternativen? Können Sie vergessen."
Davon ist man hierzulande aber noch entfernt. Wer mit Minibudgets zurechtkommen will, muss messerscharf kalkulieren. Muss die Außenszene wirklich sein? Die Actionszene? Die Probe? Was, wenn die Gegebenheiten vor Ort anders sind als gedacht? Näther: "Auf den Moment zu reagieren, können Sie vergessen. Alternativen zu drehen?
Können Sie vergessen."
Dass das nicht zum Wohle des Films liegt auf der Hand. Regisseur Jo Baier ("Nicht alle waren Mörder") meint: "Ich bin überzeugt, dass Sparmaßnahmen zu 100 Prozent auf Kosten der Qualität gehen. Ich habe (...) Fernsehproduktionen gesehen, die nur 20 Drehtage hatten. Das hat man den Produktionen angesehen."
Die Gleichung "weniger Geld gleich schlechterer Film" sei aber trotzdem falsch, sagt Näter. Über die Jahre hat sich nicht nur die Filmtechnik weiterentwickelt, sondern auch das Handwerk des Filmemachens. Heute drehe man in kürzerer Zeit erheblich bessere Filme. "Man kann den zunehmenden Druck teilweise durch eine bessere Planung und Vorbereitung abfangen."
Probleme bekomme man vor allem, wenn man versche, mit TV-Budgets Kinofilme nachzuahmen, die möglichst auch noch im internationalen Wettbewerb bestehen sollen.
Pragmatisch, kostenbewusst, effizient
Näter, der seine Drehbücher oft selbst schreibt, passt seine Story daher den Budget an und kann so von sich sagen, dass er keine Probleme mit der Arbeitssituation hat. Er weiß genau, wie viel Dialog, wie viel Außenaufnahmen er für den gegebenen Etat liefern kann. Das Drehbuch wird in Einstellungen aufgelöst, jeder einzelnen eine maximale Drehzeit zugewiesen. Dann wird diese "shotlist" abgearbeitet. Pragmatisch, kostenbewusst, effizient.
Und was ist aus dem Künstler geworden, für den das Publikum einen Regisseur immer noch hält? Die Antwort ist deutlich. "Ich habe mit Kunst nichts zu tun. Ich bin Handwerker. Wer am Set mit Künstlern etwas entwickeln möchte, der hat heute ein echtes Problem." Oder arbeitet so lange, bis der Wagen vom Unfallamt vorfährt.
Frank Aures
Trotzdem versucht das Filmteam natürlich den bestmöglichen Film zu machen. Spielt ein Schauspieler schlecht, ist er für den Zuschauer eben ein schlechter Schauspieler. Die widrigen Umstände beim Dreh spielen für ihn keine Rolle. "Beleuchter arbeiten bei uns heute im Laufschritt. Kein normaler Handwerker würde das hinnehmen", sagt Näter.
"Und kriecht hinterher auf dem Zahnfleisch"
Während man früher seine Mehrarbeit als Überstunden in Rechnung stellen konnte, wird heute häufig pauschal per Drehtag bezahlt. Bloß, dass die Drehtage nicht mehr 10 Stunden, sondern häufig 12, 14 oder gar 16 Stunden dauern. Stoff für 25 Drehtage wird so in 20 durchgeprügelt. "Der Schauspieler muss heute das Doppelte von dem spielen, was er vor 35 Jahren hat spielen müssen", so Näter. "Und kriecht natürlich hinterher auf dem Zahnfleisch."
Hauptgrund für die schlechte finanzielle Lage ist auch hier die allgemeine Wirtschaftskrise. Sie äußert sich bei den Privatsendern in schwindenden Werbeerlösen, bei den Öffentlich-Rechtlichen in sinkenden GEZ-Einnahmen. Zwar steigen diese Gebühren kontinuierlich, es gibt jedoch immer mehr arme Menschen, die von der Zahlung befreit werden müssen. Die gleichbleibend hohen Personalkosten bei ARD und ZDF verschärfen die Situation noch.
Personalkosten: 15 000 Euro pro Tag
Schuld an der Budgetmisere sind aber auch die Schauspieler selbst. Einige jedenfalls. "Als die Privatsender anfingen, auch Filme zu machen, sind die Preise explodiert", erinnert sich Näter. "RTL und Pro Sieben haben um die Stars gerungen und ihnen das Geld hinterhergeworfen." Die Stargagen machten mittlerweile den Großteil des Budgets aus. Spitzenkräften wie Heiner Lauterbach oder Götz George wird eine Tagesgage von 15 000 Euro nachgesagt.
Eine Trendwende ist derzeit aber in Hollywood zu beobachten. So mussten Stars wie Harrison Ford oder Nicolas Cage Zugeständnisse bei der Beteiligung machen. Was die Produktionen enorm entlastet.
"Alternativen? Können Sie vergessen."
Davon ist man hierzulande aber noch entfernt. Wer mit Minibudgets zurechtkommen will, muss messerscharf kalkulieren. Muss die Außenszene wirklich sein? Die Actionszene? Die Probe? Was, wenn die Gegebenheiten vor Ort anders sind als gedacht? Näther: "Auf den Moment zu reagieren, können Sie vergessen. Alternativen zu drehen?
Können Sie vergessen."
Dass das nicht zum Wohle des Films liegt auf der Hand. Regisseur Jo Baier ("Nicht alle waren Mörder") meint: "Ich bin überzeugt, dass Sparmaßnahmen zu 100 Prozent auf Kosten der Qualität gehen. Ich habe (...) Fernsehproduktionen gesehen, die nur 20 Drehtage hatten. Das hat man den Produktionen angesehen."
Die Gleichung "weniger Geld gleich schlechterer Film" sei aber trotzdem falsch, sagt Näter. Über die Jahre hat sich nicht nur die Filmtechnik weiterentwickelt, sondern auch das Handwerk des Filmemachens. Heute drehe man in kürzerer Zeit erheblich bessere Filme. "Man kann den zunehmenden Druck teilweise durch eine bessere Planung und Vorbereitung abfangen."
Probleme bekomme man vor allem, wenn man versche, mit TV-Budgets Kinofilme nachzuahmen, die möglichst auch noch im internationalen Wettbewerb bestehen sollen.
Pragmatisch, kostenbewusst, effizient
Näter, der seine Drehbücher oft selbst schreibt, passt seine Story daher den Budget an und kann so von sich sagen, dass er keine Probleme mit der Arbeitssituation hat. Er weiß genau, wie viel Dialog, wie viel Außenaufnahmen er für den gegebenen Etat liefern kann. Das Drehbuch wird in Einstellungen aufgelöst, jeder einzelnen eine maximale Drehzeit zugewiesen. Dann wird diese "shotlist" abgearbeitet. Pragmatisch, kostenbewusst, effizient.
Und was ist aus dem Künstler geworden, für den das Publikum einen Regisseur immer noch hält? Die Antwort ist deutlich. "Ich habe mit Kunst nichts zu tun. Ich bin Handwerker. Wer am Set mit Künstlern etwas entwickeln möchte, der hat heute ein echtes Problem." Oder arbeitet so lange, bis der Wagen vom Unfallamt vorfährt.
Frank Aures