Sanft wiegen sich die Palmen in der lauen Brise, die vom Meer her weht. Irgendwo da draußen, in weiter Ferne, mischt sich am Horizont das Stahlblau des Himmels mit dem Indigoblau des Ozeans. Kein Wölkchen, nirgends. Wer sich jetzt, bei 30 Grad im Schatten nicht mit einem kühlen Cocktail unter den Sonnenschirm verzieht, der ist nicht mehr zu retten. Oder dreht gerade einen Film.

Dem Team, das hier auf den Bahamas, für Pro Sieben Jack Londons Roman "Der Seewolf" neu verfilmt, bleibt kaum Zeit, die Idylle zu genießen. Wann immer das Wetter es zulässt, sticht die Crew von Freeport aus in See. Dort liegt die "Ghost" vor Anker, ein 35 Meter langes Segelschiff aus den 1970er-Jahren, das im Stil des späten 19. Jahrhunderts gebaut wurde.

Bilder Der Seewolf

Fast hätte sich der Drehbeginn verzögert, weil der Zweimaster auf seiner Fahrt vom Heimathafen Port Norris (New Jersey) zum Filmset in einen Sturm geriet. Thomas Kretschmann kann das nicht schrecken. Er ist im Film der Boss an Bord. Der deutsche Hollywood-Star, zuletzt mit Angelina Jolie in "Wanted" im Kino zu sehen, spielt Kapitän Wolf Larsen. Den "Seewolf", der auf dem Schiff ein eisernes Regiment führt.

Jeder Zweite wird seekrank

Auf und im Wasser fühlt sich der 46-Jährige wohl. Für Peter Jacksons "King Kong"-Remake mit Jack Black, in dem Kretschmann einen Kapitän spielt, lernte der einstige Schwimmer aus dem DDR-Olympiakader Segeln. Ein Hobby, das er mit Regisseur Christoph Schrewe teilt. Anderen aus dem Team ergeht es weniger gut. Jeder Zweite wird seekrank.

Der Seewolf - Pro Sieben, Mo./Di., 24./25.11.2008, 20.15 Uhr: Hier vormerken!

Es ist nicht das einzige Ungemach, das den Schauspielern droht. Als sich Vinzenz Kiefer ("Der Baader Meinhof Komplex") auf hoher See ins kühle Nass stürzt, stockt den Männern von der lokalen Crew der Atem. Die Seeleute sind einiges gewohnt. Zuletzt schipperten sie Johnny Depp und Keira Knightley über das Wasser, als "Fluch der Karibik" auf den Bahamas gedreht wurde. Aber keiner der Superstars ging hier, wo es von Haien wimmelt, ins Wasser.

Jetzt halten Sicherheitstaucher die Raubfische auf Distanz. Kiefer bleibt cool. Anfangs hatte er eine Heidenangst vor den Haien, die wie Torpedos durch das Wasser schießen. Doch ein spezieller Tauchkurs brachte ihm die Tiere in jeder Beziehung nahe. Die waren allerdings auch etwas kleiner als das fünf Meter lange Monster, das vier Tage nach Drehende an einem Strand der Bahamas angespült wird.

Remake

In Jack Londons Roman spielt die Geschichte vom Seewolf im Nordpazifik. Dort wollte Regisseur Schrewe wegen der hohen Wellen und des schlechten Wetters nicht drehen. Schon der ZDF-Vierteiler von 1971 mit der legendären Szene, in der Raimund Harmstorf eine (angeblich) rohe Kartoffel in der Hand zerquetscht, entstand nicht am Originalschauplatz, sondern zu großen Teilen in Rumänien und auf dem Schwarzen Meer.

An diesen Erfolg möchte das ZDF mit einem weiteren Remake anknüpfen, das nächstes Jahr ausgestrahlt wird. Fast vierzig Jahre lang hat sich kein deutscher Regisseur mehr an diesem Stoff versucht, und nun sind kurz hintereinander gleich zwei Seewölfe im TV zu sehen: Thomas Kretschmann (Pro Sieben) und Sebastian Koch (ZDF).

Die Firma Tele München Gruppe, die den ZDF-Film produziert, versuchte per Gerichtsbeschluss zu erwirken, dass der Pro-Sieben-Zweiteiler nicht "Der Seewolf" heißen dürfe. Die Klage wurde in der zweiten Instanz zurückgewiesen. Jetzt darf der Zuschauer ohne Bevormundung durch die Justiz entscheiden, welcher der beiden Filme zu Recht den Titel trägt.

Parallelen zur aktuellen Krise

Tatsächlich bietet die Romanvorlage von Jack London genügend Material für unterschiedliche Fassungen. Regisseur Christoph Schrewe zieht Parallelen zur aktuellen Krise des Finanzsystems. Manche Hedge-Fonds-Manager hätten eine ähnliche Mentalität wie Kapitän Larsen, der den Humanismus seines Gegenspielers Humphrey van Weyden (Florian Stetter) verachte und nur an das Recht des Stärkeren glaube.

Christian Balz, Deutsche- Fiction-Chef von Pro Sieben, hofft, dass der Stoff für junge Zuschauer interessant sei, die sich fragen, wie man sich im Haifischbecken der Arbeitswelt von heute behaupten kann und ob es Alternativen zum Sozialdarwinismus des "Seewolfs" gibt.

Die Kartoffel ist nicht gekocht

Bleibt die Frage nach der Kartoffel, die der Seewolf zerquetscht. "Die Kartoffelszene ist gefährlich", sagt Thomas Kretschmann, der schon als Junge von ihr fasziniert war. "Jeder wird darauf schauen, wie ich sie spiele." Und jeder wird wissen wollen, wie der Trick funktioniert. "Die Kartoffel ist nicht gekocht", ist alles, was Kretschmann verrät. Danach schweigt der Mann wie ein Seemannsgrab.

Rainer Unruh